Vergeltung
491 Seiten

Was war denn das? Engagiert die National Rifle Association (NRA), die Waffenlobby in den USA, nun schon Schriftsteller, um für den Nutzen von Kampfgerät zu werben? Lieber Don Winslow, war das Honorar sooo hoch, dass Sie nicht widerstehen konnten?
Zum besseren Verständnis: In seinem neuesten Roman schickt Winslow einen Ex-Elitesoldaten auf einen Rachefeldzug, nachdem dessen Frau und Kind bei einem terroristischen Anschlag ums Leben kamen. Dieser rekrutiert hierfür eine private Söldnerarmee, die sich umgehend an die Arbeit macht und die Urheber dieses Attentats zur Rechenschaft zieht.
Ist der Autor der dies schrieb, tatsächlich derselbe der auch 'Kings of Cool' verfasst hat? Kaum zu glauben, aber offensichtlich wahr. Zugegeben, Vergeltung ist durchaus spannend (trotz der Vorhersehbarkeit der Handlung), aber das ist bedauerlicherweise auch das Einzige was man diesem Buch zugute halten kann. Die Figuren sind derartig eindimensional und platt, dass es schmerzt. Die Bösen sind böse und die Guten so gut, dass man kaum glauben mag, einen Roman von Winslow vor sich zu haben. Der einzige 'Gute' der nicht ganz so anständig ist wie der Rest, verlässt die Kampfzone auch als Erster. Die Terroristen werden einer nach dem Anderen niedergemetzelt (ebenso wie Dutzende anderer Feinde auch) und wie erwartet gibt es nach all den Massakern und diversen formidablen Materialschlachten ein Happyend. Zweifel an der Richtigkeit und Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns werden in Kurzform abgehandelt (alles ok) und natürlich sind die Helden so toll, dass es noch nicht einmal zu Kollateralschäden kommt (was den bösen Buben selbstverständlich völlig egal ist). Hach, was sind das nur für tüchtige Jungs!
Mindestens genauso nervig wenn nicht sogar noch mehr waren die bis ins Detail erfolgten technischen Beschreibungen: 'Bei nicht ganz 40 Pfund und einer Länge von 94 cm verschießt die MK47 40 x 53 mm Munition bei einer Kadenz von 250 Schuss pro Minute. Das superleichte AN/PWG-1 Videovisier sendet 3fach vergrößerte Bilder...' (S. 426) Solche Sätze sind keine Seltenheit, sondern ein fester Bestandteil des Romans - Waffenbegeisterte werden sich sicherlich darüber freuen.
Alle Anderen aber...

Antoinette kehrt zurück
94 Seiten

Antoinette, erfolgreich in Kalifornien tätig und mit einem bekanntem Filmstar liiert, scheint eine glückliche junge Frau zu sein. Doch sie schleppt ein Geheimnis mit sich herum, das nicht einmal die ihr am nächsten stehenden Menschen kennen: ihre Kindheit und Jugend in einem kleinen deutschen Örtchen, wo sie von ihren SchulfreundInnen gemobbt wurde. Als sie eines Tages bei einem ihrer häufigen Webcam-'Besuche' in ihrer Heimat sich selbst erkennt, wird ihr bewusst dass nichts vergangen und vergessen ist. So macht sie sich auf eine Reise in ihre Vergangenheit...
Junge Frau setzt sich mit ihrer Mobbing-Vergangenheit auseinander - eine klassische Geschichte, die Olivia Vieweg ganz schön gegen den Strich bürstet. Man liest, schaut und glaubt, mehr oder weniger zu wissen was nun kommt, doch dann - PENG! Von wegen! Es irritiert, schockiert und hat man die weniger als 100 Seiten durch, ist erst mal tiefes Durchatmen angesagt und eine Nacht darüber schlafen. Um es dann nochmal zu lesen... :-) Manche/n mag diese fehlende political correctness befremden und/oder stören, mich brachte es trotz (oder wegen?) einiger Unklarheiten jedoch dazu, das Ganze noch mehrmals zu lesen.
Die Zeichnungen im Buch sind ausschließlich in braun, orange, weiss und schwarz gehalten, sodass nichts durch leuchtende Farben besonders herausgehoben wird. Auch die Gesichter stechen nicht durch besondere Details hervor, sondern deren Darstellung beschränkt sich meist auf Augen, Nase, Mund und Haare, die eher wie skizziert wirken. Dennoch fiel es mir nicht schwer, die einzelnen Personen unterscheiden zu können. Es ist ein eher reduzierter Zeichenstil, durch den die Geschichte jedoch umso mehr wirkte und der eigenen Phantasie viel Freiraum lässt.
Das Buch hat mir gut gefallen, nur war es deutlich zu kurz. Aber wie wäre es mit einer Fortsetzung? Das Ende lässt es zu...

