Die hochbegabte Südafrikanerin Nombeko, die mit 14 Jahren die Chefin des Latrinenbüros in Soweto wird, per Zufall an ein Vermögen in Form von Rohdiamanten gerät, kurz darauf von einem Weißen überfahren und daraufhin zu mehreren Jahren Frondiensten in dessen Haushalt verurteilt wird und in dieser Zeit beachtlichen Anteil am Bau mehrerer Atombomben aufweisen kann, ist die Hauptfigur dieser Geschichte. Wie sie sich aus ihren immer neuen misslichen Situationen (in die sie völlig unverschuldet gerät), stets wieder befreien kann, ist schräg und noch schräger. Da wird eine Atombombe quer über die Kontinente verschickt, ein Zwillingspaar Holger und Holger getauft und zu republikanischen Extremisten erzogen, ein König und ein Ministerpräsident entführt und Nombeko ist allzeit mit dabei bzw. darin verwickelt. Der Absurditäten ist kein Ende ;-)
Was im 'Hundertjährigen' noch einen Hauch von Realität hatte, ist in diesem Buch völlig auf die Spitze getrieben. Die Ereignisse überschlagen sich und eines ist unglaublicher als das andere. Mir ist das Alles ein bisschen zu viel des Guten, denn der Rahmen ist durchaus sehr realitätsnah. Die damaligen Geschehnisse nicht nur in Südafrika, nein, auch in USA, Europa usw. werden wahrheitsgetreu wiedergegeben, sodass sich Nombekos Geschichte dazu als besonders absurd darstellt. Etwas weniger wäre hier vielleicht mehr gewesen :-)
Jonassons Sprache ist wie bei seinem ersten Buch gewohnt ironisch und indirekt, was die Absurditäten noch verstärkt. So traten bei mir ab ca. der Mitte des Buches gewisse 'Abnutzungserscheinungen' auf. Dennoch: Es ist eine amüsante, wirklich unglaubliche Geschichte, die sich lockerleicht an einem Wochenende weglesen lest.
Laurits ist der Sohn eines vermögenden Paares, das in einer lieblosen Ehe miteinander verbunden ist. Sein Vater, dem Gefühle fremd zu sein scheinen, sieht für ihn eine Karriere als Mediziner vor; seiner Mutter gilt es in erster Linie, den Schein nach außen zu wahren, auch auf die Gefahr hin die eigenen Bedürfnisse vollständig zu leugnen. Als Laurits 18 Jahre alt wird, scheint seiner Aufnahme in die Musikhochschule nichts mehr im Wege zu stehen, doch die Prüfung verläuft anders als geplant und damit auch sein weiteres Leben. Als er Jahre später erfährt was damals wirklich geschah, muss er feststellen, dass seine ganze Existenz auf einer Lüge gründet.
'Der Grund' ist der Abriss eines Lebens, das geprägt ist von großen Enttäuschungen und den damit verbundenen Neuanfängen - Versuche, das Vergangene zu vergessen und damit hinter sich zu lassen. Doch Laurits muss immer wieder erleben, dass die Vergangenheit sich nicht einfach verdrängen lässt, sondern als Teil des eigenen Daseins akzeptiert werden muss - erst dann kann er tatsächlich einen neuen Abschnitt in seinem Leben beginnen.
Es ist eine sehr gefühlvolle und einerseits sehr genau beschriebene Geschichte, was Laurits Gefühlswelt betrifft. Andererseits werden viele Ereignisse nur angedeutet, so dass beim Lesen genügend Raum für die eigene Phantasie bleibt: Was geschah mit seiner Hand? Wo ist Pelle? Was machen seine Eltern? Man fühlt, leidet und 'lebt' mit Laurits mit und ist trotz eines mehr oder weniger offenen Endes voller Hoffnung, dass nun eine neue, gute Phase in seinem Leben beginnt. Schön!
Winston, ein gebildeter Kater aus gutem Hause, entdeckt zufällig ein Verbrechen. Emilia, eine Klassenkameradin von Kira (die wie er im Haushalt seines Herrchens lebt) scheint krank zu sein. Doch ihre Eltern verhalten sich so merkwürdig, dass Winstons Misstrauen geweckt ist. Gemeinsam mit Odette, der wunderschönen und intelligenten Hofkatze, versucht er das Geheimnis zu lüften. Die Beiden sind erfolgreich, doch nun brauchen sie die Hilfe Kiras und deren Freunde...
