Daniel Kehlmanns Tyll überzeugt gerade durch starke Episoden, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit den Folgen des Dreißigjährigen Kriegs beschäftigen und ein weitestgehend authentisches Bild zeichnen. Der Roman ist sprachlich und handwerklich ausgereift, die Vermischung zwischen historischem Erzählen und einer oft ins fantastische gleitenden Fiktion gelingt gut. In meinen Augen liegt die größte Schwäche jedoch in der Rahmenhandlung, dem vermeintlichen Eulenspiegel-Roman. Die Figur des Tyll Uhlenspiegel, angelehnt an den bereits fiktiven Stoff um den Schalk Till Eulenspiegel, tritt eher als Randfigur auf und bleibt so über weite Teile unglaublich fremd. Im Vergleich zu Kehlmanns anderen Romanen fehlte es mir hier leider etwas an Tiefe. Insgesamt ein gut konstruiertes Buch, das mir speziell aber in seiner Form nicht zusagen konnte.
Inhaltlich gibt’s in etwa das, was der Titel verspricht: Die Lebensgeschichte von Tyll Uhlenspiegel, dem Gaukler. Und die hat es in sich.
Er fängt als Müllerssohn an. Aber der Papa ist nicht einfach nur ein schlichter Getreidesortierer, sondern ein Welthinterfrager, Denker, Grübler und genau dadurch auch Provokateur im kirchlich geprägten Umfeld des Respektierens der Obrigkeiten. Das geht natürlich schnell schief, der Papa wird an den Pranger gestellt, der Sohn darf fliehen. Die Bäckerstochter Nele kommt mit, auch sie entflieht der drohenden Langeweile des routiniert vorgeschriebenen Lebensalltags.
Beide ziehen sie durchs Land. In ihren Kunststücken sind sie gut, sehr gut, die besten. Auf ihren Wegen sehen sie alles, von allem auch das Elend. Es kommt aus der Gesellschaft, es kommt aus der Armut, es kommt aus dem Überlebenskampf aller, es kommt aus den Zeiten des Dreißigjährigen Kriegs, der gerade tobt. Es ist somit eine phänomenale Kulisse, durch die sich Tyll und Nele mit phänomenaler Routine bewegen.
Und diese Geschichte ist ganz wundervoll erzählt. Es ist spannend, aus verschiedenen Sichtweisen auf das Geschehen zu gucken. Es ist anregend, verschiedene historische Schicksale aus dem Blick zweier Gaukler zu betrachten. Es ist beruhigend, dass sowohl die Kleinen als auch die Großen ihrer Zeit mit Sorgen, Nöten, stinkenden Gassen und kleinen Heldentaten kämpfen.
(https://sr-rolando.com/2019/08/08/tyll/)
Ein seltsames Buch. Sprachgewaltige Episoden aus dem Dreißigjährigen Krieg, zusammengehalten durch eine Rahmenhandlung um Till Eulenspiegel, der seltsam fremd bleibt.
Manches ist so gut, dass es keiner Worte bedarf. Das hier gehört definitiv dazu.
"Es ist ganz simpel: Nie wird ein Konhaufen alleine dadurch, dass man ein einziges Korn wegnimmt, zu etwas, das kein Kornhaufen ist. Niemals auch wird etwas, das kein Kornhaufen ist, dadurch, dass man ein Korn dazulegt, zu einem Haufen. Und doch: Nimmt man Korn um Korn fort, ist der Haufen irgendwann kein Haufen mehr."
Ein Buch über den 30jährigen Krieg, über all das Leid und all die Fürchterlichkeiten, die in Europa passierten. Jedes Kapitel ist einer eigenen Geschichte gewidmet, alle hängen irgendwie zusammen. Gewisse Kapitel packten mich sehr, bei anderen fand ich kaum den Zugang.