Mann im Dunkel
224 Seiten

Nur eine Nacht umfasst die Rahmenhandlung dieses Buches, doch die Geschichten die darin erzählt werden, würden locker für eine ganze Woche ausreichen.
August Brill, 72jähriger verwitweter Literaturkritiker, lebt seit einem Unfall der ihn zum Krüppel machte, bei seiner geschiedenen Tochter Miriam, die ebenso unglücklich ist wie er. Zu den Beiden gesellt sich noch Augusts Enkelin Katya, Miriams Tochter, die sich die Schuld am Tod ihres Ex-Freundes gibt und deren Lebensenergie gerade noch dazu ausreicht, sich gemeinsam mit ihrem Großvater Filme anzuschauen. Wie in fast jeder Nacht kann Brill nicht schlafen und so beginnt er, sich eine Geschichte auszudenken um möglichen Erinnerungen (und ganz besonders einer bestimmten) aus dem Weg zu gehen. Owen Brick lebt mit seiner Frau ein normales kleines Leben bis er sich eines Morgens in einer Grube wiederfindet, gekleidet in eine Soldatenuniform. Nach und nach wird ihm klar, dass er sich in einer Parallelwelt befindet - aber noch immer in der gleichen Zeit und im gleichen Land. Dort herrscht ein Sezessionskrieg, der schon Tausende Menschen das Leben gekostet hat. Und Owen wurde dazu ausgewählt, diese Barbarei zu beenden. Doch dafür muss er einen Menschen töten...
Wie schon erwähnt, ist dies nicht die einzige Geschichte des Buches. Brill schreckt immer wieder aus seiner Phantasie auf und verliert sich dann in Erinnerungen, in denen ebenfalls wieder Geschichten erzählt werden, die ohne weiteres die Grundlage für ein eigenes Buch sein könnten.
Es sind traurige Erzählungen, die aber zumindest ein kleines bisschen Trost enthalten: die Frau deren Mann verschwand, sie aber immer liebte; der SS-Offizier der das junge Mädchen hoffnungslos liebte und ihr und ihrer Familie zur Flucht verhalf; Owen Brick, der ein Land von einem Krieg befreien soll - doch um welchen Preis? Und Brills Leben selbst, der sich nie verzeihen kann, was er seiner geliebten Sonja antat...
Es ist das erste Buch von Auster, das ich gelesen habe und ich bin hin und weg. Nicht nur dass er gut erzählen kann, er ist auch in der Lage diesen an sich schon packenden Geschichten so viel Hintergründiges mitzugeben, dass man ständig zum Weiterdenken angeregt wird. Da führen die USA mal keinen Krieg gegen Dritte - und schon erheben sie die Waffen gegeneinander. Oder welche Aussagekraft Gegenstände in Filmen entwickeln können - beeindruckend. Soll ein Mensch einen anderen töten, um das Leben vieler anderer zu retten?
Suchte ich nach einem Motto für dieses Buch, wäre es 'Das Leben ist enttäuschend...' - ein Satz der in einem der beschriebenen Filme fällt und vermutlich jeder der Personen in diesem Haus zugeschrieben werden könnte. Doch 'Und die wunderliche Welt dreht sich weiter' - ein Zitat von Rose Hawthorne, das am Ende des Buches auftaucht und (irgendwie allen) wieder Mut macht.

