Schändung
458 Seiten

Spannung, obwohl man die Täter bereits zu Beginn kennt? Mitgefühl für eine brutale Gewalttäterin? Witz und Ironie in einem Thriller, dessen Hauptthema das abgrundtief Böse zu sein scheint? Für das neue Buch von Jussi Adler-Olsen kein Widerspruch.
Wieder nimmt sich Carl Morck eines alten Falles an, obwohl dieser aufgeklärt scheint. Ein Mann wurde für den Tod eines Geschwisterpaares verurteilt und sitzt nach vielen Jahren noch immer hinter Gittern. Doch jemand scheint Zweifel an dieser Lösung zu haben, denn die Akte wurde auf unbekannte Weise auf Morcks Schreibtisch deponiert. Als man bereits zu Beginn versucht, seine Ermittlungen zu unterbinden, erwacht sein Widerspruchsgeist und er intensiviert seine Nachforschungen erst recht und landet bald in den höchsten Kreisen der Gesellschaft.
Man weiß bereits zu Beginn, wer für die Morde verantwortlich ist, ohne jedoch die Hintergründe zu kennen, die dazu führten. Nach und nach erfährt man die Einzelheiten und voller Entsetzen verfolgt man, wie Kimmie, die einzige Frau in einer Clique mit fünf krankhaft gewalttätigen Männern zu der wurde, die sie heute ist. Obwohl sie selbst nicht weniger brutal und grausam ist als ihre Freunde, ist man doch voller Mitgefühl für diesen Menschen, der ein Ausmaß an Kälte und Lieblosigkeit erleiden musste, das man seinem ärgsten Feind nicht wünscht.
Wie in seinem ersten Fall ermittelt Morck gemeinsam mit seinem Assistenten Assad, der zusammen mit Rose, der neuen und von Morck verabscheuten Sekretärin, wieder für manch witzige Einlage sorgt. Auch die Beziehung zu Mona Ibsen, der Polizeipsychologin macht Fortschritte: Sie geht mit ihm essen, was bei Morck nicht nur für Freude sorgt...
Spannend, witzig, brutal, kritisch - eine wirklich gelungener Thriller!

Prophezeiung
448 Seiten

Sind Bücher nicht geradezu prädestiniert dafür, sich an einem verregneten Wochenende die Zeit damit zu vertreiben? Normalerweise schon, aber bei diesem Buch könnte es sein, dass man ernsthaft zu überlegen beginnt, ob man den Koffer packen und spontan einen etwas länger andauernden Urlaub antreten soll.

Die Prophezeiung beginnt im März eines nicht allzu fernen Jahres in Hamburg. Das Klima ist bereits spürbar milder geworden: das Hamburger Hafenwasser (wie auch in anderen Städten) - mit Feuerquallen verseucht; die Winter - deutlich zu warm. Mavie Heller feiert ihren Abschied. Durch ihren früheren, von ihr verehrten Professor, hat sie eine Stelle am hoch geheimen Klimainstitut IICO bekommen, das enorme Datenmengen für ein Klima-Prognose-Programm erhebt. Mavie verschafft sich Zugang zu diesem Programm und erkennt, dass eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes bevorsteht: nicht endende Regenfälle im Norden, eine endlose Dürre in der Äquatorregion - mit insgesamt 400 bis 800 Millionen Toten. Als ihr 'Einbruch' entdeckt wird, fliegt Mavie. Und ihre beste Freundin Helen, der sie davon erzählte, kommt unter unglaubwürdigen Umständen ums Leben. Offenbar soll die Wahrheit unter allen Umständen nicht in die Öffentlichkeit gelangen, koste es auch Menschenleben. Doch Mavie lässt sich nicht einschüchtern...

'Die Prophezeiung' ist ein stellenweise erschreckend realistischer Klimathriller, der klar macht, wie wenig es doch braucht, um unser scheinbar so selbstverständliches, normales Leben um 180° zu drehen. Gigantische Regenwassermengen in kurzer Zeit, die Verkehrswege unpassierbar machen und Strom- und Kommunikationsnetze lahm legen - und schon nach kurzem gilt wieder das Recht des Stärkeren. Hunderte Millionen von Afrikanern, die in ihrem Land dem sicheren Tod entgegenblicken, stürmen die Festung Europa - alles wirklich völlig unwahrscheinlich? Auch wenn das Komplott und die Verschwörungsgeschichte, die den eigentlichen Roman ausmachen, eher unrealistisch wirken (aber nichtsdestotrotz glaubwürdig), hinterlassen die beschriebenen Szenen der Auswirkungen dieses Klimawandels in Europa wie auch in Afrika einen bitteren Beigeschmack. Es könnte so sein....

