Eine Nacht, die vor 700 Jahren begann
704 Seiten

Ein sehr intensiver Roman über die Menschen in einem kleinen ungarischen Dorf während dem 2. Weltkrieg. Natürlich ist es auch ein besonderer Reiz, ein Buch zu lesen, dessen Manuskript 70 Jahre verschollen war und nur durch Zufall wiederentdeckt wurde und jetzt zum Glück erschienen ist. Um mehr darüber zu erfahren, würde ich Lesern empfehlen, mit dem Epilog zu beginnen. János Székely erzählt aus der Perspektive der armen und einfachen Leute, die ihrer Umwelt ausgeliefert sind, egal ob zu Kriegs- oder Friedenszeiten. Man könnte kritisieren, dass es Längen hat und die Geschichte zu viele Nebengeschichten hat. Der Autor versteht es aber genau dadurch, jeder Figur Farbe und Kontur zu geben. Er lässt uns in ihre Gedanken blicken und wir lernen ihre Ängste und ihre Hoffnungen, ihren Glauben und ihre Überzeugung kennen. In der Interaktion zwischen den Figuren werden lange augestaute Gefühle und diese drückende Stimmung präsent. Nur so können wir die Geschichte in ihrer bedauernswerten Wahrheit und menschlichen Grausamkeit, die in dieser einen Nacht ein Ende nimmt, begreifen.

Das mangelnde Licht
830 Seiten

Nino Haratischwili ist eine grossartige Erzählerin. Durch die Augen von Keto und ihren drei Freundinnen beschreibt sie das Erwachsenwerden und in Erinnerungen versunken sein, die Liebe und die Gewalt, den Alltag in der Familie und der Nachbarschaft und wie all das im Georgien Ende 80er/Anfang 90er zerbricht, neu zusammenwächst und so intensive Eindrücke erzeugt, dass es die vier Protagonistinnen nie mehr loslässt. Ein überwältigendes Buch, schonungslos, mitreissend und feinfühlig erzählt.

Frühling der Barbaren
128 Seiten

Eine Geschichte, die der Autor in der Welt der Wirtschaft ansiedelt und sie im Mikrokosmos einer zufällig zusammengewürfelten Gesellschaft in einem Wüstenresort Tunesiens spielen lässt. Eine Geschichte, die immer mehr Fahrt aufnimmt und auf einen überbordenden Schluss hinsteuert. Lüscher zeigt das Tempo und die Gangart in der globalisierten Wirtschaft und lässt es nicht aus, verschiedene Gruppen aus der genannten Gesellschaft bei ihrem moralischen Zerfall und auf dem Weg hin zur Barberei zu begleiten. Finanzkrise mal anders.

Die Hauptstadt
459 Seiten

Menasse verwebt unterschiedliche Erzählungen zu einer spannenden Geschichte, die auf ein unerwartetes Ende zuläuft. Schauplatz ist Brüssel und die grossen Themen sind die europäische Identität und Bürokratie sowie Nationalismus und Vergangenheitsbewältigung. Dem Leser wird mit den Figuren aus den Erzählungen Einblick gewährt in europäische Generaldirektionen, in das Machtspiel innerhalb der Verwaltung und in die Interessenvertretung seitens der Mitgliedstaaten, der Wirtschaft, der Wissenschaft uvm. Ein empfehlenswerter Europa-Roman. Kleiner Makel: die Figurenauswahl ist sehr männerlastig.

Wir, die Überlebenden
416 Seiten

Eine ungeschminkte Nahaufnahme eines einfachen Arbeiters, dessen Eltern von China nach Malaysia ausgewandert sind. Die Geschichte fokussiert auf verschiedene Lebensausschnitte von ihm, gibt Einblick in seine Gedanken und zeigt gleichzeitig viele Realitäten Malaysias. Das geht von den Lebensumständen von Wanderarbeitern über die Ausbeutung der Natur bis hin zu Alltäglichem wie Essen oder Fortbewegung. Diese Rückblicke auf sein Leben sind verwoben mit einer Nebenerzählung in der Gegenwart. Es ist eine Soziologie-Studentin aus den USA, der dieHauptfigur in unzähligen Gesprächen die gesamte Geschichte erzählt.

Tarlan
220 Seiten

Fariba Vafi schildert in schnörkelloser Sprache das Erwachsenwerden zweier Freundinnen und wie sie die Polizeischule absolvieren. Sie erlaubt durch diese zwei Figuren einen Augenschein auf das Leben im Iran, auf die Realität, der junge Frauen begegnen müssen und zeigt den Graben zwischen strenger Disziplin und der Fantasie darüber, was die Zukunft bringen wird.

Die Knochenuhren
811 Seiten

Mitchell ist ein grossartiger Geschichtenerzähler. Er nimmt den Leser mit auf eine Reise, reiht Geschichten an verschiedensten Orten und in weit auseinanderliegenden Zeitabschnitten aneinander und verknüpft sie miteinander. Die Verbindungen zwischen den so unterschiedlichen Schauplätzen stellen „überzeitliche Geistwesen“ her, die von einem menschlichen Wirt zum nächten wandern und so auf ein Leben von Jahrhunderten oder Jahrtausenden zurückblicken können. Diese fantastische Erzählweise mündet zum Schluss in eine Dystopie in der Zukunft. Schönes Detail ist, dass Mitchell Figuren aus seinen anderen Büchern immer wieder auftauchen lässt.

Blutbuch
336 Seiten

Ein Buch in neuer Sprache und zeitweise unkonventioneller Form. Trotzdem liest es sich flüssig. Ein Selbstfindungstrip der schreibenden Person, spannend zu verfolgen. Teil 3 hatte seine Längen und Ausschweifungen, im Grossen und Ganze ein sehr gutes Buch.