Das Labyrinth der Wörter
208 Seiten

Germain, Mitte 40, ist zumindest wissensmäßig betrachtet ein großes Kind geblieben. Vater unbekannt, von der Mutter nicht geliebt und nur als Last betrachtet, mogelte sich der kleine Germain so durch die Schule und glänzte mehr mit seiner Abwesenheit als durch gute Noten. Da auch sein Lehrer keinerlei Interesse zeigte, mehr Zeit als nötig für ihn aufzubringen, verließ er die Schule praktisch als Analphabet und schlägt sich seitdem mit Gelegenheitsjobs durch. Doch was ihm an Kenntnis und Kultur fehlt, macht er durch Herzensbildung wieder wett. Eines Tages lernt er beim Taubenzählen Margueritte kennen, eine hochgebildete und belesene alte Dame, mit der er sich anfreundet und die ihm die Welt der Wörter, der Bücher und des Denkens nahe bringt. Und Germain beginnt, sich eigene Gedanken zu machen...
Und dieses Buch hat man verfilmt? Ich muss gestehen, dass ich mir das nur schwer vorstellen kann, da ein Großteil der doch eher mageren (da häufig nur halbvollen) 220 Seiten die Gedankenwelt des Protagonisten widerspiegelt. Es ist ein leicht und auch schnell zu lesendes Buch, denn die Autorin behält konsequent die Schlichtheit der Sprache Germains bei. Doch genau durch diese Schlichtheit wirken viele der Überlegungen so anrührend, da komplexe Gedanken durch einfache Sachverhalte erklärt werden - wie bei einem Kind, dem noch die Fähigkeiten fehlen, sich auszudrücken: 'Wenn man unkultiviert ist, heisst das nicht, dass man nicht kultivierbar ist. Man muss nur an einen guten Gärtner geraten.' (Und mit Gartensachen kennt sich Germain aus!).
Schöne, gefühlvolle Unterhaltung, die einen vielleicht den Gedanken 'Mensch, ist die/der dumm!' mit etwas mehr Zurückhaltung benutzen lässt.

Ich und die Menschen
352 Seiten

Ein Wesen aus einer anderen Welt, die ausschließlich von Rationalität und Logik geprägt und deren höchste Wissenschaft die Mathematik ist, schlüpft in die Hülle eines irdischen Mathematikers, um sämtliche Spuren dessen Arbeit zu vernichten. Was die Eliminierung von Menschen, die von seiner Arbeit Kenntnis hatten, mit einschließt. Doch der Auftrag ist nicht so leicht durchzuführen wie gedacht, denn das Wesen findet sich plötzlich wieder inmitten einer Familie, da sein Alter Ego Frau und Sohn hat. Wider Erwarten beginnt er die Menschen als Individuen zu betrachten und entwickelt zu seiner Überraschung Gefühle - etwas, was ihm bislang völlig unbekannt war. Er fragt sich, was die Menschen ausmacht und kommt zu erstaunlichen Erkenntnissen - sowohl für ihn selbst wie auch für die Lesenden.
Eine geschickte Idee, die Kritik an unserer Gesellschaft und unserem Way of Life aus der Warte eines höchst rationalen und logisch denkenden Wesens zu formulieren, das zudem eine Lanze bricht für mehr Gefühl und weniger Ökonomie in jeder Form. Die Umstände und Widersprüchlichkeiten unseres Alltags, in dem Effizienz und Effektivität als höchste Gebote Menschlichkeit und Mitgefühl nur noch wenig Raum lassen und dem wir uns ohne allzu großes Widerstreben nur zu häufig fügen, werden aus Sicht eines Einsteigers in die menschliche Gefühlswelt kritisch hinterfragt. Und nur allzu oft kann man seinen Gedanken nichts weiter als zustimmen. Darumherum rankt sich eine zarte Vater-Sohn- wie auch Liebesgeschichte, die durch die benannten Gegebenheiten nicht eben geradlinig verlaufen, aber genau deshalb immer wieder für komische Situationen gut sind.
Ein unterhaltsames Buch das ernsthafte Fragen aufwirft, ohne jedoch betulich zu wirken. Das könnte sogar Naturwissenschaftlern gefallen ;-)

The Wake
192 Seiten

Phew, this was probably the most confusing episode I've read so far, at least the first 60 to 80 pages. I could not believe it: One of the Endless died? Or what? Or not? And also the two different stories at the end, which are very nice (especially the drawings of the last but one) confused me at the beginning even further. Do they have anything to do with the death of the Endless? And if yes – what? To complicate matters further all the figures of the past stories turned up again, from those I can remember a few, unfortunately, only vaguely. My conclusion: I have to read all this again, but with less time interval between the different episodes.
Whatever, this is an ending for such a serial like it has to be - mysterious and sad with beautiful pictures, but not without hope. Because: “And everything changes. And nothing is truly lost.”