Vier Punkte gibt es nur, da Mavies Anhimmeln ihres Professors und die dazu geführten Selbstgespräche schlicht fehl am Platze wirkten. Aber sonst: spannendes Kopfkino!

Ein fast perfekter Plan
432 Seiten

Psychothriller, abgrundtief böse - so Untertitel und Überschrift der Rückseite. Doch nach meinem Geschmack trifft weder das Eine noch das Andere so richtig zu.

Natürlich ist es ein böses Spiel, was Richard mit Regine, der vermeintlichen Millionenerbin da treibt. Angetrieben von seiner Freundin Kerstin, der Friseurin von Regines Mutter, macht er sich an sie heran in Erwartung ihres baldigen Reichtums, zu dem sie durch den scheinbar unmittelbar bevorstehenden Tod ihres Vaters gelangen soll. Ihr eigener Tod wäre dann nur noch eine Frage der Zeit. Richard gelingt es, ihr Vertrauen und ihre Liebe zu gewinnen und bereits nach kurzem geben sie sich das Ja-Wort. Doch Regine hat Visionen, die ihr ihren baldigen Tod und den Anderer prophezeien. Sie beginnt misstrauisch zu werden...

Es ist durchaus auch stellenweise spannend und unterhaltend zu lesen, wie Richard und seine Freundin trotz diverser Rückschläge systematisch auf ihr Ziel hinarbeiten. Aber ein Thriller? Denn Regines Naivität und die Leichtigkeit, mit der das Täuschungsmanöver durchgezogen wird, lassen nur mäßige Spannung entstehen. Zu unglaubwürdig wirkt das Ganze. Es ist kaum vorstellbar, dass eine 22jährige BWL-Studentin einen Mann heiratet, von dem sie so gut wie nichts weiß, egal wie groß ihr Zärtlichkeitsbedürfnis auch sein mag. Denn mit nur einigen wenigen Nachforschungen wäre das ganze perfide Spiel sofort aufgeflogen. So bleibt es bei einem ordentlichen Durchschnittskrimi mit kleinen Mystery-Anleihen, der trotz seines grausamen Prologs weitestgehend blutarm und gewaltfrei daherkommt.

Mittwinternacht
605 Seiten

Merrily Watkins, Pfarrerin von Ledwardine, wird vom Bischof als erste Frau zur Exorzistin ernannt, mit dem neuen Titel 'Beraterin für spirituelle Grenzfragen'. Denn Michael Hunter, recht frisch in seinem Amt als Bischof und dazu ungewöhnlich jung, frei von jeglicher Spiritualität, sieht diese Aufgabe eher als Dienstleistung im beratenden Bereich an mit größtmöglicher Offenheit nach außen. Ganz im Gegensatz zu Merrilys Vorgänger, der, zwar krank, aber noch amtierende Dobbs, der seine Aufgaben möglichst im Verborgenen erfüllte. Merrily erkennt bald, dass sie sich zwischen zwei gegnerischen Auffassungen befindet: Der des Bischof, dem jegliche Form von Exorzismus völlig fremd und zuwider ist. Und der ihres Vorgängers, einem überzeugten Exorzisten, dessen Einstellung auch von vielen anderen Mitgliedern der Kirchenhierarchie geteilt wird. Noch nicht richtig im Amt wird Merrily mit Geschehnissen konfrontiert, die sie daran zweifeln lassen, ob die Auffassung ihres Vorgesetzten die richtige ist...

Mittwinternacht ist ganz klar ein Mystery-Krimi. Es geht um Visionen, Satanisten, das Böse an sich undundund. Doch Rickman behandelt all die aussergewöhnlichen Ereignisse erst intensiv unter rationalen Aspekten und Gesichtspunkten, sodass am Ende die übernatürlichen Erklärungen beinahe wie selbstverständlich als Einzige noch in Frage kommen und somit auch (Noch)Nicht-Mystery-Fans ihren Spass beim Lesen haben werden. Neber der eigentlichen Krimihandlung stellt Rickman auch ein stimmiges Bild der aktuellen Situation der Kirchen dar: die Konkurrenz durch Esoterik, der Zweifel insbesondere der jungen Leute am Sinn der Kirche und ihren Ritualen, die Sinnsuche der Menschen die die Kirche nicht unterstützt usw.