Es ist eine ausgesprochen humorvolle wie ebenso spannende Geschichte, wie Winston mit seinen Katzen- und Menschenfreunden das Dunkel um Emilias Verschwinden erhellt. Witzige Einfälle (die vier Muskeltiere), schräge Dialoge (Ist ein Mann ein Mensch oder nicht?) - ich hörte alle drei CDs mit einem ständigen Grinsen im Gesicht. Kalkofe ist aber auch ein herrlicher Erzähler, wenn er den leicht blasierten, britisch angehauchten Tonfall Winstons anschlägt. Doch auch die anderen Figuren gelingen ihm überzeugend: Anna, Kiras Mutter, die ich zwar zuerst in Richtung Italien eingeordnet hätte oder Babooshka, die Oma von Kira. Beide konnte ich richtig vor mir sehen!
Der Krimi ist wunderbar kindgerecht, der vermutlich schon ab 8 Jahren gerne gehört und auch verstanden werden wird, denn sämtliche Begriffe, die eventuell zu kompliziert werden könnten, werden ausführlich erklärt.
Weshalb dann nicht die volle Punktzahl? Weil Oliver Kalkofe nun doch nicht ganz so gut ist wie Cathleen Gawlich, die seit 'Happy Smekday' meine Favoritin ist.
Caroline Alexander hat es sich zur Aufgabe gemacht, jede noch so kleine Information, die in irgendeiner Art und Weise mit der Meuterei auf der Bounty zu tun hat, herauszufinden und in ihrem Buch festzuhalten. Diejenigen, die einen oder auch mehrere der zum Teil berühmten Filme zu diesem Thema gesehen haben, werden von der Fülle an neuen, auch recht überraschenden Details verblüfft sein.
Doch genau dies wird zum Problem der Hörbuchfassung: Jede Person, die in irgendeiner Form in der fraglichen Zeit mit der Bounty in Berührung kam, ob Verwandte, Freunde, Rechtsbeistand, Richter und und und, wird bis ins Kleinste beschrieben. Der familiäre Hintergrund, der berufliche Lebensweg, das Private –nichts ist so unwichtig, als dass es nicht vermerkt würde. Im Buch mag man bei Orientierungsschwierigkeiten gegebenenfalls zurückblättern können. In der Hörbuchfassung hat man unglücklicherweise nur ein dünnes Beiheft zur Hand, in dem die Schiffsmannschaft der Bounty verzeichnet ist.
Erschwerend kommt hinzu, dass Peter Franke durch seine nahezu gleichbleibende Sprechweise nicht in der Lage ist, den einzelnen Figuren eine unverwechselbare Identität zu verleihen. Spätestens nach der 3. CD lässt somit die Aufmerksamkeit nach und man ist glücklich, zumindest die Spuren der wichtigsten Personen nachvollziehen zu können (zumindest ging es mir so).
Für Interessierte ist die Aufarbeitung dieses historischen Ereignisses durchaus zu empfehlen - allerdings eher in Buchform.
Bougainville, eine kleine Insel im pazifischen Ozean, deren Name ich bisher eher mit der ebenfalls nach ihrem Namensgeber benannten Pflanze Bougainvillea in Verbindung brachte, ist der Schauplatz dieses Romans, der sich vor dem realen Hintergrund des dortigen, von der Weltöffentlichkeit fast unbemerkten Bürgerkrieges abspielt. Tausende von Menschen starben damals, darunter viele Zivilisten, unter anderem auch infolge der Blockade, die das Eiland von sämlichen Lieferungen incl. Lebensmittel und Medikamente abriegelte.
Auch Mathilda, ein 'dünnes vierzehnjähriges Ding', spürt die Auswirkungen. Von ihrem Vater, der in Australien arbeitet, bekommen sie und ihre Mutter keine Nachrichten mehr und alle Ausländer verlassen nach und nach die Insel, so auch ihre Lehrerin. Lediglich der etwas schrullige Mr. Watts mit seiner einheimischen Frau Grace bleiben und nach einiger Zeit bietet er sich als Lehrer für die verbliebenen Kinder an. Sein 'Hauptprojekt' ist das tägliche Vorlesen eines Kapitels aus 'Große Erwartungen' von Charles Dickens, dem 'größten Roman des größten englischen Schriftstellers aus dem 19. Jahrhundert'. Nicht nur Mathilda ist begeistert, doch für sie wird der Waisenjunge Pip, die Hauptfigur, zu einem richtigen Freund und sie lernt zum ersten Mal in ihrem Leben eine neue Welt kennen - sehr zum Missfallen ihrer gottesfürchtigen Mutter. Doch es bleibt nicht bei den verhältnismäßig kleinen Unstimmigkeiten: Der Bürgerkrieg rückt in ihrem Dorf ein in Form einer Gruppe von Soldaten...