Wie keiner sonst
448 Seiten

Ein kleiner Junge erzählt von seinem gemeinsamen Leben mit seinem Vater. Es ist nicht einfach, dieses Leben, weder für den Jungen noch für den Vater. Ständige Umzüge, immer wieder drastischer Geldmangel - aber der Junge ist trotzdem glücklich, denn er liebt seinen Vater über alle Maßen. Und wird von ihm ebenso geliebt. Doch dann passiert etwas Unvorstellbares - und alles ändert sich.
Es ist ein Geheimnis um den Vater, der vor wem auch immer auf der Flucht zu sein scheint. Als der Junge alt genug ist, macht er sich auf dieses Geheimnis zu lösen und damit auch seinen eigenen Weg zu finden.
Ein ungewöhnliches Leben wird hier erzählt: Der Vater ist anspruchslos, ausreichend zu Essen und Trinken und ein Dach über dem Kopf ist genug. Dafür ist er unabhängig, niemandem verpflichtet außer seinem Sohn. Trotz seiner außerordentlichen Fähigkeiten ist er sich für keine Arbeit zu schade, aber wenn es ihm nicht passt, geht er. Frei von jeglichem Konsumterror leben beide oft in überaus ärmlichen Verhältnissen, doch der Vater lehrt seinen Jungen, dass dies kein Mangel ist. Sie haben sich und das Leben und sind frei, zu tun was sie wollen.
Der Roman wird vollständig aus der Sicht des Jungen erzählt, beginnend im Alter von sechs Jahren. Es sind recht kurze Abschnitte, meist nur zwei bis vier Seiten lang, die Momente, Situationen, Ereignisse schildern, die sich dem Jungen eingeprägt haben. Die Sprache ist kindgerecht, ohne jedoch jemals kindisch oder einfältig zu werden und so entsteht ein Gefühlt der Unmittelbarkeit, als ob man dem Jungen direkt zuhören würde. Je älter der Junge wird, umso erwachsener wird auch seine Sprache, aber das geschieht so unauffällig, dass es kaum auffällt.
Ein sehr eindringlicher Roman, der vieles in der Schwebe lässt, dafür aber den eigenen Gedanken und Vorstellungen genügend Möglichkeiten bietet. Oder vielleicht auch einer Fortsetzung…

Der Zorn des Lammes
190 Seiten

Jazz und Milan sind zwei junge Menschen die sich noch nie zuvor begegnet sind. Ihre Wege kreuzen sich in Berlin in einem Bus der Linie 29, mit dem Beide immer wieder quer durch die Stadt fahren. Während Jazz den jungen Mann nur beiläufig registriert, ist Milan sofort völlig vernarrt in das Mädchen. Er ist sich sicher: Sie sind füreinander bestimmt.
Die Geschichte wird abwechselnd aus den Perspektiven der beiden Protagonisten erzählt, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Einmal Jazz, die direkt nach der Schule aus einer Kleinstadt nach Berlin gezogen ist, um dort ein Praktikum bei einer Zeitung zu machen. Sie hat noch schwer mit ihrer Vergangenheit zu kämpfen, durch die ihr Leben bei den Eltern stark eingeengt wurde. Und dann Milan: Auch ihn plagt seine Vergangenheit, wenn auch in völlig anderer Art und Weise. Er hört Stimmen in seinem Kopf die ihm heftig zusetzen, immer wieder und wieder, doch er ist sich sicher, sie bezwingen zu können. Ebenso wie er sich sicher ist, dass Jazz und er zusammengehören.
Es ist eine beklemmende Lektüre, Jazz in ihrer Unbedarftheit zu erleben und gleichzeitig zu wissen, welche verrückte Ideen Milans Denken beherrschen. Man ahnt worauf alles hinausläuft und dann - tja, das werde ich hier natürlich nicht schreiben ;-)
In jedem Fall lässt einen die Geschichte nicht so schnell wieder los, denn das Alles wirkt derart realistisch, dass es so und genau so überall immer wieder passieren könnte. Ein klasse Thriller, der zwar als Jugendbuch annociert wird, aber ohne Weiteres auch im 'Erwachsenenbereich' mithalten kann. Und jetzt besorge ich mir noch das erste Buch des Autors ;-)