Das Ganze liest sich gut und flüssig weg, lediglich die Handlung bleibt recht vorhersehbar und stellenweise wenig überraschend, so dass es über einen, wenn auch soliden, Durchschnittskrimi nicht hinauskommt.

Tannöd
170 Seiten

Die Bewohner eines Einödhofes werden tot aufgefunden, selbst vor den zwei- und achtjährigen Kindern und der Magd, die erst am Tag zuvor ihren Dienst antrat, machte der Mörder keinen Halt. Auf ungewöhnliche Art und Weise nähert sich der Krimi den Geschehnissen: Ein früherer, zeitweiliger Bewohner des Dorfes kehrt zurück und ihm, 'einem Fremden und doch Vertrauten', erzählen die Bewohner ihre Gedanken, Vermutungen, ihre Sicht der Ereignisse. Nachbarn, Bekannte, Freunde usw. kommen zu Wort, und so kristallisiert sich nach und nach das Bild einer Familie heraus, die manches zu verbergen hatte. Zwischen diesen Berichten fließen immer wieder die Beschreibungen ein, was genau kurz vor dem Tode der einzelnen Bewohner geschah, so dass man sich Schritt um Schritt der eigentlichen Tat nähert.
Das Ganze ist eher eine Reportage als ein herkömmlicher Kriminalroman: Der Ton ist knapp und karg - entsprechend den Personen, meist bäuerlicher Herkunft, deren Sichtweise gerade vermittelt wird. Dennoch ist es spannend wie ein Krimi, der einen mit seiner düsteren Atmosphäre, die diese Gegend umgibt, voll und ganz gefangennimmt. Ungewöhnlich - aber gut!

Die Pythagoras-Morde
208 Seiten

Oxford - Hort des Wissens und der Bildung. Selbst Serienmörder hinterlassen hier nicht einfach nur ihre Toten, sondern in diesem Fall auch Nachrichten mit kryptischen Zeichen, die gezielt Seldom, einem berühmten Mathematiker, zugespielt werden. Nichts scheint die Toten miteinander zu verbinden, außer diesen Nachrichten und der Tatsache, dass alle bereits wesentlich länger lebten als ihnen die Medizin vorhergesagt hatte. Gemeinsam mit Seldom macht sich der argentinische Mathematikgaststudent, der das erste Opfer fand, bei dem er zur Untermiete lebte, auf die Suche nach dem Täter.
Entsprechend ihrer Profession verläuft die Suche nach streng mathematisch-philosophisch-logischen Gesichtspunkten unter Heranziehung u.a. der Thesen Gödels und Wittgenstein. Doch keine Angst: Auch für mathematisch Nicht-Vorbelastete ist dies alles gut nachvollziehbar und so manche/r wird entdecken, dass Mathematik alles andere ist als nur graue Theorie.
Spannend, überraschend und auch noch lehrreich - so muss ein Rätselkrimi sein!
PS: Wer in einem Lesekreis des Krimis Lösung gemeinsam errätseln will, sollte bis Kapitel 24 lesen. Im 25. wird die ganze Wahrheit offengelegt.

Becks letzter Sommer
453 Seiten

Becks letzter Sommer ist die Geschichte eines fast 40jährigen Lehrers, der plötzlich die Erfüllung seiner Jugendträume in greifbare Nähe gerückt sieht, als er in seiner Klasse das musikalische Genie Rauli entdeckt: Ein begnadeter Gitarrist, dem auch geniale Texte und Melodien nur so zuzufliegen scheinen. Beck, dem eine Musikerkarriere verwehrt blieb, sieht sich schon als Manager von Rauli neben ihm auf den Bühnen der Welt stehen. Doch dieser Sommer hat noch mehr zu bieten: Er beginnt eine Affäre mit der 10 Jahre jüngeren Lara, die ihm näher kommt als ihm lieb ist. Und sein einziger Freund Charlie, ein knapp 30jähriger schwarzer Hypochonder, scheint nun endgültig durchzudrehen und bedarf dringend seiner Hilfe. Becks bisher so gleichförmiges (man könnte auch schreiben, langweiliges) Leben, wird heftig durcheinandergewirbelt. Und ehe er es sich versieht, befindet er sich zusammen mit Rauli und Charlie auf einer Autofahrt von München nach Istanbul mit unvorhersehbarem Verlauf.

