Spitzenbuch. Die geschichte Zweier Halbbrüder die nichts von Ihrem Vater wissen und geerbt haben als ihre Hautfarbe. Die erzähltechnik, erst das halbe Leben des einen Bruders zu erzählen ohne den anderen ein einziges mal zu erwähnen passt perfekt. Man kriegt genau die Lebensperspektive, die dieser Bruder gehabt haben muss. Dann steigt man mittenin das komplett andere Leben des anderen Bruders ein um die beiden erst kurz vor Schluss als man es kaum noch für möglich hält zusammen zu führen. Die Autorin ist nicht nur mit einer großartigen Beobachtungsgabe gesegnet, sondern hat auch unter Beweis gestellt, dass sie ein genauso großes Talent für das Erzählen hat. Danke Frau Thomae
Hat sehr stark angefangen mit originellen Beschreibungen Wiens in der damaligen Zeit und den ausgefallensten Berufen, die wohl alle mal einen Sinn hatten. Gegen Ende fühlt es sich allerdings ein bisschen so an, als müsste das Leben Joseph Hammers einfach nur noch zu Ende erzählt werden.
Dieses kleine aber feine Büchlein versammelt, wie der Titel schon verrät drei Geschichten: "Der Zwang zur Tiefe": großartig und mit Sog: Was macht Kritik mit einem Künstler und ist sie überhaupt gerechtfertigt. (Selbstreflektierterweise sollte ich nach der Lektüre hier keinen Eintrag darüber verfassen) "Ein Kampf": Im Prinzip nur die Schilderung eines ordinären Schachspiels im Stadtpark zwischen einem Fremden und dem Lokalmeister. Aber so gut beobachtet, so zum mitdenken geschrieben, dass es eine Freude ist. "Das Vermächtnis des Maitre Mussard": hat mir am wenigsten gefallen, obwohl das Thema eigentlich brandaktuell ist: Ein Mann, normaler Lebensweg, nicht ungebildtet, meint eines Tages zu entdecken, dass die Welt an akuter vermuschelung leidet, die alles und jeden zu Steinernen Muscheln werden lässt. (Eigentlich hat er nur ein Fossil entdeckt) Er versteift sich geistig immer mehr auf seine Verschwörungstheorie der Versteifung der Welt und stirbt endlich an einer mysteriösen Krankheit, die genau in sein Weltbild passt.
Den Schluss bildet die fantastische Kurzgeschichte: "Amnesie in litteris" Der Titel ist Programm. Relatable, unbedingt lesen
Freche und unterhaltsame Lektüre, kurzweilig, bleibt aber auch nur kurz im Gedächtnis.
Der Tag hat kommen müssen an dem ein Schuss aus der Nothombschen Erzählungskanone kein Treffer wird. Ihren Sprachstil hat sie natürlich beibehalten doch inhaltlich unterschied sich es sich diesmal nur knapp von einer Dokusoap. Sie ist schön und lebt ihre Freiheit aus, der Neid der anderen macht sie an. Sie wird mit 19 schwanger und kann dem Kind keine Liebe geben, es hat ihr die Freiheit geraubt und vor allem wandern die Blicke nicht mehr wie früher zu ihrem Dekolleté sondern weiter bis in den Kinderwagen wo das neue Gaffobjekt schlummert. Es kommt ein zweites Kind und ein drittes, die Liebe der Mutter zu den Nachfolgern nimmt immer mehr zu und die Erstgeborene versteht die Welt nicht mehr. Mit ihrem Leben geht es weiter, sie wird hier und da enttäuscht, betrogen und hintergangen und wie das ganze ausging habe ich, wo doch sonst starke Enden eine zutiefst nothombsche Eigenschaft sind, schon vergessen.
Ein Aufruf gegen Newskonsum. Im Vorwort schreibt er, dass ein Leser, der sowieso keine "News" (gemeint sind alle Nachrichten die nur Tagesaktuell sind und eine gewisse Tiefe missen lassen) konsumiert das Buch eigentlich wieder zuklappen kann. Eigentlich wäre das in letzter Zeit auf mich zutreffend gewesen, doch ich folgte bisher eher einem Gefühl, nicht dem was Dobelli hier liefert. Nämlich 35 Argumente soziologischer, psychologischer oder ganz pragmatischer Natur gegen News. Mit diesem neuen Fundament ausgestattet habe ich tatsächlich -vorerst- meine Abstinenz in den radikalen Bereich Verschoben. Liebe Heute Show, liebe Zeit, ich vermisse euch schon jetzt.
Eigenartige Geschichte. Ein muslimischer Mann aus Istanbul hat eines Nachts die Eingebung, der Letzte Prophet zu sein. Wie es sich gehört versucht er dann, seine Botschaft zu verbreiten, gibt sein normales Leben auf und irrt durch die Straßen, verwahrlost langsam, weil er sich nur noch um seine Prophezeiung bemüht. Im Jahre 2019 klappt das natürlich nicht so ganz. Niemand nimmt ihn ernst, er wird gefilmt und die Storys vom neuen Irren aus Istanbul verbreiten sich schnell im Netz, sehr zu seinem Leidwesen. Es geht also um den Umgang moderner Gesellschaften mit Andersartigkeit, aber auch um Religion (es fließen unglaublich viele Gleichnisse und Metaphern aus den drei abrahamitischen Religionen ein) Bin mir nur nicht ganz sicher ob das Buch Prophetie jetzt gut oder schlecht findet..