Von der Nutzlosigkeit erwachsen zu werden
188 Seiten

Anfang der 80er gab es potentielle Lehrer ohne Ende - und keine Stellen. Junge Menschen, die sich voller Idealismus in ein Lehramtsstudium gestürzt hatten, mussten feststellen dass ihr Wissen und ihre Kenntnisse nicht gebraucht wurden. Mathias Grewe, geboren 1955, ist einer von ihnen. Von seinen Eltern gefördert und gefordert (er soll es einmal besser haben als sie) sind seine eigenen Erwartungen an das Leben anspruchsvoll: der Beruf soll nicht nur den Lebensunterhalt sichern sondern auch einem höheren Sinn dienen. Die Gesellschaft will er mitgestalten, aktiv in der Demokratie mitwirken. Voller Idealismus und Enthusiasmus engagiert er sich in der Friedensbewegung, demonstriert gegen die Stationierung der Pershing-II-Raketen, schreibt Flugblätter und erledigt so 'nebenbei' sein Studium. Doch irgendwann beginnt er zu realisieren, dass seine Zukunftspläne wohl anders verlaufen werden als geplant, denn es gibt wesentlich weniger Lehrerstellen als Anwärter. Und so findet er sich mit 30 Jahren als Aushilfsfahrer wieder und zieht ein Resümee.
1985 erschien dieses Buch und obwohl ich mehrere Jahre später als der Protagonist an der Uni weilte, sind die Verhältnisse derart exakt beschrieben, dass ich ständig nur zustimmend grinsend nicken konnte. Der Glaube an ein besseres Leben, die Weigerung sich als ein Rädchen in den kritiklosen Konsumkreislauf integrieren zu lassen, sich nicht in einen Kokon des Privatlebens einzuhüllen sondern aktiv auch am politischen Leben teilzunehmen - hehre Vorsätze, die zumeist zugunsten einer möglichen Karriere schnell über Bord geworfen wurden. Und heute, fast 30 Jahre später, sieht es nicht viel anders aus. Nur wird nun die Karriere direkter angestrebt und mögliche anderweitige gute Vorsätze bezüglich einer eventuellen Verbesserung der Gesellschaft häufig nur noch zum eigenen Vorteil verfolgt. Tja, manches ändert sich wohl nur wenig...

Mission Hydra
480 Seiten

Na hier fliegen aber die Fetzen im wahrsten Sinne des Wortes - und zwar keine Klamotten ;-) Was mit einem mysthisch anmutendem Prolog beginnt (weit vor Christi-Geburt folgen Männer einer Art Gott, um für ihn in den Tod zu gehen), entfaltet sich in kürzester Zeit zu einem heftigen Action-Thriller, der nach und nach in ein riesiges Gemetzel übergeht. Archäologen haben in Peru offenbar Überreste der Hydra entdeckt. Doch sie sind nicht die einzig Interessierten: Ein Multimillionär will um jeden Preis das Geheimnis der Unsterblichkeit lüften und braucht dazu die DNA der Hydra. Dafür geht er über Leichen - im wahrsten Sinne des Wortes...
Tja, was will man von solch einem Buch schon erwarten? Tiefgründige Gespräche? Protagonisten mit feinsinnigen Persönlichkeiten? Bedeutungsschwere Gedanken und Fragen? Sicherlich nicht, denn hierfür wäre bei der Hochspannung unter der die Geschichte steht, schlicht weder Zeit noch Raum. Ein Nervenkitzel folgt dem nächsten und ein Abenteuer jagt das andere. Man kommt beim Lesen überhaupt nicht dazu sich noch Fragen nach dem Warum, Wieso und/oder der Sinnhaftigkeit zu stellen. Das Ganze ist völlig überzogen und so gut wie überhaupt nicht glaubwürdig, doch die Story ist einfach spannend zu lesen. Zudem hält sich trotz der ganzen Action und der stattfindenden Materialschlacht das Waffenfachchinesisch noch in Grenzen, sodass man ohne Schwierigkeiten darüber hinwegsehen kann.
Sicherlich kein literarischer Höhepunkt ;-) das Ganze, aber für Action- und Splattermoviebegeisterte vermutlich ein Genuss. Für den Rest - spannend aber mehr auch nicht.