Oberflächlich betrachtet bringen sie Charlie zu seiner Mutter, doch in Wahrheit sind sie alle drei auf der Suche nach dem, was ihrem Leben einen Sinn verleiht. Beck, der von seinem gefühllosen Vater in den Lehrerberuf gedrängt wurde, dessen wahre Leidenschaft aber der Musik gehört. Charlie, der sich seit gut 10 Jahren in allen möglichen und unmöglichen Dingen versucht hat und trotzdem noch keinen Schritt weiter ist. Und Rauli, dieses musikalische Wunderkind, der sich mit Hingabe jedoch einer völligen anderen Sache widmet. Lara ist die einzige, die zu wissen scheint, was sie vom Leben will und fehlt somit bei dieser Fahrt quer durch Europa.

Auch wenn es nach einem ziemlich ernsthaften Thema klingt, ist die Geschichte durchweg unterhaltsam und amüsant geschrieben. Die Figuren sind teilweise drastisch überzogen dargestellt (insbesondere Charlie) ebenso wie manche der beschriebenen Ereignisse, so dass es zeitweise beinahe ins Klamaukhafte abrutscht. Die Sprache kommt gelegentlich flapsig und schnoddrig daher, und erinnert mehr an gesprochenes als an geschriebenes Umgangsdeutsch. Für meinen Geschmack hat Wells diesem Buch etwas zu viel aufgeladen. Die Beziehungen Becks zu seinen Freunden, deren jeweils eigene Geschichten sowie die Suche nach dem Sinn des Lebens – etwas weniger wäre hier deutlich mehr gewesen.

Dennoch: Für das Erstlingswerk eines 23jährigen ein guter Beginn. Und für die, die es lesen wollen, ein unterhaltsames und amüsantes Buch mit ernsthaften Untertönen, an das man jedoch keine zu großen Erwartungen stellen sollte.

In Rio steht ein Hofbräuhaus

Nachdem ich Wigald Boning bei einer Lesung dieser Berichte erlebt habe, war der Kauf dieses Hörbuches ein Muss. Der einzige Haken: Vermutlich sind es im Vergleich zum Buch viel zu wenige Geschichten.
Nachdem er bereits in sehr jungen Jahren durch die Exotik des mallorquinischen Alltags geprägt wurde (gelber Reis, Männer in weißen Anzügen usw.), treibt es ihn mit zunehmendem Alter immer weiter in die Ferne. Glücklicherweise konnte und kann er durch seine geschickte Berufswahl diesem Drang immer wieder nachgeben und macht uns die Freude, seine dabei gemachten Erlebnisse und Erfahrungen in diesem Hörbuch mitzuteilen. So vertritt er beispielsweise zusammen mit drei anderen AthletInnen Deutschland bei der Fulda-Challenge in Kanada, bei der man bei eisigen Temperaturen diverse sportliche Herausforderungen bewältigen muss (ja, Wigald Boning. Genau der). Oder er bringt u.a. mit einem Quietscheentchen deutsche Musikkultur in die Türkei. Oder findet heraus, bei welcher Kunstfliegerfigur man das Haus des Nikolaus nicht mehr malen kann. Aber auch ganz persönliche Dinge fehlen nicht: Seine Silvesterfeier mit Familie und Freunden im La Grotta, dessen Name genau das verspricht was es bietet. Und der gemeinsame Fahrradurlaub mit einem Freund in Afrika, der dann aber eher ohne Fahrrad stattfand.
Boning ist ein guter Beobachter, der vieles genau auf den Punkt bringt (das Leben auf einem Kreuzfahrtschiff, die Schilderungen in Afghanistan), sich aber vor allem auch nicht scheut, seine selbst erlebten Peinlichkeiten frei von der Leber weg zu erzählen und sich dabei selbst nicht allzu ernst zu nehmen. Das Ganze trägt er ebenso launig vor wie er schreibt und man hört immer wieder, wie er selbst beim Vortragen lachen muss.
594 km gute Unterhaltung - oder 4 Körbe Bügelwäsche ;-)