Jones beschreibt im Namen der 14jährigen Mathilda in bedachtsamer und aufmerksamer Form, was Literatur im Menschen bewirken kann: Wie die Phantasie sich Bahn bricht, fiktive Gestalten immer realere Formen annehmen im Guten wie im Schlechten und dass das Zurückziehen in seine eigene Gedankenwelt dennoch Kraft, Hoffnung und Trost geben kann - gerade in schlimmen Zeiten. Ein schönes Buch, das zum Lesen animiert - und besonders zum Lesen der 'Großen Erwartungen' ;-)
Keine ganz neue Geschichte, aber doch auch ganz anders - zumindest zu Anfang: Rachel, 18 Jahre jung, stürzt nach dem Tod ihres besten Freundes in eine tiefe Depression. Denn als er ihr Leben rettete, starb er selbst und sie gibt sich nun die Schuld daran. Fünf Jahre später muss sie wegen der Hochzeit ihrer besten Freundin zurück an den Unglücksort und fällt bei einem nächtlichen Besuch am Grab ihres Freundes ins Koma. Als sie erwacht, findet sie sich plötzlich in einer Gegenwart wieder, die mit der ihren nichts zu tun hat: ihr bester Freund lebt, sie ist verlobt mit ihrer Liebe aus Jugendtagen und ihr Leben scheint eine einzige Erfolgsgeschichte. Rachel macht sich auf die Suche nach Erklärungen...
Ich muss gestehen, dass sich meine Begeisterung etwas in Grenzen hält, was aber vermutlich damit zu tun hat, dass ich das Alter der Zielgruppe doch schon etwas überschritten habe ;-) Dachte ich noch zu Beginn, es handle sich um eine Art Selbstfindungsgeschichte im Rahmen einer Zeitreise, war spätestens nach dem 3. Kapitel klar, dass es bei dem Ganzen um eine Liebesgeschichte geht. Die Hauptfiguren sind recht deutlich schwarz-weiss gezeichnet, so dass trotz aller Widrigkeiten und Missverständnisse schnell erkennbar ist, wer für wen bestimmt bestimmt sein wird. Wesentlich unterhaltsamer fand ich dagegen Rachels Suche nach ihrer Vergangenheit: Wie sie ihr 'neues' Heim betritt oder auch ihren Arbeitsplatz. Oder der Besuch ihres alten Lebens, wo sie alles kennt, sie aber Allen unbekannt ist. Und auch die Form der 'Lösung' fand ich sehr stimmig, ganz im Gegensatz zu verschiedenen Geschehnissen, die ich als ausgesprochen unlogisch empfand.
So bleibt als Fazit: Eine streckenweise sehr gefühlige, leicht zu lesende Romanze mit einer (für mich) interessanteren Nebengeschichte, die der gedachten Zielgruppe (Young adults heisst die Reihe, hier sind aber vermutlich nur die weiblichen gemeint) wohl gut gefallen wird.
Eine junge Frau sitzt in Paris auf einer Bank und überlegt, ob sie heimgehen soll. Doch - wohin? Wo wohnt sie? Vor allem: Wie heisst sie? Nichts, absolut nichts fällt ihr zu ihrer eigenen Person ein. So leert sie die Tasche, die sie bei sich hat (offenbar ihre eigene) und erfährt ihren Namen: Eloise. Dank des Ausweises macht sie sich auf den Weg zu der Adresse und ist voller Anspannung und Furcht, was sie dort erwartet. Was ist nur geschehen? Wer ist sie? Mit der Hilfe einer Kollegin, die ihr während ihrer Suche nach ihrem Ich zur Freundin wird, versucht sie Licht in das Dunkel um ihre Person zu bringen. Raucht sie, kann sie stricken, ist sie musikalisch? DAS sind ihre Freunde?