Ich glaube, es hackt! Ein Blick auf die irrwitzige Realität der IT-Sicherheit
361 Seiten

Nicht erst seit den Enthüllungen Edward Snowdens ist klar, dass im digitalen Zeitalter Überwachung, Manipulation und Betrug eine ganz neue Qualität entwickelt haben. Doch was dies für das eigene Leben bedeutet, ist den meisten Menschen noch immer unklar. Während die Einen nun vollständig die Finger von PCs und ähnlichem lassen ('Viel zu gefährlich. Nix für mich!'), ist es Anderen entweder völlig gleichgültig ('Ich hab' nichts zu verbergen.') oder sie ergeben sich resigniert in ihr Schicksal ('Man kann ja eh nix machen.')
Tobias Schrödel versucht hier mit seinem Buch Abhilfe zu schaffen. Und gleich vorweg: Dies gelingt ihm auf wirklich unterhaltsame Weise, was bei einer so drögen Materie wie IT-Sicherheit nicht gerade eine Selbstverständlichkeit ist. Es geht um so alltägliche Themen wie u.a. Passwörter, Handys, E-Mails oder Online-Einkäufe, aber auch um exotischere Dinge wie Biometrie oder Funknetze. Die jeweiligen Kapitel sind wiederum in recht kurze, überwiegend nur 2-3seitige Artikel unterteilt, die immer mit einer meist amüsanten Einleitung aus dem 'normalen' Leben beginnen. Schrödel schreibt locker-leicht und ich habe die ganzen 361 Seiten mit einem permanenten Grinsen gelesen - und trotzdem (oder gerade deshalb?) viel Neues und Interessantes erfahren und gelernt. Auch wenn es als Ergebnis erschreckend ist wie weit sich die technischen Möglichkeiten schon entwickelt haben, macht der Autor klar, dass man etwas dagegen tun kann. Man muss es nur tun! Zugegeben, einen 100%igen Schutz gibt es nicht, aber wo gibt es den schon?
Weshalb dann nach solch einer Lobeshymne ;-) nicht die volle Punktzahl? Obwohl dieses Buch ganz klar für IT-Laien geschrieben wurde, gibt es doch immer wieder Fachausdrücke die nicht erklärt wurden: Algorithmus, Bootbereicht, Logfile... Weiterhin habe ich mich bei manchen Artikeln gefragt, was sie in diesem Buch sollen: Beispielsweise wie man bei einer Autovermietung ein Upgrade bekommt oder wie man ein zweites Getränk im Flieger erhält. Glücklicherweise gibt es nur wenige dieser 'Ausrutscher'. Daher ist dieses Buch wirklich Allen, die bisher nur keine oder wenig Ahnung von IT-Sicherheit haben, wärmstens ans Herz zu legen!

