Bücherregal lädt …
Ein letztes Geschenk
464 Seiten

Esther Ray ist eine Künstlerin, die auf einer Vernissage ein unschlagbares Angebot von der Multimillionärin Naomi Duncan bekommt: Sie soll zum Anlass des baldigen sechzigsten Geburtstags ihres Ehemanns Scrapbooks über das Familienleben der letzten zwanzig Jahre erstellen. In über zweihundert Kisten schickt Naomi Esther sämtliche Dokumente, die sich seit der Geburt ihrer Tochter angesammelt haben: Fotos, Schulaufgaben, psychologische Beurteilungen, Rechnungen, Bankauszüge – alles, was irgendwie auf Papier gebannt wurde, so irrelevant es auch für die Scrapbooks zu sein scheint. Zudem ist Naomi absolute Geheimhaltung wichtig, was Esther, die True-Crime-Fan ist, bald misstrauisch macht – was genau hat Naomi wirklich mit den Scrapbooks vor? Immer tiefer und tiefer versinkt sie in der Familiengeschichte der Duncans, entschlossen, das Geheimnis hinter ihrer Aufgabe herauszufinden. Und dann kommt Naomi ums Leben, was in Esther umso mehr das Verlangen weckt, Naomis Pläne aufzudecken …

Dieser Roman stellt eine spannende Frage, die er zudem fantastisch beantwortet: Was würde passieren, wenn jemand mit einem lang angelegten Plan stirbt, kurz bevor dieser vollständig umgesetzt werden kann? Und was würde passieren, wenn jemand Anderes auf diesen Plan aufmerksam wird? Dieses faszinierende Gedankenspiel bildet die Basis der gesamten Geschichte und hat es hervorragend geschafft, mich zusammen mit Esther immer tiefer und tiefer in ihre Obsession hineinzuziehen. Es war so fesselnd, wie leicht es Calla Henkel gelungen ist, uns Esthers Gedanken nahezubringen, da wir als Leserinnen und Leser zwar begreifen, dass sie psychologische Probleme hat, es uns aber trotzdem leicht fällt, uns in sie hineinzuversetzen. Ich wollte unbedingt wissen, wohin die Geschichte führt, woraus Naomis Plan bestand und wie weit Esther zu gehen bereit ist, um ihn aufzuklären.

Neben der Haupthandlung, die einen erfolgreich für sich einnimmt, gibt es auch so einige Nebenhandlungen, die mich fesselten, vor allem Esthers Vergangenheit und ihre Freundschaft mit Patrick, ihrem Nachbarn. Aber ich mochte es auch, wie Esther die Podcasts, die sie während der gesamten Handlung anhörte, kurz beschrieb; für die Handlung selbst waren sie nicht relevant, haben aber Esther so gut charakterisiert, dass ich mich zusammen mit ihr in ihnen – und dem Rest der Handlung – verlor.

Das Ziel von Esthers Nachforschungen war unerwartet, hat mich aber zufrieden gestellt. Ich glaube, nur von den Scrapbooks selbst hatte ich mir mehr erhofft; nach einer Weile spielen weder sie noch Naomis Familienmitglieder eine große Rolle, weil der Fokus ab dem letzten Drittel der Handlung eher auf Esthers Untersuchungen außerhalb davon liegt. Spannend fand ich die Handlung hier allemal, hätte mir aber trotzdem gewünscht, dass die Scrapbooks noch eine letzte Rolle gespielt hätten.

Letztendlich hat Calla Henkel hier jedoch einen absolut fesselnden, einnehmenden Spannungsroman geschrieben, der hoffentlich auch andere Leserinnen und Leser begeistern wird!

First Class
256 Seiten

Nach zwanzig Jahren trifft der namenlose Ich-Erzähler auf seinen ehemaligen College-Kameraden Jeff Cook, der den Drang verspürt, seine Geschichte mit ihm zu teilen. Damals hat er nämlich einem Ertrinkenden das Leben gerettet, ohne je einer Person davon zu erzählen. Diese Person ist der Kunsthändler Francis Arsenault. Aus Neugier herauszufinden, was für eine Person er ist, nimmt Jeff bei ihm einen Posten als Assistent an …

Dieser Roman ist recht kurzweilig, beschäftigt sich aber mit interessanten Themen – vornehmlich natürlich mit der Frage, wir wir Entscheidungen treffen, wie diese Entscheidungen unser und das Leben anderer beeinflussen und ob wir je wissen können, dass wir die richtige getroffen haben. Jeff muss sich diesen Fragen stellen, während er Francis Arsenault und die Menschen um ihn herum besser kennenlernt – und an seiner Entscheidung zu zweifeln beginnt. Das fand ich definitiv am faszinierendsten, weil Jeff sich auch regelmäßig daran erinnert, dass alles, was danach geschieht, nur aufgrund von Francis' Rettung passiert. Dieses „Was wäre wenn?“ hätte ich gerne sogar noch mehr gelesen, weil der Gedanke daran fast dazu eingeladen hat, die alternative Geschichte, in der Francis nicht gerettet wird, zu erzählen.

Interessanterweise ist der Roman bis auf die Art und Weise, wie er mit seinem Themen umgeht, eigentlich nichts Besonderes. Es passiert nicht allzu viel und die recht kurzen Kapitel lesen sich alle sehr schnell, weshalb sie nicht unbedingt im Gedächtnis bleiben. Aber es hat mir immer noch Spaß gemacht, diese Geschichte zu lesen und zusammen mit Jeff den Charakter von Francis zu erforschen. Vor allem das Ende war echt genial, weil es meine Erwartungen sowohl untergraben als auch übertroffen hat.

Insgesamt also ein kurzfristiges, aber angenehmes Lesevergnügen!