Ich kann mir kaum vorstellen, dass Eloises Nachforschungen in einem 'normalen' Buch genausogut hätten umgesetzt werden können. Ist sie kurz davor, den nächsten Schritt ins Unbekannte zu machen, liefert ihr ihre Phantasie die möglichen und unmöglichsten Szenarien: Aliens oder Spione? Ehemann mit Kind oder Chaos-WG? Teilweise nur ein Bild, doch man hat genau vor Augen, was in ihr vorgeht. Einfach klasse! Aber die Geschichte ist nicht nur amüsant und unterhaltsam, sondern gibt zudem einen Anstoss mal darüber nachzudenken: Wer bin ich eigentlich? Was macht mich besonders? An was wird man sich erinnern?
Normalerweise halte ich nicht viel von Klappentexten, aber in diesem Fall fand ich ihn sehr gelungen: "Diese Graphic Novel...macht Lust, einmal das eigene Leben von Aussen zu betrachten, sich überraschen zu lassen, was dabei herauskommt, und es mutig in die Hand zu nehmen.' Also los!
PS: Eines hätte ich doch noch zu gerne gewusst: Was hat es mit Eloises Rechenkünsten auf sich? Kommt da noch mal was?
Helen Brown, die Autorin, ist von Schicksalsschlägen wahrlich nicht verschont geblieben. Als kleiner Junge stirbt ihr Sohn Sam bei einem Autounfall und wäre Cleo nicht gewesen, die kleine Katze die sich Sam kurz vor seinem Tod ausgesucht hatte, wer weiß, ob Helen Brown noch ihr Leben genießen und wir ihr Buch 'Cleo' hätten lesen können. Und als ob dies nicht für ein ganzes Dasein ausreichen würde, erhält sie gut 20 Jahre später die Diagnose Brustkrebs. Von dieser Zeit handelt nun ihr zweites Buch; und wie wieder eine Katze eine nicht unerhebliche Rolle in diesem Teil ihres Lebens spielt - zumindest laut dem Klappentext.
Mittlerweile ist die Autorin ein zweites Mal verheiratet und gerade, als ihr ihre älteste Tochter Lydia eröffnet hat, dass sie für längere Zeit nach Sri Lanka möchte, um buddhistische Nonne zu werden, erhält Helen den Befund 'Krebs'. Als wenn sie mit alldem nicht genügend zu verkraften hätte, ist die Familie plötzlich Eigentümerin eines unglaublich süßen, aber völlig durchgedrehten Siamkaters, der nichts als Unruhe ins Haus bringt. Davon und von ihrem Ringen mit ihrer Krankheit sowie die Bedrückung über die extreme Abnabelung ihrer Tochter schreibt Helen Brown wie im ersten Buch in amüsanter und leicht lesbarer Form.
Dennoch: 'Kater mit Karma' empfand ich ungleich weniger unterhaltend als Cleo. Jonah, der Kater, ist zwar kein unwichtiger Teil dieser Geschichte, doch er spielt bei weitem nicht eine solche Rolle wie seine Vorgängerin. Hauptthema ist der Kampf gegen den Krebs und das Verhältnis von Helen zu Lydia. Dies ist insbesondere an den stetigen Wiederholungen festzustellen. Ihre Gedanken zur Endlichkeit des Lebens, die ständigen Vergleiche 'Helen und ihre Mutter' und 'Lydia und ihre Mutter', die immerwiederkehrenden Erinnerungen an Sam - beim dritten Mal flog ich nur noch diagonal über diese Seiten. Vielleicht war der zeitliche Abstand zu dem Geschehenen noch zu gering, aber wie auch immer, an die Qualität ihres Erstlings Cleo reicht der Nachfolger nicht heran. Schade!
Die grauenvolle Zeit des III. Reiches - zahlreiche Gedenkveranstaltungen, Mahnmale und Rückblicke erinnern uns immer wieder an diese entsetzliche Zeit, sodass Manche das Gefühl haben, dass doch schon längst alles gesagt sei. Doch dieses Buch zeigt, dass dem bei weitem nicht so ist. Denn wer kennt Johann Trollmann?
Erzählt wird die Geschichte dieses Boxers, der vermutlich den meisten am Boxen nicht so Interessierten bisher unbekannt geblieben ist. Er hatte einen für seine Zeit ungewöhnlichen Kampfstil (dem Muhammed Alis nicht ganz unähnlich), was den nationalsozialistischen Funktionären ein Dorn im Auge war. Doch dies war nicht sein größtes Handicap: Johann Trollmann war Sinto. Und die Aussicht, im nationalsozialistischen Deutschland einen Sinto im Halbschwergewicht als Deutschen Meister zu präsentieren, löste massives Entsetzen aus. So wurden nicht nur Kämpfe, sondern auch die Presse manipuliert - und alle machten mit. Doch Trollmann ließ sich nicht so einfach unterkriegen...