Schneewittchen muss sterben
535 Seiten

Der wegen zweifachen Mädchenmordes verurteilte Tobias Sartorius kehrt nach Verbüßung seiner Haftstrafe zurück in sein Heimatdorf Altenhain. Zu zehn Jahren wurde er nach einem Indizienprozeß verurteilt für Taten, an die er keine Erinnerung hat. Seine Suche nach der Wahrheit (war er wirklich der Täter?) stößt auf den Hass und die Wut der Dorfbewohner, für die nichts vergessen ist. Und als erneut ein Mädchen verschwindet, scheinen sich die schrecklichen Geschehnisse von damals zu wiederholen.
Es ist der vierte Krimi um das Ermittlerpaar Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein, die jedoch nur beruflich miteinander verbandelt sind. Auch ohne Kenntnis der vorherigen Bände kann man der Geschichte problemlos folgen, in der auch das Privatleben dieser beiden Protagonisten eine nicht nur nebensächliche Rolle spielt. Die 528 Seiten lesen sich leicht weg und trotz der Dicke des Buches ist man relativ schnell damit durch, wenn man sich nicht in der Vielzahl von Spuren, Verdächtigungen und möglichen TäterInnen verheddert. Etwas weniger wäre hier vielleicht mehr gewesen.
Dennoch: Gute Unterhaltung ohne großen Anspruch mit einem Einblick in ein Dorfleben, das man in der Realität nie kennenlernen möchte.

Dream Country
160 Seiten

Sandman Vol. III is composed of four stories, which have nothing to do with each other except their theme - dreaming. Maybe that's one of the reasons why this book is not in the same way fascinating than the first two ones. Also some of the tales are not that impressive: The cats dreaming is enjoyable - but no more. And the Shakespeare-story is more puzzling than awe-inspiring or entertaining. However this could also be due to my poor command of English :-) Anyway, the drawings are still inspiring and I'm looking forward for the next volume.

Clockers
800 Seiten

Obwohl dieser 800-Seiten-Wälzer ausschließlich im Drogenmilieu spielt, ist es kein Krimi oder Thriller im klassischen Sinn. Die beiden Hauptfiguren sind Rocco, Detective, und Strike, ein 'leitender' Clocker, einer der schwarzer Dealer die rund um die Uhr ihren Stoff verkaufen. Als sich in Strikes Umfeld ein Mord ereignet, gerät er in Roccos Visier.
Um einen solchen Plot herum einen 800-Seiten-Roman aufzubauen, würde sicherlich etwas langatmig ausfallen. Doch der Schwerpunkt dieser Geschichte liegt bei der Darstellung der beiden Protagonisten.
Strike, gerade 19 Jahre alt, ist nicht glücklich mit dem was er tut. Immer wieder macht er sich vor, dass er sofort aufhören würde, hätte er genügend Geld beisammen. Doch wann ist genug? Es ist die Furcht vor dem was danach kommt, die Unsicherheit wie er nach dem Drogenjob sein Geld verdienen soll, die ihn daran hindert eine entgültige Entscheidung zu treffen. Und die Angst vor seinem Boss Rodney, der offenbar völlig skrupellos ist.
Rocco, Anfang/Mitte 40, seit 20 Jahren im Dienst, plant ebenfalls auszusteigen, jedoch aus völlig anderen Gründen. Verheiratet mit einer vermögenden Frau und seit kurzem Vater, will er diesen 'Drecksjob' an den Nagel hängen. Doch immer wieder wird ihm klar, dass dieser Job sein Leben ist: das Aufklären von Morden, das Kämpfen für eine bessere Gesellschaft, die gemeinsamen Zeiten mit seinen Kollegen. Und als ein offensichtlich Unschuldiger des Mordes verdächtigt wird, setzt er alles daran, den wahren Täter herauszufinden.
Auch die weiteren Personen in diesem Roman sind überzeugend dargestellt: Strikes Bruder, der unter allen Umständen versucht, in dieser kriminellen Umgebung anständig zu bleiben und beinahe daran zugrunde geht; ihre Mutter, die mit ihren Möglichkeiten versucht, ihre Jungen zu anständigen Bürgern zu erziehen; die Kollegen Roccos, die an (fast) nichts mehr Gutes glauben. Nichtzuletzt ist es der rauhen, teils eher schlichten Sprache zu verdanken, die dem Ganzen einen unglaublich realistischen Klang gibt. Price gelingt es zum einen, das Bild eines Teils der Gesellschaft zu vermitteln, in der es einem dort Hineingeboren fast unmöglich gemacht wird, zu einem anständigen Bürger zu werden. Und zum andern den alltäglichen Kampf der Polizei gegen diese Kriminalität darzustellen, wie auch deren immer wiederkehrendes Scheitern.
Obwohl dieses Buch bereits 20 Jahre alt ist, ist ihm dies zu keiner Zeit anzumerken. Eine noch immer aktuelle und überaus spannende sowie vermutlich realistische Abbildung eines Teils unserer Gesellschaft, den die meisten von uns glücklicherweise wohl nicht kennen.

