Waldbad
240 Seiten

Ein schöner Text über einen jungen Mann, der mehr denkt, als er sagt und vielleicht auch mehr beobachtet, als die Menschen um ihn herum denken. Spannender Einblick in das Leben der Leben der Einheimischer in einem Dorf, das vom Tourismus geprägt und verändert wird.

Toxische Weiblichkeit
192 Seiten

Für mich eine sehr bereichernde Erweiterung des Diskurses um Rollenbilder und Geschlechtergleichstellung und eine dringend notwendige Ergänzung zum (bzw eher Erweiterung des) Begriff/s der toxischen Männlichkeit, über die schon viel geschrieben und diskutiert wird. Der Text eröffnet Zugang zu einer selbstkritischen und grundehrlichen Auseinandersetzung mit den eigenen Verhaltensmustern und Prägungen, und das meiner Meinung nach weitgehend unabhängig von Geschlecht und Geschlechtsidentität. Vielmehr lese ich den Text als Chance, sich mit eigenen Verhaltensweisen auseinanderzusetzen, mit denen wir unseren Mitmenschen und uns selbst - häufig unabsichtlich - Schaden zufügen. Ich verstehe die Gedanken von Sophia Fritz als Appell, mehr Verantwortung für unser Denken und Handeln zu übernehmen, für ein entspanntes und wohlwollendes Miteinander. Ich hoffe, dass der Titel bzw. das Konzept toxischer Weiblichkeit nicht missverstanden werden und Männer vom Lesen abhalten, denn was Sophia Fritz schreibt, geht uns meiner Meinung nach alle etwas an!

Findet mich
324 Seiten

Auf x Zeitebenen erzählt Doris Wirth von einer Schweizer Familie, den Dynamiken zwischen ihren Mitgliedern und davon, wie eine psychische Krankheit langsam Raum greift und die geglaubte Stabilität nach und nach bröckeln lässt. Dabei kommt, finde ich, gut zum Ausdruck, dass es zwar einen ‚Kippmoment’ gibt, an welchem sich die Krankheit nicht mehr ignorieren lässt, sich diese aber aus einer langjährigen, ja generationenübergreifenden Prägung heraus entwickelt und die Grenzen von ‚gesund‘ und ‚krank‘ verwischt. Persönlich hätte ich mir noch mehr Erzählung über das ‚danach‘ gewünscht. Der Roman blickt weit zurück in die Vergangenheit, dagegen nimmt die Zeit ab dem Moment, an welchem alle Beteiligten die Diagnose akzeptieren, verhältnismässig wenig Seiten in Anspruch. Vielleicht ist das aber auch nur meine Neugierde, wie es wohl mit Florence, Lukas, Maria und Erwin weitergeht…

Trophäe
256 Seiten

Ein Text wie ein Fiebertraum. Nach dem Lesen habe ich mich auch genau so gefühlt: erschlagen, verwirrt und zugleich klar, mit einem Gefühl, das Menschsein in seinen tiefsten Abgründen jetzt ein bisschen besser zu verstehen. Zudem habe ich viel gelernt über die Grosswildjagd und die skurrilen Blüten, die der Artenschutz dabei treibt, über den westlichen Blick auf ‚Afrika‘ und nicht zuletzt über Vorstellungen von ‚Männlichkeit‘ und ihre schädlich Auswirkungen auf Menschen jeden Geschlechts.

Views
272 Seiten

Ich bin keine erfahrene Krimileserin und breche immer mal wieder einen ab, weil mir die Sprache nicht gefällt oder ich die beschriebenen Personen nicht recht zu fassen kriege. Diesen habe ich gelesen, weil ich Marc-Uwe Kling mag und ich habe ihn wirklich gern gelesen. Das Tempo hat mir gefallen, es gibt keine wenig relevanten Nebenschauplätze. Die Charaktere sind greifbar und die Sprache hat mir gefallen. Die Thematik des Falls ist aktuell und wichtig und wird von Kling immer wieder fein und mit viel Situationskomik politisch bewertet.

Auf allen vieren
416 Seiten

Schonungslos ehrlich erzählt Miranda July von einer Frau in der Perimenopause. Die künstlerische Karriere und die monogame Langzeitbeziehung der namenlosen Ich-Erzählerin stecken zu Beginn der Erzählung fest und erfahren unter den Einfluss der hormonellen Veränderung eine ganz neue Dynamik, die ebenso skurril wie erotisch ist und mich als Leserin die Grenzen meiner Scham neu ausloten liess. Die stellenweise Befremdung und Fremdscham über das Verhalten der Protagonistin führte mich beim Lesen immer wieder an den Punkt, die eigenen Vorstellungen von ‚richtig‘ und ‚falsch‘ neu zu hinterfragen. Dass ich dabei immer wieder einen verständnis- und liebevollen Blick auf die Protagonistin und ihre Herausforderungen entwickelt habe, macht den Text für mich so besonders und relevant.

Unterleuten
640 Seiten

Juli Zeh schafft es für mich einmal mehr, die Unterschiede und Unvereinbarkeiten von Menschen und ihren Perspektiven auf das Geschehen aufzuzeigen. Die Innenperspektive der Protagonisten schafft Verständnis für die jeweils eigenen Sichtweisen und Beweggründe. Das führt mich als Leserin über den Punkt von Sympathie und Antipathie gegenüber den beschriebenen Menschen hinaus und schafft Verständnis dafür, dass in mehr oder minder komplexen Angelegenheiten alle Beteiligten ihre für sich nachvollziehbaren Handlungsmotive haben und sich schlussendlich jede*r im Recht glaubt. Mit den Themen Stadt- und Land bzw. Vorstellungen davon, erneuerbarer Energie und die Rolle der Politik in Bezug auf diese (und viele anderen) Herausforderungen zeichnet Juli Zeh für mich ein brandaktuelles Bild von Ostdeutschland, das zugleich weit über diesen geografischen Raum hinaus relevant ist.