Aber es nicht nur seine Geschichte, die hier erzählt wird. In kurzen Sätzen und Abschnitten wird vom Leben vieler Anderer aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten berichtet, woran ich mich erst einmal gewöhnen musste. Denn zu Beginn wirkten die plötzlichen Wechsel zwischen den Personen eher irritierend. Doch je mehr ich mich darauf eingelassen habe, desto mehr hielt mich dieses Buch gefesselt. Ich hatte das Gefühl, ich stehe mitten im Publikum und nehme all diese Momentaufnahmen wahr, die die Autorin in kurzen und teils auch schnoddrigen Sätzen (typisch berlinerisch ;-) ?) beschreibt. Herrlich auch ihre subtile Ironie, wenn sie über den Ersten Vorsitzenden des Verbands der Deutschen Faustkämpfer schreibt, der ein Mitläufer ersten Ranges ohne Rückgrat ist und das ganze Buch hindurch namenlos bleibt.
Alles in allem entsteht so ein eindringliches Bild dieser Zeit, das das immer stärker werdende Durchdringen aller Gesellschaftsbereiche durch die Nationalsozialisten beeindruckend darstellt. Sehr sehr lesenswert, auch wenn es ein bisschen Mühe kostet. Und selbst das Boxen wird einem nahe gebracht ;-)
Die Schweden können nicht nur gute Krimis schreiben, wie man sieht, sondern auch richtig gute Romane ;-)
Der 59jährige Ove Svensson ist ein Griesgram wie er im Buche steht. Seit dem Tod seiner Frau vor einem halben Jahr lebt er mehr schlecht als recht allein und als seine Firma ihn gegen seinen Willen in den Vorruhestand entlässt, beschließt er, dass es nun reicht: Er will sterben. Doch die neu hinzugezogene Nachbarsfamilie, der Trottel Patrick mit seiner aus dem Iran stammenden, hochschwangeren Frau Parvaneh und den beiden kleinen Töchtern, machen ihm einen Strich durch die Rechnung. Ohne sein Zutun wird Ove plötzlich in Geschehnisse in der Nachbarschaft hineingezogen, die ihn seine Selbstmordpläne immer wieder verschieben lassen.
Ove ist wirklich ein Miesepeter und Pessimist, wie man ihn sich schlimmer kaum vorstellen kann - zumindest auf den ersten Blick. Ordnung und Regeln sind für ihn unter allen Umständen einzuhalten und da er, wie seine verstorbene Frau Sonja erklärte '...aus einer Generation stammt, in der ein Mann noch das war, was er tat, nicht das, was er sagte', findet er sich in der neumodischen Medienwelt, in der der Schein mehr als das Sein zählt, nicht zurecht. Ove ist ein altmodischer Held: Er rettet Menschenleben, packt ungefragt an wo Hilfe benötigt wird und will unter keinen Umständen auch nur die geringste Form der Aufmerksamkeit. Denn für ihn sind es Selbstverständlichkeiten. Ich gebe zu, dass ich mich zu Beginn etwas schwer tat mit dem Protagonisten, denn das Buch wird größtenteils aus seiner Sicht und seiner Stimmlage erzählt, die durchweg etwas ruppig klingt. Doch mit zunehmender Seitenzahl erkennt man Oves weiche Seite und seine Großzügigkeit immer deutlicher und er wuchs mir zusehends mehr ans Herz. Auch weil stets klarer wird, dass seine schroffe Art auf all die Verletzungen zurückzuführen ist, die ihm in der Vergangenheit zugefügt wurden.
Ich habe diesen Helden wirklich lieb gewonnen und werde mit dieser Geschichte wieder daran erinnert ;-) , Menschen nicht gleich nach dem ersten Eindruck zu beurteilen. Meist gibt es so viel mehr zu entdecken.
PS: Nur um es deutlich zu machen: Auch wenn meine Rezension nun so klingen mag, als sei es eher ein nörgeliges Buch, dem ist nicht so. Das Ganze liest sich überaus vergnüglich, da Oves mürrisches Wesen immer wieder auf's Neue von allen nur möglichen Personen ständig unterlaufen wird. Ich fand es ausgesprochen unterhaltsam und amüsant.