Die Dienstagsfrauen
320 Seiten

Fünf Frauen, die nichts miteinander verbindet außer einem gemeinsamen Französischkurs vor langer Zeit, brechen zu einer Pilgerfahrt nach Lourdes auf. Seit 15 Jahren treffen sie sich regelmäßig am ersten Dienstag im Monat und fahren einmal im Jahr zusammen in Urlaub. Als nun Judith statt dessen die nicht beendete Pilgerwanderung ihres geliebten Mannes Arne vollenden will, der vor kurzem gestorben ist, ist es für die Dienstagsfrauen selbstverständlich, ihre Freundin dabei zu begleiten.
Caroline, die in jeder Hinsicht, privat und beruflich, erfolgreiche und perfekte Anwältin; Estelle, das exaltierte und oberflächliche Luxusweib; Kiki, die stets Gutgelaunte, die trotz ihrer 35 Jahre noch immer nicht weiß, was (besser: wen) sie will; Eva, die nur für andere lebt, besonders für ihre vier Kinder und ihren Mann; und nicht zuletzt Judith, die Arme, Schwache, Hilflose, die zum Drama neigt - wie diese Fünf sich mit den Gegebenheiten arrangieren, ist recht amüsant zu lesen, aber sicherlich nicht hinreißend komisch wie der Klappentext verspricht. Dafür ist der Grund der Reise auch viel zu ernst. Und zudem stellen die Dienstagsfrauen fest, dass Arne ein Geheimnis hatte, dem sie mit jedem Schritt näher kommen.
Doch viel wichtiger ist, dass sie sich selbst auf dieser Reise näherkommen - manche mehr als ihnen zu Beginn lieb ist. Mehr oder weniger freiwillig beginnen sie, das eigene Leben zu hinterfragen und die Ergebnisse fallen manchmal doch recht überraschend aus. Amüsant fand ich, dass ausgerechnet diejenige, von der man es am wenigsten erwartete, am meisten im Reinen mit sich selbst ist.
Wer jetzt eine Art Selbstfindungsliteratur befürchtet (à la 'Beim Pilgern wurde ich erleuchtet' oder so ähnlich) kann beruhigt sein: 'Die Dienstagsfrauen' ist eine leicht zu lesende und immer wieder auch amüsante Lektüre.

Tod am Kanal
251 Seiten

Die Story ist recht schnell erzählt: Eine Lehrerin des örtlichen Gymnasiums wird in einem Kahn in einer Gracht in Friedrichstadt erdrosselt aufgefunden. Verdächtige gibt es mehr als genug: Schüler, deren Versetzung bedroht ist, zahlreiche Liebhaber, ein Direktor der Angst um seine Schule hat undundund. Als es noch einen Toten gibt, wächst der Druck auf das Ermittlerteam der Husumer Kripo.
So wirklich begeistert hat mich dieser 'Hinterm-Deich-Krimi' nun nicht. Zugegeben, die Verbal-Scharmützel des Ermittlers Große Jäger mit Verdächtigen oder auch seinem Vorgesetzten waren immer wieder amüsant. Und Ortskundige werden sicherlich mit Freude die Beschreibungen diverser Lokalitäten lesen und wiedererkennen.
Doch der immer wieder gestelzte und unnatürliche Sprachstil wie auch die teilweise völlig überzogenen oder unlogischen Aussagen machen wenig Freude beim Lesen.
Einige Beispiele:
Bei einem Ehekrach sagt er zu ihr: 'Durch dein gegen mich intrigierendes Verhalten unterstützt du sie auch noch.' Klar, so unterhält man sich in einer Ehe, oder?
Der Vorgesetzte erklärt seinem langjährigen erfahrenen Mitarbeiter (Hauptkommissar): 'Für Totschlag gilt die Voraussetzung, dass das Tötungsdelikt nicht geplant war.' Hm, sicherlich was ganz Neues für den Hauptkommissar.
'Für die 40 Kilometer benötigten sie fast 20 min, da auf der engen und gewundenen Küstenstraße ... nur ein schweres Vorankommen war.' D.h., sie fuhren 120 km/h. Ansonsten kann man dort vermutlich mit 200 km/h vorankommen.
Der Mörder beim Verhör: 'Nun aber zurück zum Montag.' Ach, wenn doch alle Mörder so gestehen würden...
Und so fort. Manche der Personen sind so übertrieben dargestellt, dass ich beim Lesen nur noch den Kopf schüttelte - einfach unglaubwürdig.
So bleibt als Resümee: für einen Krimi mit viel Lokalkolorit noch ganz ordentlich, aber gut ist etwas anderes.

