Deutscher Meister
381 Seiten

Die grauenvolle Zeit des III. Reiches - zahlreiche Gedenkveranstaltungen, Mahnmale und Rückblicke erinnern uns immer wieder an diese entsetzliche Zeit, sodass Manche das Gefühl haben, dass doch schon längst alles gesagt sei. Doch dieses Buch zeigt, dass dem bei weitem nicht so ist. Denn wer kennt Johann Trollmann?
Erzählt wird die Geschichte dieses Boxers, der vermutlich den meisten am Boxen nicht so Interessierten bisher unbekannt geblieben ist. Er hatte einen für seine Zeit ungewöhnlichen Kampfstil (dem Muhammed Alis nicht ganz unähnlich), was den nationalsozialistischen Funktionären ein Dorn im Auge war. Doch dies war nicht sein größtes Handicap: Johann Trollmann war Sinto. Und die Aussicht, im nationalsozialistischen Deutschland einen Sinto im Halbschwergewicht als Deutschen Meister zu präsentieren, löste massives Entsetzen aus. So wurden nicht nur Kämpfe, sondern auch die Presse manipuliert - und alle machten mit. Doch Trollmann ließ sich nicht so einfach unterkriegen...
Aber es nicht nur seine Geschichte, die hier erzählt wird. In kurzen Sätzen und Abschnitten wird vom Leben vieler Anderer aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten berichtet, woran ich mich erst einmal gewöhnen musste. Denn zu Beginn wirkten die plötzlichen Wechsel zwischen den Personen eher irritierend. Doch je mehr ich mich darauf eingelassen habe, desto mehr hielt mich dieses Buch gefesselt. Ich hatte das Gefühl, ich stehe mitten im Publikum und nehme all diese Momentaufnahmen wahr, die die Autorin in kurzen und teils auch schnoddrigen Sätzen (typisch berlinerisch ;-) ?) beschreibt. Herrlich auch ihre subtile Ironie, wenn sie über den Ersten Vorsitzenden des Verbands der Deutschen Faustkämpfer schreibt, der ein Mitläufer ersten Ranges ohne Rückgrat ist und das ganze Buch hindurch namenlos bleibt.
Alles in allem entsteht so ein eindringliches Bild dieser Zeit, das das immer stärker werdende Durchdringen aller Gesellschaftsbereiche durch die Nationalsozialisten beeindruckend darstellt. Sehr sehr lesenswert, auch wenn es ein bisschen Mühe kostet. Und selbst das Boxen wird einem nahe gebracht ;-)

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