Vor genau 100 Jahren spielt dieser Kriminalroman, der das damalige Zeitgeschehen nicht nur als wirkungsvollen Hintergrund nutzt, sondern aktiv in die Handlung miteinbindet. Ein junger Mann wird tot an der Isar gefunden und schon bald finden sich Beweise, dass er Kontakte zu den höchsten Kreisen der Gesellschaft wie auch dem Militär hatte, wenn auch nicht unbedingt erfreulicher Natur nach Meinung diverser oberer moralischer Instanzen (bzw. die sich dafür halten). Weitere Morde geschehen und Kommissär Reitmeyer, der mit diesem Fall betraut wird, findet sich schon bald in der heiklen Situation, dass er erfolgreich ermitteln soll, aber nur so weit, wie es seinem Polizeipräsidenten und anderen Autoritäten gefällt. Doch er recherchiert weiter und gründlicher als Vielen lieb ist und muss feststellen, dass es sich um ein Komplott ungeahnten Ausmaßes handelt...
Historische Kriminalromane sind ja nicht gerade sooo häufig und meist dient die Vergangenheit nur als Kulisse für die eigentliche Handlung. Doch hier ist der Krimi ohne diesen geschichtlichen Hintergrund nicht denkbar. Sehr überzeugend stellt die Autorin die damaligen autoritären Verhältnisse dar, in denen das Militär ein Staat im Staate war und die hohen Herren (und auch Damen) aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung praktisch über dem Gesetz standen (neinnein, das ist nicht so wie heute. Ecclestone musste immerhin 100 Mio. € bezahlen ;-)). Man gehorcht blindlings den Vorgesetzten und wer es wagt, sich eigene Gedanken zu machen, wird schnell als renitent und Querkopf bezeichnet (schön beschrieben der junge Rattler als Polizeilehrling). Doch es gibt eine Gegenbewegung, die die schönen Künste und gerade das Nichtmilitärische feiert, zum Entsetzen all der konservativen Kreise, die noch immer die Macht besitzen. Diese dürsten nach einem Krieg, um all dies Weibische und Schwächliche endgültig auszumerzen und Deutschland in seiner ganzen Pracht und Stärke wiederauferstehen zu lassen. Ebenso überzeugend und anschaulich beschreibt die Autorin, wie nach dem Attentat in Sarajevo die Stimmung in der damaligen Bevölkerung angeheizt wurde, wie Wut und Zorn von Kriegstreibern geschürt wurden und sich dies in Attentaten gegenüber scheinbar Verdächtigen entlud, die gerade des Wegs daherkamen. Dazu ein spannender, immer wieder überraschender Krimi - was will man mehr?
Ratgeber für ein gelungenes Leben gibt es wie Sand am Meer - und jetzt noch einer unter dem Deckmantel der Philosophie? Steht da nicht sowieso überall das Gleiche drin?
Irgendwie schon, so ein bisschen - aber irgendwie auch wieder nicht. Albert Kitzler hat sich zum Thema 'Wie lebe ich ein gutes Leben?' mit den alten Philosophen aus Ost und West beschäftigt und untersucht, was diese weisen Herren (ja, leider scheinen keine Damen dabei gewesen zu sein) schon damals dazu meinten. Und siehe da, es ist alles andere als verstaubt was in der klassischen Zeit zur oben genannten Frage so niedergeschrieben wurde. Ausgehend von der Selbsterkenntnis lässt der Autor die großen Denker zu Punkten wie Mitmenschlichkeit, Selbstüberschätzung, Natur, Tod, Freiheit und diversen anderen Themen mit kurzen Auszügen aus ihren Werken zu Wort kommen und übersetzt diese in eine für alle Lesenden verständliche Sprache. Hoch aktuell wirken diese Ratschläge und regen in allen möglichen Lebensbereichen zum Nachdenken über das eigene Leben an. Konkrete Ratschläge wie 'Täglich 10 Minuten Yoga' oder ähnliches fehlen, stattdessen werden Beispiele aus dem Leben der Klassiker anschaulich ins Heute übertragen. Jedem Kapitel ist als Zusammenfassung ein kurzer Text eines Philosophen hintangestellt ebenso wie ein Merksatz des Autors, beispielsweise: 'Der Weise lernt stets dazu, indem er das Gelernte seinem Denken und Verhalten einübt.' Mit dem umfassenden Literaturnachweis lassen sich auch problemlos die Originale herausfinden, von denen einige umgehend auf meiner Wunschliste gelandet sind ;-)
Wer sich mit Philosophie bereits intensiver beschäftigt hat, wird vermutlich auf nicht allzu viel Neues stoßen, doch für Neulinge ist es ein gelungener Einstieg in ein Thema, das wohl immer interessant bleiben wird. Etwas Mäkelei am Rande: 272 Seiten gibt der Verlag an, habe das Buch. Tatsächlich sind es aber nur wenig mehr als 200, da der Anhang doch einen recht großen Raum einnimmt. Und wenn ich einen Wunsch äußern dürfte: Als Beilage ein DinA 4 oder 3 Poster mit der Übersicht aller Merksätze - das wäre schön :-) !
