Bücherregal lädt …
Neuromancer
320 Seiten

Gemischte Gefühle! Auf der einen Seite unglaublich maßgebend und kreativ in der Art und Weise, den Cyberspace zu verräumlichen und ihm den Anstrich zu verpassen, den das Genre noch heute trägt. Auf der anderen Seite hängt der Roman in der Mitte enorm durch, da sowohl Figuren als auch Leser über die nebulösen Absichten der Geschichte im Unklaren gehalten werden. Das frustriert leider, da in einem solchen Falle starke Charaktere und deren facettenreiche Ausstaffierung die Spannung und das Interesse aufrecht erhalten müssen. Leider lassen sich die meisten Akteure auf ein oder zwei Attribute reduzieren und fungieren eher als Spielbälle Gibsons, um sich dessen metaphysischen Spielereien auszusetzen. Es sei gesagt, dass die Detailfülle des ersten Romanteils die meiste Lust auf mehr macht, da sich hier einfach einer fremden Welt hingegeben wird. Zunehmend stapelt Gibson aber komplexe Konzepte aufeinander, für deren Visualisierung es eventuell einen stärkeren Stil gebraucht hätte. Die Strukturierung und zum Teil erlebte Schnelllebigkeit der kleinteiligen Neuerungen waren die größten Mankos. In jedem Fall ist der Roman aber eine Sichtung wert, einfach um einen Sci-Fi Meilenstein sowie dessen Einfluss auf Kommendes kennenzulernen und zu verstehen. Die Folio-Edition ist nicht nur fantastisch gestaltet, sondern hilft auch enorm bei der Visualisierung einiger Kernkonzepte.

Atonement
384 Seiten

Insgesamt leider sehr enttäuschend. In erster Linie bin ich kein Fan davon, komplexe sowie längere Handlungen auf Missverständnissen aufbauen zu lassen. Des Weiteren gelingt es McEwan aber einfach nicht, die benötigte emotionale Involvierung zu evozieren, die für derlei Geschichten unabdingbar ist. Seine Prosa ist nicht per se schlecht, wirkt aber enervierend schmückend denn tatsächlich zweckdienlich. Vor allem aber drückt er sich durch fiktive Resolutionen seiner Hauptfiguren vor tatsächlicher Konfrontation dieser miteinander. Im Grunde genau der Punkt, auf den der gesamte Roman hinarbeitet und der durch ein gesundes Maß an Reibung zum spannendsten Teil der Geschichte avanciert wäre. Schlussendlich fühlt man sich in mehr als einer Hinsicht bei diesem überschätzten Werk beraubt.

Consider the Lobster and Other Essays
343 Seiten

Erneute eine fantastische Sammlung literarischen wie voyeuristischen Talents. Ich glaube diese Sammlung sogar "A supposedly Fun..." vorzuziehen, einfach weil die Themen seiner Aufsätze breiter und etwas zugänglicher gefächert sind. Wallace hat jede Menge Humor und schreiberisches Können, was seine Ausführungen stets zum Genuss machen. Einzig seine Obsession mit Fußnoten beirrt beim Lesen etwas, da sie natürlich einerseits lesenswert sind, den Lesefluss aber kontinuierlich unterbrechen.

Ghosts of My Life
245 Seiten

Wie immer sehr reflektiert und einfallsreich in seinen Analysen. Auch wenn man nicht mit jeder obskuren Musikbetrachtung mithalten kann, so schreibt er doch stets einnehmend und auf sein Thema der Hauntology fokussiert. Besonders stark sind die ersten titelgebenden Essay zu denen ich mich in der Zukunft immer wieder zurückkehren sehe.

Im Angesicht des Verbrechens
352 Seiten

Wer Interesse an dem einzigartigen Mezzanin aus Film und Kino Dominik Grafs hegt - und das sollte man - dem wird hier eine zweihundertseitige Masterclass geboten. Gesprochen wird über das Filmen, Schauspielarbeit, Konzeption, technische Schwierigkeiten und die feinen Details, die seine Arbeit so erlebenswert machen. Stets bodenständig und informativ, voller Querverweise und zusätzlichen 200 Seiten gefüllt mit Einsichten der Mitwirkenden. Wirklich ein Traum.

The Secret History
628 Seiten

In nächtlichen Episoden der Insomnie schaue ich gerne alte Interviews interessanter Autoren. Und so entzückend Donna Tartt als Persönlichkeit auch sein mag, umso enttäuschender ist ihr viel zu überhyptes Werk The Secret History. Leider gelingt es ihr nur selten, Figuren zu entwickeln, die dem Leser nicht vollkommen gleich sind, geschweige denn spannende Züge oder Entwicklungen annehmen. Sie alle verhalten sich vorhersehbar. Dabei hilft auch die ziemlich blasse Figur des Richard Papen nicht, der als unzuverlässiger Erzähler das Talent zu haben scheint, sich stets auf die uninteressanten Aspekte der Handlung oder Figuren zu konzentrieren. Tartt will ihr Werk mit literarischen Referenzen und klassischer Philologie anreichern, die ihre Charaktere in einem aristokratischen Umfeld verankern sollen. Wirklich behände wirkt das leider nie und erscheint schlussendlich als verzweifelter Versuch, die langen, arg repetitiven 600 Seiten in bedeutungsschwangerer Manie aufzuwerten. Clever wäre es gewesen, die Figuren über Dialoge und Verhalten als intelligent und ambivalent zu zeichnen. Wir bekommen allerdings nie den Blick nach innen - bei niemandem - und müssen uns mit jeder Menge tell, tell, tell don't show abgeben. Es gibt durchaus Events in der Handlung, die zu Spannungsspitzen und Intrige einlüden, allerdings interessiert sich Tartt dafür nicht. Wer mir hier verkaufen will, Richard sei als unsicherer Emporkömmling versucht, durch die Stromschnellen des elitären Klassenkampfes zu navigieren, dem kann ich nur widersprechen. Themen wie Geld und Aussehen, detaillierte Beschreibungen von Kleidung und Status sind vielleicht bis zur Grenze der ersten 200 Seiten relevant, entwickeln aber nie auch nur im entferntesten genügend Konfliktpotential über den etablierten Status Quo hinaus. Was bleibt ist ein ärgerlich farbloses Buch mit sehr durchschnittlicher Prosa und fehlender Spannung.