Hier ist alles sehr fein erzählt. Man springt beim Lesen zwischen den Personen hin und her, man springt sogar ein wenig durch die Zeit, hier mal ein paar Jahre nach vorn, dort mal wieder ein paar Jahre in die Vergangenheit zurück. Und doch passt das, verwirrt nicht, baut die einzelnen Teile der Geschichte wie ein Mosaik zusammen.
Macht Spaß.
(https://sr-rolando.com/2019/04/21/dunkelgruen-fast-schwarz-von-mareike-fallwickl/)
Bei einem angenehm flüssig zu lesenden Schreibstil folgt man hier einer Läuferin zu mehreren Abenteuern in ganz unterschiedlich faszinierende Regionen; erlebt die Reisen dabei lebendig mit, kann sich einfühlen in Menschen und Regionen, die jeweils ganz anders ticken als wir hier am Ort; leidet mit ihr über viele Kilometer durch Wüsten, Berge, Flüsse und absurde Wetterkonstellationen. Und am Ende erlebt man dabei eine Frau, die trotz aller Strapazen – ach was: durchaus wohl auch wegen dieser Strapazen – glücklich ist, zufrieden ist, dankbar ist.
Glücklich, zufrieden, dankbar. Was will man eigentlich mehr?
(https://sr-rolando.com/2019/03/27/happy-running-von-andrea-loew/)
Ein klein wenig mehr Menschlichkeit, ein klein wenig funktionierende Kinderliebe, die ergänzend zu jener wirkt, die er gegenüber seinem Paten aufweist, der eine Art Vaterfigur für ihn repräsentiert, das wäre durchaus nett gewesen. Stattdessen haben wir einen heranwachsenden Jungen, der zwar die (Zauber-) Welt retten darf, dabei aber doch bitte möglichst nicht nicht zu sehr selbst davon profitiert.
(https://sr-rolando.com/2019/02/27/liebloser-harry-potter/)
Dieser Text ist 1940 erschienen und natürlich drängt sich der Vergleich zu Aldous Huxleys Schöne neue Welt von 1932 sowie George Orwells 1984 (erschienen: 1949) auf. Aber ohne, dass ich konkret die Ursache dafür greifen kann, scheint Kallocain besser gealtert zu sein. Dieses Buch kann man auch jetzt nach 80 Jahre noch ganz hervorragend lesen, ohne dass es altertümlich wirkt, ohne dass es in den Augen staubt und leider auch ohne, dass es antiquiert wirkt und die gezeigte, dystopische Welt unvorstellbar erscheint.
Dieser Text wirkt ganz furchtbar aktuell.
(https://sr-rolando.com/2019/02/24/54readskb/)
Die Erzählung hat neben der bewegenden Geschichte des wirklich nicht leichten Umfelds von Marguerite noch eine zweite beeindruckende Seite. Es ist eine literarische. Denn die heranwachsende Dame liest, viel sogar. Und schöpft daraus Kraft. Das beginnt mit Shakespeare, von dem sie ihrer Großmutter, ihrer Momma, lieber nichts sagt. Denn Shakespeare war ja Weißer, den kann man doch nicht lesen, wo kommt man denn da hin. Es folgen viele weitere große Werke, Charlotte Brontës Jane Eyre zum Beispiel, während Marguerites großer Bruder mit Mark Twain und seinem Huck Finn von einem Floß im fernen Mississippi träumt.
All diese Texte, sie helfen. Besagter Bruder schenkt ihr zum Schulabschluss »eine in weiches Leder gebundene Ausgabe der Gedichte von Edgar Allan Poe«, für die er lange, lange gespart hat. Es sind Momente wie dieser, die zeigen: Es gibt Hoffnung, immer. Und wenn alles dramatisch den Bach runter zu gehen scheint, wenn alle Grausamkeiten er- und durchlebt sind, dann hilft vielleicht ein Blick in die Literatur, um das Leben wieder lebenswert zu machen. Was für eine schöne Vorstellung.
(https://sr-rolando.com/2019/02/01/54readsma/)
Sprachlich ist der Text recht unaufgeregt. Die Sätze fließen angenehm dahin, fliegen mal schnell und kurz vorbei, winden sich jedoch gelegentlich auch um den ein oder anderen Nebensatz. Die Wortwahl ist unauffällig. Hier gefällt sich die Sprache nicht, hier erfüllt sie einen Zweck. An ihr eckt man nicht an. Die beiden Übersetzer Ulrike Wasel und Klaus Timmermann haben somit passende Arbeit geleistet.
