Oft nennt man "1984" und ebendieses Werk in einem Atemzug und ich frage mich, warum das geschieht. Es ist eher ein Armutszeugnis, das die Autoren bestätigt, denn nur oberflächlich haben sie etwas gemein; in sich unterscheiden sie sich sehr.
In diesem Werk finden sich viele Dinge, die in mir (der Dostojewski ("Lieber erhabenes Leid als leichtes Glück) et al. schätzt) das absolute Grauen auslösen. Masse statt Klasse; der letzte Mensch nach Nietzsche (der Erdenfloh, der alles niedertrampelt; nicht subtil in der Exilszene John Savages zu sehen); Hedonismus (und damit Nihilismus, den man entmanteln muss und der sich in aller Grausamkeit offenbart), der nach nichts strebt; alle sind auf Drogen ("Soma"). Und dies alles vor der Konditionierung, die die "Zivilisierten" von der Wiege ab erhalten. Die Figur des Controllers fand ich seltsam, dem "Warum schießt Meursault und warum schießt er dann noch ein paar mal" ähnlich. Ein intelligenter Mann, der alles durchblickt und vor die Wahl gestellt wird, zu den frei denkenden Menschen zu kommen oder in dem zu verachtenden System Karriere zu machen und er wählt Zweiteres? Da kann man lange überlegen, warum er das so machte.
Wenn man dieses Buch gelesen hat, dann kann man nicht mehr "Imagine" hören.
Ich habe das Buch über Cassirer, Heidegger, Wittgenstein und Benjamin sehr gemocht und war freudig überrascht, als ich bei Denis Schecks literarischem Quartett gesehen habe, dass Eilenberger ein neues Buch geschrieben hat. Dieses Mal über vier PhilosophINNEN (ohne Genderpause). Diese waren Ayn Rand, Hannah Arendt, Simone Weil und Simone de Beauvoir. Das Jahrzehnt war 1933-1943. Man ahnt, dass das Denken der Damen durchaus von Hitler und dem Zweiten Weltkrieg geprägt war (bis auf vielleicht Ayn Rand).
Simone de Beauvoir: Sie war mir schon zuvor bekannt, unter anderem vom ebenfalls sehr guten Buch "Cafe der Existenzialisten". Es war aber erfrischend zu sehen, wie sie ihre Gedanken im Lauf der Jahre entwickelte und wie wichtig die Emanzipation von Sartre war. Hannah Arendt: Ich fand es interessant, wie sehr sie T. Wiesengrund Adorno nicht mochte und wie allein sie gegen die zionistischen Juden stand, sie wollte nämlich keinen jüdischen Nationalstaat auf palästinensischem Gebiet, bei dem die Mehrheitsbevölkerung der Araber nur Minderheitenrechte bekommen sollte und auf die Hilfe externer Länder angewiesen sein muss, weil die arabischen Länder darum herum aufkommen antisemitisch wurden und sicherlich not amused sein würden; vielmehr schlug sie eine Art Föderalismus vor i.S.v. den Vereinigten Staaten, in denen sie auch zunehmend isoliert wurde. Im Prinzip wird sie auch heute, trotz ihrer wichtigen antitotalitaristischen Forschung von der akademischen Philosophie übergangen. Schade. Ayn Rand: kannte ich bisher nur als "Rechsradikale, die aber auch den Libertarismus irgendwie gemacht hat, was an sich minimal widersprüchlich ist". Es war interessant, wie sehr ihre Philosophie die des Egos ist. Ich hätte gerne eine Analyse von "Coriolan" von ihr gelesen. Tatsächlich steht sie mit ihrem Schaffen mMn in der Tradition von Nietzsche, ihr Romanheld hat viel von Zarathustra und dem Gedankengut des "Übermenschen" (nicht so, wie die Nazis ihn definierten, sie wären laut Nietzsche der letzte Mensch gewesen, der Erdenfloh). Sehr spannend war die Info, dass einer ihrer "Schüler" Alan Greenspan war, der fast 20 Jahre Chef der amerikanischen Notenbank war. Ziemlich neutral also und gar nicht "Don't tread on me". Heutzutage ist Rand aktueller denn je, nach der Bibel ist ihr Werk das meistgekaufte in den Staaten und die Tea Party Bewegung hat nach der Wirtschaftskrise neuen Schwung bekommen. Simone Weil: war mir völlig unbekannt. Sie hat kein wirkliches Corpus an Ideen, sondern war Situationsphilosophin. Ich möchte mich trotz dessen, dass sie tw "esoterisch" drauf war, bzw viel mit Buddhismus verknüpfte und recht viel Theologie machte, näher mit ihr beschäftigen. Vor allem, weil Albert Camus den Hinterbliebenen in einem Brief schrieb, dass sie die Philosophin, die einzige, des 20. Jahrhunderts sei und er nur seinen winzigen Teil leisten könne, sie bei Gallimard zu verlegen. Wenn der King das sagt, dann muss dem Folge geleistet werden. Ich meine, das Buch endet auch mit dem Appell, dass es gelte, ihr Werk zu entdecken.