Willkommen auf Skios
285 Seiten

Ach war das schön! Endlich mal wieder eine Komödie im besten Sinne des Wortes. Kein lauter Schenkelklopfer, eher eine 'Schmunzelgeschichte' da man das Grinsen nicht wieder wegbekommt, bevor man das Buch aus der Hand legt.
Dr. Norman Wilfred, ein berühmter Wissenschaftler, reist auf die kleine griechische Insel Skios, um dort bei der Fred-Toppler-Stiftung (die die zivilisierten Werte fördert, was immer die auch sein mögen) einen Vortrag zu halten - der Höhepunkt der jährlichen Hausparty. Gleichzeitig erreicht auch Oliver Fox die Insel, ein charmanter Hochstapler, der nichts anderes macht, als der zu sein, den sich andere wünschen. Dies führt zwangsläufig zu diversen Ärgernissen, wenn sich offenbart, dass er doch nur - Oliver Fox ist. Auf Skios ist er nun Dr. Norman Wilfred und wird freudig von Nikki, der rechten Hand der Vorsitzenden der Fred-Toppler-Stiftung, in Empfang genommen, ebenso wie von allen anderen Gästen. Währenddessen landet der echte Dr. Norman Wilfred in der Pampa, wenngleich in äußerst luxeriöser Umgebung.
Wie sich nun ein Missverständnis ans andere reiht, Koffer vertauscht werden und wieder zurück vertauscht, Männer in fremden Schlafzimmern landen und Frauen Nächte im Bad verbringen, drei Frauen hinter einem Mann her sind und hinter einem anderen keine einzige, ist einfach ein köstlicher Spaß. Zudem wirft der Autor einen äußerst genauen wie auch ironischen Blick auf die vermutlich(?) typischen Anwesenden einer solchen Veranstaltung - High Society, der es ums Sehen und Gesehenwerden geht, während gleichzeitig legale, halblegale und illegale Geschäfte getätigt werden. Der Einzige, der tatsächlich versteht, worum es bei dem Vortrag gehen soll, wird schlicht mundtot gemacht und eher als Spielverderber betrachtet.
Eine wirklich schöne Lektüre, die einem einige äußerst vergnügliche Stunden bereitet.

Fools Crow.
500 Seiten

James Welch schildert auf knapp 480 Seiten ca. zwei Jahre im Leben des Fools Crow. Aufgewachsen als White Man's Dog, Angehöriger der Stammesgruppe der Lone Eaters vom Stamme der Pikuni, entwickelt er sich in dieser Zeit vom ängstlichen und schüchternen Jungen zu einem allseits anerkannten und respektierten Krieger und Mitglied seiner Stammesgruppe. Der Autor, selbst ein Blackfeet, zu denen auch die Pikuni gehören, erzählt ganz aus der Sicht sowie in der Sprache der Indianer. Dies macht das Buch zu Beginn etwas schwierig zu lesen, da man immer wieder zum (recht guten) Anhang wechseln muss, wenn man die indianischen Ausdrücke verstehen möchte.
Man wird in eine gänzlich andere Welt hineingezogen, eine Welt in der Mensch und Natur in völliger Übereinstimmung leben, was sich gerade auch durch die Sprache vermittelt. Selbst die Riten (z.B. die verschiedenen Tänze, Zeremonien), die Visionen (z.B. Treffen und Gespräche mit Totemtieren), Dinge, die in unserer Welt häufig als Aberglaube abgetan werden, scheinen hier wie selbstverständlich dazuzugehören. Dennoch wird keine Traumwelt dargeboten. Nüchtern, manchmal brutal und (vermutlich) authentisch wird der Alltag dieser Menschen beschrieben: die Jagd auf Büffel, Raubzüge gegen andere Stämme, die Abkehr mancher Jungen von den Stammessitten und nicht zuletzt der Kampf gegen die Napikwan - die Weissen. Und die Erkenntnis, dass die Pikunis keine Chance haben.
Dennoch ist es kein trostloses Buch: Trotz aller Niederlagen glauben die Pikuni weiter daran, dass wieder bessere Zeiten kommen.

