Yuko liebt Haikus und Schnee, und vor allem Haikus, die sich mit der Schönheit des Schnees befassen. Doch um Hofdichter werden zu können, muss er lernen, Farbe in seine Gedichte zu bringen - und lernt auf diese Weise den blinden Soseki kennen, dessen Geschichte sowohl die Farben als auch das Weiß des Schnees auf schmerzhafte Weise miteinander verbindet ...
"Schnee" ist ein sehr kurzweiliger Roman, der sich in Windeseile durchliest, aber einen starken Eindruck hinterlässt. Mit wenigen Worten schafft Maxence Fermine es, Bilder zu malen, die einem im Gedächtnis bleiben und eine Atmosphäre zu erschaffen, von der man sich gerne mitziehen lässt.
Sehr schön fand ich, wie erwähnte Szenen zu Beginn am Ende noch einmal relevant wurden; die Frau unter dem Eis, die Yuko sieht, sowie die Begegnung mit einer anderen jungen Frau wirkten zunächst wie einzigartige, nahezu magische Momente, bis schließlich deren wahre Bedeutung aufgedeckt wurde.
Übrigens würde ich nicht empfehlen, die Geschichte in einem Rutsch zu lesen, wie ich es getan habe. Ihre Wirkung ist stärker, wenn man die einzelnen Kapitel auf sich wirken lässt, über sie nachdenkt und die ganze Schönheit des Stils somit würdigt. Dieses Buch will nicht nur gelesen, sondern genossen werden!
Als Akiko hört, dass ihre beste Freundin eine Solo-Hochzeit feiert, ist sie überrascht. Davor war ihr das Prinzip gänzlich unvertraut und nun überlegt sie, ob so etwas auch für sie in Frage kommen könnte. Doch als sie auf ihren ehemaligen Klassenkameraden Kento trifft, bekommt sie Zweifel, denn er stellt ihr zwei zentrale Fragen: Kennt sie sich? Mag sie sich? Diese Fragen sollten vor einer Solo-Hochzeit doch geklärt werden, meint Kento. Er selbst ist inzwischen ein Hikikomori geworden und lebt als solcher abseits der Gesellschaft, hat keinen Kontakt zu Menschen und geht nur nachts raus. Nur Akiko findet Zugang zu ihm und zwischen ihnen startet eine zögerliche Freundschaft. Diese hilft Akiko nicht nur, über den Tod ihrer Mutter hinwegzukommen und das Mysterium ihres Vaters zu lösen, sondern auch, sich selbst immer besser kennenzulernen: Kennt sie sich? Mag sie sich? Und was will sie mit ihrem Leben anfangen?
Dieser ruhige Roman hat viele inspirierende und emotionale Szenen, die sowohl Akikos als auch Kentos Leben und die Schwierigkeiten, denen sie sich stellen müssen, sehr gut beschreiben. Am liebsten gefielen mir die Erzählungen aus ihrer jeweiligen Vergangenheit, weil diese so gut erklärten, warum sie zu den Personen wurden, die sie in der Gegenwart waren. Zusätzlich liebte ich Akikos Geschichtsideen und Kentos vorgelesene Haikus, weil beides so inspirierend war. Allgemein lernt man die beiden Charaktere überraschend gut kennen, obwohl speziell Kento sehr verschlossen ist. Eine Charakterentwicklung findet zwar eher bei Akiko als bei Kento statt, aber auch so mochte ich beide.
Doch neben den schönen Szenen, philosophischen Gedankengängen und sympathischen Hauptcharakteren hat der Roman trotzdem eine Schwäche: Das Pacing. An sich genieße ich es durchaus, ab und an langsamere Geschichten zu lesen, doch in diesem Fall war sie mir ein wenig ZU langsam. Ich habe mich zwar nicht unbedingt gelangweilt, mich aber doch gefragt, wann es wieder richtig weitergeht. Vor allem, weil es Handlungsstränge gibt, die letztendlich offen gelassen werden – darunter die Solo-Hochzeit, die Akiko irgendwann wieder verwarf, ohne dass ich es als Leserin bewusst mitbekommen hätte. Im Nachhinein waren die verworfenen Handlungsstränge wahrscheinlich Akikos Ideen für ihre Zukunft, bevor sie schließlich die fand, die sie glücklich machte, aber zumindest während des Lesens ist es verwirrend, wenn wichtige Plotpunkte später nicht mehr erwähnt werden.
Von daher empfehle ich den Roman denjenigen, die ruhige Geschichten mit offenen Fragen mögen, während andere den Roman als zu langsam empfinden könnten.