Unfassbar, unglaublich. Ich war noch nie so extrem emotional getroffen, zumindest nicht nach der Lektüre eines Buches. Wer sich Schilderungen schlimmster Erfahrungen sexueller Misshandlungen nicht gefahrlos antun kann, der sollte das Buch nicht lesen. Es verlangt viel von einem ab, aber man wird mit einem einmaligen Erlebnis belohnt.
"A Little Life" von Hanya Yanagihara ist wohl einer der besten Romane, die ich je gelesen habe. Die Geschichte von Jude St. Francis und seinen Freunden Willem, JB und Malcom beschäftigt mich seit dem ersten Lesen. Judes Schicksal wird so eindringlich und genau beschrieben, dass es mir manchmal vorkam, als sei er real, als würde ich ihn kennen. Der Roman hat mich schockiert, mich verletzt, mir Trost gespendet. Ich denke oft an Jude, wenn ich nachts im Bett liege, wenn ich durch die Stadt fahre oder wenn ich gar nicht damit rechne. Ein Roman, der einen Menschen so sehr beschäftigt, besitzt eine Wirkmacht, die ich selten verspürt habe beim Lesen. Erzählerisch zieht "Ein wenig Leben" dich in seinen Bann, so dass dieser Roman eher dich verschlingt als du ihn. Ich kann den Roman allen empfehlen, die sich von dieser ungerechten Welt erdrückt fühlen.
Ein Buch über vier Freunde, die ein Leben lang miteinander verbunden bleiben. Leben, die viel Licht, aber auch viel Schatten beinhalten - vor allem die Vergangenheit der Hauptfigur Jude. Die Autorin schildert dies mit einem ruhigen, aber unglaublich eindringlichen Schreibstil, der den Leser immer tiefer in Judes seelische Abgründe hinabzieht. Ein schönes, aber auch trauriges Buch, das mich auch nach dem Zuklappen nicht so schnell losgelassen hat.
Das schönste und traurigste Buch, das ich dieses Jahr gelesen habe.
Dieses Buch hat viele Triggerwarnungen: sexueller Missbrauch, selbstverletztendes Verhalten, Suizid, Pädophilie. Ich hab es daher immer aufgeschoben, es zu lesen. „Zu schwer gerade“, dachte ich, wenn ich es irgendwo sah oder wieder davon hörte. Sowohl die Thematik als auch die Länge. Ich könnte es gerade wahrscheinlich nicht verkraften. Aber als ich dann die Möglichkeit hatte, es als Hörbuch nun zu hören, tat ich es einfach. Und dann konnte ich kaum mehr damit aufhören. Ich habe es, seit ich es begonnen habe, jeden Tag gehört. Und obwohl es eine wirklich schwere Thematik war, hat es der Schreibstil meiner Meinung nach geschafft, daraus keinen „trauma porn“ zu machen. Das Buch ist nämlich vor allem ein Buch über Liebe oder besser gesagt übers Lieben. Ich würde sagen, es ist eines der besten Bücher übers Lieben, die ich bisher gelesen habe. Über Liebe und Lieben in einer bedingungslosen, sorgenden, aufrichtigen Art und Weise, die einen tief ergreift und berührt. Die dargestellten Freundschaften, die Wahlfamilie und generell Beziehungen - tatsächlich größtenteils platonisch - sind so komplex und einfühlsam beschrieben, dass ich wirklich jeder Person, die mit den Triggerwarnungen umgehen kann, dieses Buch ans Herz lege. Insbesondere aber (cis) Männern, weil es auch nochmal besonders ist, diese Emotionalität so ausgeschrieben zu sehen und die Protagonisten alle männlich sind, was die Erzählperspektiven auch nochmal anders spannend dabei machten.