Warum ich Terrorist geworden bin
56 Seiten

In einem satirischen Essay, der erstmalig 1986 erschien, nimmt Joseph von Westphalen speziell die politische Führung ins Visier. Mehr als 25 Jahre alt, lässt sich sein Text dennoch 1:1 auf heutige Verhältnisse übertragen. Die Unzufriedenheit des Volkes mit dem kriminellen Gebaren der Herrschenden sowie von Westphalens eigene Wut über die kriegslüsternen Frauen und Männer an den Spitzen aller Staaten bringt ihn zum Äußersten: Er wird zum Terroristen. Doch da er Gewalt entschieden ablehnt, macht er einen Vorschlag, der durchaus reizvoll klingt ;-)
Viele der in diesem kleinen Minibüchlein mit gerade mal 56 Seiten vorkommenden Personen dürften Menschen unter 30 Jahren kaum noch etwas sagen. Doch die genannten Namen lassen sich mühelos durch die aktueller Persönlichkeiten ersetzen, ohne dass der Essay dadurch etwas von seiner Aussagekraft verlieren würde. Und tauscht man den Militarismus durch Kapitalismus aus, könnte der Text problemlos hochaktuell erneut erscheinen.
Ein wunderbares Stück Satire - und völlig zeitlos!

Die niedrigen Himmel
489 Seiten

Tschetschenien, die Zeit des zweiten Krieges. Marra erzählt die Geschichte der kleinen Hawah, einem achtjährigen Mädchen das aus seinem Versteck miterleben muss, wie sein Vater verschleppt und ihr Haus niedergebrannt wird. Achmed, ein Freund und Nachbar kümmert sich um sie und versucht sie im nächstgelegenen Krankenhaus unterzubringen, wo Sonja, eine im Ausland erfolgreiche Chirurgin und Deshi, eine Krankenschwester im Rentenalter, als Einzige den Betrieb aufrechterhalten. Nur mit Widerwillen nimmt Sonja Hawah auf und auch nur, wenn Achmed im Krankenhaus mithilft. Die nun folgenden fünf Tage stellen so etwas wie den roten Faden des Buches dar: wie Achmed in die Arbeit im Krankenhaus integriert wird, wo Hilfsmittel beschafft werden usw. Dennoch bildet dieser 'Faden' nur den Rahmen, aus dem die eigentlichen Geschichten hervorbrechen mit Rückblicken in die jüngste und längst vergangene Vorzeit sowie Ausblicken in die ferne und nahe Zukunft. Weshalb Sonja Ärztin wurde und trotz erfolgversprechender Aussichten im Ausland in ihre Heimat zurückkehrte. Wieso Achmed unter den schlechtesten 10% der Absolventen seines Jahrgangs war und was ihn mit Hawah verbindet. Warum Dokka, Hawahs Vater keine Finger mehr hat. Doch nicht nur die Hauptfiguren bekommen ihre Geschichte. Jede Person, auch wenn sie nur kurz erwähnt wird, erhält ein Leben im gestern, heute und morgen und so ist dieses Buch prall gefüllt mit Einzelschicksalen, die alle durch diese Kriege geprägt wurden.
Dies mag für Manche/n zuviel des Guten sein, aber ich empfand dies als eine unglaublich eindringliche Art, die Grausamkeit eines Krieges vor Augen zu führen. Nicht nur eine Familie ist betroffen, nein, jede und jeder der einem über den Weg läuft, hat darunter zu leiden. Viele sterben, werden verwundet, auseinandergerissene Familien, zerstörte Existenzen - so viele Menschen, so viele Schicksale. Dazu Marras Sprache, ungeheuer bildhaft, poetisch und aussagekräftig: '...und man kann in der Erinnerung baden, versinken und ertrinken, aber halten können die Finger sie nicht.' Oder 'Eine Arbeit erhält nicht automatisch Sinn, bloß weil man sein Leben auf sie verwendet.' Dennoch werden die Menschen vergleichsweise nüchtern beschrieben, was mich jedoch nicht störte. Denn man erfährt so viele Details über sie, dass meine Phantasie sie ausreichend mit Emotionen versorgen konnte ;-)
Das einzige Manko (sofern es überhaupt eines ist): Das Buch spielt in Tschetschenien, was jedoch durch die ungewöhnliche Detailgenauigkeit der vielen Leben nicht so im Vordergrund steht. Vermutlich hätte die Geschichte ebenso gut in Ruanda, Bosnien, Syrien oder anderen Kriegsgebieten angesiedelt sein können (mit entsprechenden Anpassungen) - die Quintessenz würde die gleiche bleiben. Nichts ist grausamer als Krieg und das Einzige, was einem die Kraft gibt, diesen zu überstehen, ist die Liebe.