Von der Geschichte kann man das leider nicht sagen. Irgendwie hofft man beim Lesen bis zum Schluss, dass noch etwas Inspirierendes passiert und die Dramaturgie nicht in der Dystopie der allmächtigen Überwachung banal gefangen bleibt. Man hofft umsonst. Wenn sich im Verlauf der Erzählung eine plumpe Gelegenheit für weitere Überwachung und euphorische Technikgläubigkeit ergibt, dann nutzt sie der Autor auch. Dabei verbleibt er in Plattitüden, versucht gar nicht erst, unlogische Widersprüche aufzulösen oder Gründe für irrational erscheinendes Verhalten zu finden. Technikkritik verliert sich in der Darstellung von verwirrten Spinnern, die als isolierte Einzelfälle im Ewiggestrigen gefangen sind.
Das enttäuscht. Schade eigentlich.
(https://sr-rolando.com/2019/01/06/der-circle-von-dave-eggers/)
Wir gehen hier gerade mit Riesenschritten auf den Jahreswechsel zu. Das ist die Saison, in der so manche von uns ihre Vorhaben starten, zum Beispiel mal wieder mehr Laufen zu gehen. Nun kann man so ein Vorhaben natürlich jederzeit angehen und nicht nur im Januar. Aber es geht eben auch jetzt, also: nur zu!
Um das Wiedereinsteigen ins Laufen geht’s auch in diesem Buch von Ronald Reng. Er hat es als Jugendlicher schon mal gemacht, war damals wohl auch recht flott unterwegs. Dann kam er irgendwie aus dem Trott. Jetzt legt er zur Zeit der besten Midlife-Crisis wieder los. Dabei ist er natürlich prompt weniger flott. Das macht zwar nichts, ihn stört es jedoch trotzdem. Also nutzt er die Gelegenheit, um mit ein paar mehr oder weniger großen Berühmtheiten und Wissensträgern des Sports über das Laufen und die Theorien sowie Motivation dahinter zu reden. Darum geht es hier im Buch.
Eine dieser Theorien liegt darin, dass man gar nicht immer wie so ein Irrer durch die Gegend hetzen muss, um letztlich solide unterwegs sein zu können. In der Ruhe liegt die Kraft, heißt es. Diese Theorie des regelmäßig langsamen Laufens ist derzeit eine beliebte. Drüben im Blog von Strava gibt’s zum Beispiel eine mit feinen Fremdworten gespickte Fassung. Wie hübsch.
Hier präsentiert Señor Ronaldo alles recht kurzweilig, verständlich und wohlformuliert. Das macht glatt Spaß zu lesen. Auch zu Hause auf der Couch. Auch wenn es natürlich ein wenig hilfreich ist, gelegentlich einen Blick nach draußen zu werfen, um der durchschimmernden Faszination für das durch-die-Gegend-Rennen etwas abgewinnen zu können.
Und ab dem Jahreswechsel sehen wir uns da draußen doch eh, oder? Die Vorhaben wollen schließlich gepflegt, die saisonalen Besonderheiten genutzt und die Theorien aus dem Buch validiert werden.
Dann mal los.
(https://sr-rolando.com/2018/12/22/warum-wir-laufen/)
Was für ein unglücklicher Buchtitel. Böses Kind, also wirklich. Aber wir wollen mal nicht voreingenommen sein. Hier bekommt ja jede(r) eine Chance. Auch Martin Krist, gar keine Frage. Er ist ein heimischer Thriller-Autor, wurde hier auf diversen Kanälen bereits mehrfach empfohlen. Da kann man ja ruhig mal einen Blick wagen.
Und was passt besser, als der Auftakt einer Reihe mit einem Ermittler? Kaum etwas, eben. Genau darum geht es hier beim bösen Kind.
Das ist sehr souverän gemacht. Hier versteht ein Autor sein Genre und beherrscht sein Handwerk. Das ist sehr gut so. Und es macht die eine oder andere aufkommende blutige Dramaturgie fast schon überflüssig. Die Geschichte ist auch so bereits spannend erzählt. Den Gruselfaktor braucht sie gar nicht.