Ein Mann für gewisse Sekunden
187 Seiten

Eigentlich lese ich ja keine Chick Lit - meist ist die Handlung zu vorhersehbar, sind die Witze zu abgedroschen. Doch dieses Buch hat mich wirklich amüsiert. Das Hauptthema sind (wie der Titel schon andeutet) Männer.
Jenna, Mitte 30, Journalistin bei einem Klatschmagazin, mit jeder Menge Männerbekanntschaften, ist nichtsdestotrotz noch immer auf der Suche nach Mr. Richtig. Ihre fünf Jahre jüngere Schwester Marie hingegen hat ihn schon, jedoch fühlt sich nach sechs Jahren Ehe und drei Kindern alles eher lauwarm an. Als ihr ein abgehalfterter Schlagersänger und Frauenheld unverhohlen schöne Augen macht, beginnt sie schwach zu werden. Und Anneliese, 59, die Mutter der beiden und seit einigen Jahren Witwe, erlebt einen zweiten Frühling mit dem 20 Jahre jüngeren Jo.
Das Verhältnis von Männern zu Frauen und andersherum wird genüßlich auseinandergenommen, insbesondere auch das Sex- und Liebesleben, wobei die Männer dabei nicht allzu gut weg kommen. Doch das alles geschieht ohne jede Verbissenheit oder Feindseligkeit, sondern immer mit einer guten Portion Humor und auch Selbstironie. Da muss Mann hinter verschlossenen Türen demonstrieren, dass auch er einen Orgasmus vortäuschen kann und Frau entdeckt als Tribut an die voranschreitenden Jahre, dass ihr 'untrainierter Körper immer weiter südwärts wanderte'.
Für einen verregneten, langweiligen Sonntagnachmittag eine amüsante, gut unterhaltende Lektüre. Ja, so mag ich Chick Lit auch :-)

Denkanstöße 2010: Ein Lesebuch aus Philosophie, Kultur und Wissenschaft
192 Seiten

Elf Beiträge aus sechs Themengebieten von namhaften Autoren verfasst - schneller wird man kaum seinen Kenntnisstand vergrößern können, wenn auch die einzelnen Abhandlungen von unterschiedlicher Qualität sind. Während man bei Aufsätzen wie beispielsweise denen über Evolution, Geruchssinn und Stammzellforschung tatsächlich das Gefühl hatte, hier über den (damals) neuesten Kenntnisstand unterrichtet zu werden, liefern die Artikel zu Gerechtigkeit und Tugenden mehr eine Zusammenfassung teils bereits bekannten Wissens. Die Erkenntnisse 'Alter Denker' wie Aristoteles, Platon, Descartes und anderen mehr werden ausführlich dargestellt, wobei die aktuelle Bestandsaufnahme beispielsweise bei Merz leider nicht darüber hinauskommt, dass in unserer Gesellschaft die Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit die vorherrschende ist. Die Gründe hierfür werden bedauerlicherweise nicht erörtert.
Dennoch alles in allem ein lohnenswertes Buch. Wie Darwin zu seiner Theorie der Evolution kam, Kepler seine Planetengesetze entdeckte oder der Weg des Islamismus in unsere Vorstädte sind interessante und gut zu lesende Beiträge. Mich persönlich begeisterte am meisten das Kapitel von Werner Jens und Hans Küng: Menschenwürdig sterben, die ihre Einstellung zum Thema Euthanasie aus Sicht des überzeugten Christen darstellen.