Ein Mann wird entführt und nach Zahlung von unglaublichen 30 Millionen DM nach 33 Tagen wieder freigelassen. Das hört sich nach einem Thema für eine spannende und actionreiche Räuberpistole an, doch 'Im Keller' ist eher ein psychologisches Kammerspiel als ein packender Kriminalroman. Jan Philipp Reemtsma, der im Jahre 1996 entführt wurde, berichtet des Geschehene aus drei Perspektiven: Zum einen die Außenseite (wie er es mit eigenen Worten bezeichnet) wie sie seine Frau und sein Sohn durchlebten. Dann folgen seine eigenen Erlebnisse soweit er sich daran erinnern kann, während er im dritten und letzten Teil zusammenzufassen versucht, was das ihm Widerfahrene in ihm auslöste.
Schon die gerade mal ersten 40 Seiten lösen beim Lesen eine anhaltende Erschrockenheit aus, obwohl es sich im Grunde genommen um nichts anderes als eine sachliche, chronologische Darstellung dieser 33 Tage und der Zeit danach handelt. Doch insbesondere das Verhalten der Presse war selbst damals (fast 20 Jahre liegt das Ganze zurück) so rücksichts- und respektlos, dass man nur ungläubig den Kopf schütteln kann ('Wenn man nicht will, dass einem ins Fenster hineinphotographiert wird (und man will nicht), muss man die Vorhänge vorziehen. ...man bleibt im Haus - das dann eben kein Zuhause mehr ist, sondern ein Versteck, das man abdichten muss gegen unbefugten Einblick.').
Die nächsten 100 Seiten beschreiben die Entführung selbst aus der Sicht des Opfers in der dritten Person Singular. Es ist der Versuch des Autors, das Ganze mit Abstand zu berichten um so auch zu zeigen, '...dass es keine Ich-Kontinuität von meinem Schreibtisch zu dem Keller gibt...'. Mir fiel es hier teilweise schwer, dem Ganzen zu folgen, da immer wieder ein Wechsel von der ersten zur dritten Person Singular eintritt, sobald der Autor aus seiner Perspektive den Geschehnissen etwas hinzuzufügen hat. Dennoch wird überdeutlich, welcher Druck in dieser Zeit herrschte: Würde er lebend den Keller verlassen, seine Familie wiedersehen? Wie würde er sterben? Würden sie ihn zuvor verstümmeln? Dennoch versucht er seine Würde zu bewahren so weit dies, gefesselt an eine Fußkette, möglich ist. Selbst sein Humor verlässt ihn nicht ganz.
Im letzten Teil mit knapp 70 Seiten analysiert Jan Philipp Reemtsma, was in diesem Keller mit ihm geschehen ist. Dies ist wohl der erschreckenste Teil des Buches, denn es wird überdeutlich klar, dass von dem Mensch der in solch eine Situation gerät, nicht mehr viel bleibt. Die Ohnmacht ist absolut und diese entsetzliche Erfahrung wird man wohl nie wieder los.
Ein bedrückendes aber auch lehrreiches Buch, das nicht immer ganz einfach zu lesen ist.
Die 14jährige Louisa kommt in die Villa Strandlust, eine psychiatrische Unterbringung für Jugendliche, weil sie versuchte sich umzubringen. Sie erzählt ihre Geschichte selbst und entsprechend verwirrend ist der erste Eindruck. In ihr herrscht ein Druck, der irgendein Ventil sucht und so läuft und läuft und läuft sie, ihr Zimmer hoch und runter, runter und hoch. Das Summen in ihrem Kopf lässt sie ihn gegen die Wand hauen, sodass sie wiederholt in die 'Weichzelle' muss, wie es die Sozios (Therapeuten) nennen. Nachdem sich der Druck etwas verringert hat und Louisa auch keine Fluchtversuche mehr unternimmt, kommt sie in eine Gruppe mit anderen Jugendlichen, um langsam darauf vorbereitet zu werden, wieder am 'normalen' Leben teilzunehmen.
