Under a White Sky
256 Seiten

Menschen haben versucht, die Natur zu kontrollieren. Sie haben Dämme gebaut, Flüsse umgeleitet, Arten ausgesetzt und kämpfen nun mit den unbeabsichtigten Folgen. Elizabeth Kolbert besucht solche Orte – und stellt fest, was mit dem Klimawandel noch alles zu passieren droht. Etliche Forscher*innen, die sie trifft, sprechen sich für große Interventionen aus, für Geo-Engineering, für Gen-Editing, um zumindest noch das Schlimmste zu verhindern. Letztlich könnten wir unter einem weißen Himmel leben, weil wir mehr und immer mehr Partikel in die Atmosphäre befördern, um Sonnenstrahlen das Durchkommen schwerer zu machen. Dass es politisch oder gesellschaftlich noch andere Lösungen geben könnte, durch weniger Konsum, durch eine andere Industrie, ist hier überhaupt kein Thema.

Klara and the Sun
320 Seiten

Können wir Maschinen das Denken und Fühlen beibringen? Wir versuchen es zumindest. Klara ist so ein Versuch, ein solarbetriebener, artifizieller Kompagnon für einsame Menschenkinder. Klara ist die Erzählerin des Buchs. Sie denkt, sie fühlt, vor allem beobachtet und imitiert sie uns. Dabei ist sie unaufgeregt und berechenbar, geradezu langweilig. Immerhin entwickelt sie als Nebeneffekt einen eigenen Sonnenglauben, kann und will das aber nicht näher erklären. Klaras Intelligenz, ihr Bewusstsein, ist letztlich unerklärlich wie bei Menschen.

Das Buch spielt in einer nicht all zu fernen Zukunft, es wird nicht viel erklärt, eigentlich gar nichts. Was wir mitkriegen: Die Mittelschicht lässt ihre Kinder genetisch optimieren, »anheben«, damit sie es zu etwas bringen. Was schief gehen kann. Außerdem sind viele Menschen sind durch Digitalisierung (KI? Roboter?) arbeitslos geworden.

Klara wird Josie an die Seite gestellt, bei der das »Anheben« zu Komplikationen geführt hat. Ihre Schwester ist bereits an solchen Komplikationen gestorben. Frühzeitig warnt Josie ihre Klara: Seltsames geht in ihrem Zuhause vor. Als der Plan der alleinerziehenden Mutter aufgedeckt wird, fühlt sich das nach Horrorstory an.

Klara muss sich entscheiden: Wem gegenüber ist sie loyal und welchen Preis ist sie bereit zu zahlen? Wir dürfen entscheiden, ob die lange Zeit langweilige Maschine durch einen Akt der Selbstaufgabe Mensch geworden ist – und ob das noch einen Unterschied macht.

This Is How They Tell Me the World Ends
528 Seiten

Sicherheitslücken sind ein Geschäft. Halbseidene Broker und Hacker ohne Gewissen verkaufen Bugs an Geheimdienste, Militärs und Behörden. Wie kaum jemand sonst ist NYT-Reporterin Nicole Perlroth in diese Welt eingetaucht und kann beschreiben, wie dieser Markt funktioniert und wozu die Sicherheitslücken genutzt werden: Für einen asymmetrischen Krieg, der Zivilisten trifft und sich an keine Konvention hält. In ihrer epischen Erzählung verknüpft sie den Hackerangriff auf iranische Uran-Zentrifugen, die Snowden-Enthüllungen, den Angriff auf die Reederei Maersk, Stromausfälle in der Ukraine und russische Kampagnen gegen die Wahl in den USA. Sie zeigt, wie Staaten, allen voran die USA, mit dem Kauf von Sicherheitslücken ein Problem eskaliert haben: Die Schwachstellen gehören gefixt, nicht ausgenutzt. Denn niemand kann garantieren, dass eine Lücke nicht gefunden wird - von wem auch immer. Zuletzt sind der NSA eine ganz Batterie streng geheimer und hoch gefährlicher Exploits geklaut worden - die Folgen waren weltweit zu spüren, die Schäden gigantisch. Was dieses Buch auszeichnet: Es basiert auf jahrelanger, gründlicher Recherche, nicht auf Unkenrufen oder akademischen Überlegungen. Gleichzeitig liest es sich wie ein Thriller.

(Die SPIEGEL-Enthüllungen über die NSA-Hackertruppe Tailored Access Operations und ihre Zero-Day-Werkzeuge kommen natürlich auch vor.)

No One Is Talking About This
224 Seiten

»No One Is Talking About This« von Patricia Lockwood. Ähnlich wie »Fake Accounts«, liest sich aber erwachsener, schlauer, umgreifender. Die Erzählerin lebt auf Twitter, das hier »Portal« heißt, ist für ein Mem bekannt – »Can a dog be twins?» – und fragt sich, inwiefern ihre Welt das Ergebnis russischer Cyberoperationen ist. Die erste Hälfte ist wahnsinnig komisch, richtig gut beobachtet – so fühlt es sich an, online zu sein. Die zweite Hälfte handelt von einer familiären Krise und Aufenthalten in der Intensivstation eines Krankenhauses. Wenn schon Kontrast, dann richtig. Weil die Erzählerin aber mit dem Internet groß geworden ist, ihr Denken vom Hivemind geprägt ist, von Mems, von den Gesetzen der Aufmerksamkeit, zerfließt die Trennung: Offline gibt es nicht mehr. Es ist erst Februar, aber dieses Buch zu toppen, scheint kaum möglich.