Summa summarum: Buchtitel hin oder her, das ist ein solide erzählter Thriller. Wenn einen das Genre anspricht, kann man das hier lesen und wird nicht enttäuscht. Martin Krist: kann ich empfehlen.
(https://sr-rolando.com/2018/12/05/boeses-kind-von-martin-krist/)
Schwarzer Rost heißt das Opfer, ähh: Buch, in diesem Fall. Und es handelt von genau diesem Rost. Dabei geht es um eine Krankheit, welche Getreidepflanzen befällt und letztlich vernichtet. So etwas skaliert natürlich nicht. Oder besser gesagt: Es skaliert möglicherweise ganz hervorragend, wir finden das dann nur nicht so toll. Denn wenn Getreidepflanzen vernichtet werden, fallen Ernten aus. Wenn Ernten ausfallen, hungern Menschen. Wenn Menschen hungern, wird es ungemütlich.
Damit wäre der Spannungsbogen gesetzt. Und damit steht auch die eine oder andere Plotwendung mehr oder weniger fest. Denn so ein Plot lädt zu Verschwörungstheorien ein. Und diese Einladung nimmt Axel Hollmann hier dankend an. Das macht er so, wie es sich gehört. Es bleibt also nicht bei einer Theorie, es spielen mehrere Personen ihre Rollen, es wird anständig zügig zwischen ihnen hin- und hergewechselt, man wird beim Lesen munter von einem wahrscheinlich Schuldigen des ganzen Dramas zum nächsten geschubst. Das gefällt.
Noch mehr gefällt, dass er es sich mit der Auflösung nicht ganz so einfach macht und es eben nicht einfach nur beim offensichtlich bösen System belässt, dass gar nicht anders kann, als viele unschuldige Menschen zu drangsalieren, zu unterdrücken und verhungern zu lassen. Sondern es gibt zum Ende hin noch eine nette, von diesem Schema abweichende Wendung.
(https://sr-rolando.com/2018/11/23/schwarzer-rost/)
Zu der Geschichte muss man nicht viel sagen, oder? Vielleicht soviel: Case ist ein Hacker, der sein Geld mit Auftragsarbeiten verdient, bei denen es darum geht, dass er sich clever im Cyberspace herumtreibt. Damit ist dieser Cyberspace erfunden, belebt, wird zelebriert und etabliert. Es ist eine Welt im Netz, hinter dem Computermonitor. Es ist eine dunkle Welt, eine verruchte. Es ist eine Welt voller illegaler Machenschaften. Und sie vermischt sich mit genau diesen Gegenstücken in der realen Welt hier draußen auf der anderen Seite des Bildschirms. Da gibt es jeweils Sex and Drugs. Es gibt kein Rock’n’Roll, aber einen sportlichen Spirit im gegenseitigen Übertreffen des abgewrackten Daseins, dass es manchmal schon fast ein wenig zu skurril wird.
Man muss Gibson eines lassen: Er hat hier eine Legende geschaffen. Und sein Cyberspace ist dabei so sauber konstruiert, dass die Vorstellung davon bis heute quasi unverändert anhält. Im Guardian wurde das kürzlich gerade erst wieder angeprangert: Der Cyberspace ist immer noch der gleiche, wie vor dreißig Jahren. Das ist natürlich ein Drama, ein kleines. Aber wir können davor auch schlicht großen Respekt haben. Vor allem, weil es eben nicht einfach eine abgewrackte virtuelle Welt ist. Sondern weil sie sich modern genug gibt, in der Story nicht bloß Herr Case der große Held ist, sondern eigentlich Molly die wahre Symathieträgerin ist. Sie ist ebenfalls Hackerin, eine verdammt gute sogar. Und irre stark in der realen Welt. Und ein wenig geheimnisvoll. Das ist sehr reizvoll, charmant und tut der Geschichte richtig gut.
(https://sr-rolando.com/2018/11/17/neuromancer/)
Dieser vierte Band der Trilogie ist vor kurzem wieder frisch aufgelegt worden. Das ist natürlich erfreulich und wir sind nicht traurig, dass die Geschichte etwas (zu) sehr prägnant ausfällt.
