Ein Teelöffel Land und Meer
522 Seiten

Saba, ein elfjähriges Mädchen, hat auf einen Schlag ihre Zwillingsschwester Mahtab und ihre Mutter verloren - beide verschwunden. Obwohl man ihr immer wieder versichert, dass sie tot seien, ist Saba auch in den kommenden Jahren fest davon überzeugt, dass den Beiden die Flucht in die USA gelungen ist und sie dort das Leben führen, das Saba sich schon immer wünscht. Der christlichen Minderheit angehörend führen sie und ihr Vater ein zurückgezogenes Leben auf dem Land in einem kleinen Dorf, und trotz ihrer vermögenden Familie ist Saba auf's Engste mit den Menschen dort verbunden. Gemeinsam mit ihren beiden Freunden Reza, in den sie schon immer verliebt war, und der schönen Ponneh, ihrer besten Freundin und fast wie eine Schwester, wächst sie heran und erzählt ihnen immer wieder Geschichten aus dem Leben von Mahtab - ein Leben, wie Saba es gerne selbst führen würde. Wie besessen lernt sie (nicht nur) Englisch, liest nicht erlaubte Bücher aus den USA, hört und sieht verbotene Filme und Musik. Doch sie befindet sich im Iran nach der Revolution - und den Realitäten dieser Gesellschaft kann auch Saba nicht entfliehen.
Welch ein unglaublich schönes und reiches Land - reich an Geschichten, gutem Essen, Musik, Witz, Poesie und jahrtausende alter Kultur. Wenn, ja, wenn es die Mullahs nicht gäbe mit all ihren Gefolgsleuten, die den Bewohnern und bevorzugt den Bewohnerinnen im Namen Allahs das Leben schwer, wenn nicht sogar unerträglich machen. Dina Nayeri, selbst dort geboren und zehn Jahre gelebt, schildert das alltägliche Grauen, dass trotz aller Rückzugsversuche der Menschen in Geschichten und die kleinen Freuden des Lebens immer wieder mit purer Willkür und brachialer Gewalt über sie hereinbricht. Wie die VertreterInnen des iranischen Gottesstaates die kleinsten scheinbaren Vergehen mit gnadenloser Härte bestrafen. Und dennoch - die Menschen dort behalten ihre Lebensfreude bei.
Trotz des in großen Teilen bedrückenden Themas ist das Buch ungemein poetisch und macht deutlich, wie wichtig gerade in solchen Zeiten Freundschaft ist, aber auch das Erzählen von Ereignissen, (egal ob wahr oder falsch) und der Glaube daran. Und es zeigt, wie reich der Iran ungeachtet der lähmenden Verhältnisse nicht nur an Geschichten ist - welch ein wundervolles Land könnte es sein!
PS: Vielleicht könnte man in der nächsten Auflage ein Glossar mit all den herrlichen Ausdrücken anfügen? Das wäre eine wirkliche Bereicherung!