Louisa erzählt sehr offen und in ihrem so ganz und gar eigenem Ton von sich wie auch von den Gruppenmitgliedern, die eines offenbar verbindet: In ihrem jeweils eigenen Leben scheinen sie völlig einsam und verlassen zu sein, ohne zu irgend jemandem Vertrauen fassen zu können. Doch nach und nach werden die Hürden kleiner, und trotz mancher Rückschläge machen fast alle Fortschritte.
Die Sprache ist ungewohnt, denn Louisa berichtet sehr direkt, wie bestimmte Dinge auf sie einwirken und was sie in ihr auslösen. Während sie die Bedürfnisse der Anderen überraschend schnell erkennt, steht sie ihren eigenen eher hilflos gegenüber, sodass es zu plötzlichen 'Ausfällen' ihrerseits kommt, die in ihrer Heftigkeit immer wieder erschreckend wirken.
Alles in allem hat Louisa auf mich sehr überzeugend gewirkt und ich frage mich, wie sich die Autorin so tief in das Denken einer verletzten jungen Seele hineinversetzen konnte, um es derart glaubhaft darzustellen.
Ein teilweise sehr schonungsloses Buch, das einen aber nicht mutlos zurücklässt.
Saba, ein elfjähriges Mädchen, hat auf einen Schlag ihre Zwillingsschwester Mahtab und ihre Mutter verloren - beide verschwunden. Obwohl man ihr immer wieder versichert, dass sie tot seien, ist Saba auch in den kommenden Jahren fest davon überzeugt, dass den Beiden die Flucht in die USA gelungen ist und sie dort das Leben führen, das Saba sich schon immer wünscht. Der christlichen Minderheit angehörend führen sie und ihr Vater ein zurückgezogenes Leben auf dem Land in einem kleinen Dorf, und trotz ihrer vermögenden Familie ist Saba auf's Engste mit den Menschen dort verbunden. Gemeinsam mit ihren beiden Freunden Reza, in den sie schon immer verliebt war, und der schönen Ponneh, ihrer besten Freundin und fast wie eine Schwester, wächst sie heran und erzählt ihnen immer wieder Geschichten aus dem Leben von Mahtab - ein Leben, wie Saba es gerne selbst führen würde. Wie besessen lernt sie (nicht nur) Englisch, liest nicht erlaubte Bücher aus den USA, hört und sieht verbotene Filme und Musik. Doch sie befindet sich im Iran nach der Revolution - und den Realitäten dieser Gesellschaft kann auch Saba nicht entfliehen.
Welch ein unglaublich schönes und reiches Land - reich an Geschichten, gutem Essen, Musik, Witz, Poesie und jahrtausende alter Kultur. Wenn, ja, wenn es die Mullahs nicht gäbe mit all ihren Gefolgsleuten, die den Bewohnern und bevorzugt den Bewohnerinnen im Namen Allahs das Leben schwer, wenn nicht sogar unerträglich machen. Dina Nayeri, selbst dort geboren und zehn Jahre gelebt, schildert das alltägliche Grauen, dass trotz aller Rückzugsversuche der Menschen in Geschichten und die kleinen Freuden des Lebens immer wieder mit purer Willkür und brachialer Gewalt über sie hereinbricht. Wie die VertreterInnen des iranischen Gottesstaates die kleinsten scheinbaren Vergehen mit gnadenloser Härte bestrafen. Und dennoch - die Menschen dort behalten ihre Lebensfreude bei.
Trotz des in großen Teilen bedrückenden Themas ist das Buch ungemein poetisch und macht deutlich, wie wichtig gerade in solchen Zeiten Freundschaft ist, aber auch das Erzählen von Ereignissen, (egal ob wahr oder falsch) und der Glaube daran. Und es zeigt, wie reich der Iran ungeachtet der lähmenden Verhältnisse nicht nur an Geschichten ist - welch ein wundervolles Land könnte es sein!
PS: Vielleicht könnte man in der nächsten Auflage ein Glossar mit all den herrlichen Ausdrücken anfügen? Das wäre eine wirkliche Bereicherung!