(https://sr-rolando.com/2018/10/20/aus-gegebenem-anlass-hotzenplotztag/)
Hier ist wirklich für alle etwas dabei. Die Kinder hier im Haus haben beide fasziniert zugehört und sich auch nicht daran gestört, dass am Ende alles ein wenig sehr kitschig in viel Frieden und Harmonie zusammenkommt. Aber da das für die Zielgruppe wohl passt, ist es natürlich vollkommen in Ordnung so. Unsereins ist schließlich nur vorlesendes Begleitpersonal und hält sich mit der Nörgelei einfach mal ein wenig zurück.
(https://sr-rolando.com/2018/10/14/vorgelesen-der-zauberhafte-wunschbuchladen-von-katja-frixe/)
Im einfach nur stattfindenden Leben Australiens wachsen zwei Jungen heran. In Wimmera möglicherweise. Hier im Buch von Mark Brandi. Und diese Jungs erleben, was man beim Heranwachsen so erlebt. Die Provinz. Die Menschen darin. Das Mädchen von nebenan. Die heimlichen Gelüste nach dem Mädchen von nebenan. Ein Selbstmord dieses Mädchens. Oha. Geschichten und Gerüchte zur Erklärung dessen. Irgendwas davon wird stimmen, anderes eher nicht.
Und so gilt das auch für den Rest des Lebens in dieser Provinz. Es ist voll von Gerüchten, Intrigen, Sex und Perversionen. Mark Brandi erzählt davon recht unaufgeregt. Seine Sprache ist alltäglich, er schafft es aber, sich dabei nicht anzubiedern.
(https://sr-rolando.com/2018/10/07/gelesen-wimmera-von-mark-brandi/)
es ist eine ganz hervorragende Geschichte. Es geht um das Mädchen Elli, welche mit ihrer Familie umgezogen ist. Sie besucht jetzt nicht nur eine neue Schule, sondern wohnt auch ganz in der Nähe ihres Großvaters. Dieser hat einen Eisladen, was natürlich ganz faszinierend ist, nicht zuletzt, da man bei den neuen Klassenkameraden ganz passabel damit punkten kann.
Als wäre das noch nicht genug des Guten, vermag dieser Großvater mit seinem Eis magische Wunder zu vollbringen. Wenn jemand schlecht drauf ist, frustriert ist, gestresst ist oder anderweitig nicht vollkommen auf der eigenen Höhe ist, dann hilft das Eis des Großvaters, alles wieder ein wenig ins rechte Lot zu rücken. Dabei ist letzten Endes auch wirklich ein wenig Magie mit im Spiel. Und von dieser Magie möchte Elli natürlich etwas abbekommen. Diese möchte sie auch erlernen.
Genau darum geht es in der Geschichte. Und es ist ganz wundervoll erzählt. Man fiebert beim Vorlesen förmlich mit, möchte selbst gern von dem Eis probieren, möchte selbst ein wenig vom Zauber abbekommen.
(https://sr-rolando.com/2018/09/26/der-zauberhafte-eisladen/)
Die Geschichte ist von Anne Birkenhauer aus dem Hebräischen übersetzt. Dieses Hebräische mag eine Menge erklären. Sicher funktioniert das Erzählen in eben diesem anders als bei uns so üblich. So gibt es darin vielleicht keinen Genitiv, das mag schon sein. Hier in der Übersetzung vermisst man ihn jedoch. Es fällt wirklich auf, dass der liebe Genitiv ganz gnadenlos durch den Dativ verdrängt wird. Sprichwörtlich, es ist faszinierend.
Ebenfalls faszinierend ist der stete Wechsel der Erzählstränge. Innerhalb eines Absatzes, manchmal sogar mitten im Satz wechseln wir hier von unserem Paar im Amt in eine der erzählten Geschichten und wieder zurück. Wie gesagt, das ist faszinierend. Es verstört aber auch.
Was ja auch mal nett ist. Warum soll man sich nicht mal ein wenig verstören lassen? Vor allem, wenn es, wie gesagt, kurzweilig passiert. Obendrein hat das Buch auch nur so ungefähr 150 Seiten und ist damit: ein netter Spaß für zwischendurch.
(https://sr-rolando.com/2019/05/30/tomer-gardi/)