Nacht ohne Sterne
542 Seiten

Wenn ihr sehen könntet, wie verwirrt ich gerade vorm Rechner sitze und versuche einen ersten Satz zu tippen, könntet ihr euch vielleicht vorstellen, wie schwer mir diese Bewertung fällt — wozu natürlich auch der erste Satz gehört, aber das habe ich ja jetzt geschickt gelöst, höhö. Auf "Nacht ohne Sterne" habe ich gefühlt schon seit Monaten hingefiebert, obwohl ich vorher noch nie etwas von Gesa Schwartz gelesen hatte. Dennoch klang der Klappentext schon so phantastisch, dass ich es kaum abwarten konnte. Meine Vorfreude wurde viele Seiten lang auch bestätigt, denn den Schreibstil der Autorin kann ich nur mit wunderschön beschreiben. Einer, in den man sich fallen lassen kann, einer, der vor Bildhaftigkeit nur so strotzt. Jedoch auch einer, in den man sich nicht immer und zu jeder Zeit fallen lassen kann, denn mitunter lesen sich die verschnörkelten Sätze recht sperrig. Und damit sind wir auch schon bei meinem Problem: Wie kann ich nur erklären, warum ich etwas gleichzeitig wunderschön und sperrig fand?

Die Geschichte von "Nacht ohne Sterne" beginnt an einem regnerischen Tag in New York. Die Protagonistin Naya ist gerade mit einem neuen Schwung Bücher auf dem Weg ins Antiquariat ihres Vaters, als sie einigen Askari begegnet, die gerade einem Kobold auflauern. Askari sind die Lichtelfen in diesem Buch, auch Nayas verstorbene Mutter war eine, was Naya zu einem Halbling macht. Sie gehört damit weder richtig in die Welt der Askari noch in die der Menschen, kann nicht wirklich zaubern, aber doch übernatürliche Dinge wahrnehmen. Das Reich der Lichtelfen bleibt ihr erst recht verwehrt, vom Reich der Dunkelelfen, die hier Bharassar heißen, ganz zu schweigen. Beide Elfenrassen sind seit jeher verfeindet, doch als sie Vidar begegnet, der so gar nicht zu den Geschichten über die bösen Dunkelelfen zu passen scheint, steht sie plötzlich zwischen den Fronten.

Dieses Setting klingt zunächst mal nach Urban Fantasy, es verwandelt sich allerdings recht schnell zu High Fantasy, da sich Naya immer mehr in den Reichen der Askari und Bharassar aufhalten wird. Und diese Welten, die Gesa Schwartz da erschaffen hat, sind unglaublich kreativ und was vollkommen neues, obwohl ich ja sonst auch so viel High Fantasy lese. Die Autorin spielt hier mit ihrem verschnörkelten und detaillierten Schreibstil, vieles in den neuen Welten erscheint wie im Traum oder nur dann, wenn die handelnden Personen sich vorstellen können, dass es existiert. Und genau so kommt das dann natürlich auch in den Köpfen der Leser an. Da die Sprache in diesem Buch sehr bildgewaltig ist, fiel es mir bis zu einem gewissen Punkt ziemlich leicht mich in diese Bilder fallen zu lassen, sie zuzulassen. Andere Leser in der Leserunde zu "Nacht ohne Sterne" hingegen hatten von Beginn an Schwierigkeiten. Zum Glück sind Geschmäcker verschieden, dachte ich mir dann, bis mich genau das eben auch eingeholt hat. Ich gehöre zu den (Phantastik-)Lesern, die sich gern vorstellen können, wie etwas funktioniert. Dazu muss man mir das gar nicht zu 100% aufdröseln, damit ich etwas logisch finde, doch hier hat mich Gesa Schwartz leider ab ungefähr der Mitte des Buches abgehängt. Viele Situationen fühlten sich zwar immer noch traumhaft schön an, waren für mich aber so abgehoben, dass ich teilweise überhaupt nicht mehr sagen konnte, was da abging — mal ganz flapsig gesagt. Schöne Worte bleiben zwar immer noch schöne Worte, aber es ist schade, wenn die Bildgewalt nicht immer zuverlässig da ist.

Die Geschichte selbst, die natürlich davon beeinflusst wurde, dass mir die traumartigen Konstrukte zu viel wurden, ist aber dennoch eine herausragende. Zu keinem Zeitpunkt des Buches hätte ich sagen können, wohin und auf welchen Wegen die Handlung vorangetrieben wird. Etwas, das ich zu Beginn als Grundproblem benannt hätte, wurde zum Beispiel schon recht früh aufgelöst und danach ging es erst so richtig los. "Nacht ohne Sterne" beschreibt eine vollkommen neue Welt, die von komplexen, aber nicht ganz so neuartigen Problemen geplagt wird. Naya ist eine starke Protagonistin, die manchmal zwar in Selbstmitleid aufgeht und klischeehaft handelt, den Leser aber dennoch zielstrebig und rasant durch die Geschichte führt, sodass es nie langweilig wird.

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