Die Tränen des Propheten
200 Seiten

Eigenartige Geschichte. Ein muslimischer Mann aus Istanbul hat eines Nachts die Eingebung, der Letzte Prophet zu sein. Wie es sich gehört versucht er dann, seine Botschaft zu verbreiten, gibt sein normales Leben auf und irrt durch die Straßen, verwahrlost langsam, weil er sich nur noch um seine Prophezeiung bemüht. Im Jahre 2019 klappt das natürlich nicht so ganz. Niemand nimmt ihn ernst, er wird gefilmt und die Storys vom neuen Irren aus Istanbul verbreiten sich schnell im Netz, sehr zu seinem Leidwesen. Es geht also um den Umgang moderner Gesellschaften mit Andersartigkeit, aber auch um Religion (es fließen unglaublich viele Gleichnisse und Metaphern aus den drei abrahamitischen Religionen ein) Bin mir nur nicht ganz sicher ob das Buch Prophetie jetzt gut oder schlecht findet..

Brüder
416 Seiten

Spitzenbuch. Die geschichte Zweier Halbbrüder die nichts von Ihrem Vater wissen und geerbt haben als ihre Hautfarbe. Die erzähltechnik, erst das halbe Leben des einen Bruders zu erzählen ohne den anderen ein einziges mal zu erwähnen passt perfekt. Man kriegt genau die Lebensperspektive, die dieser Bruder gehabt haben muss. Dann steigt man mittenin das komplett andere Leben des anderen Bruders ein um die beiden erst kurz vor Schluss als man es kaum noch für möglich hält zusammen zu führen. Die Autorin ist nicht nur mit einer großartigen Beobachtungsgabe gesegnet, sondern hat auch unter Beweis gestellt, dass sie ein genauso großes Talent für das Erzählen hat. Danke Frau Thomae

Der Hammer
448 Seiten

Hat sehr stark angefangen mit originellen Beschreibungen Wiens in der damaligen Zeit und den ausgefallensten Berufen, die wohl alle mal einen Sinn hatten. Gegen Ende fühlt es sich allerdings ein bisschen so an, als müsste das Leben Joseph Hammers einfach nur noch zu Ende erzählt werden.

Drei Geschichten
82 Seiten

Dieses kleine aber feine Büchlein versammelt, wie der Titel schon verrät drei Geschichten: "Der Zwang zur Tiefe": großartig und mit Sog: Was macht Kritik mit einem Künstler und ist sie überhaupt gerechtfertigt. (Selbstreflektierterweise sollte ich nach der Lektüre hier keinen Eintrag darüber verfassen) "Ein Kampf": Im Prinzip nur die Schilderung eines ordinären Schachspiels im Stadtpark zwischen einem Fremden und dem Lokalmeister. Aber so gut beobachtet, so zum mitdenken geschrieben, dass es eine Freude ist. "Das Vermächtnis des Maitre Mussard": hat mir am wenigsten gefallen, obwohl das Thema eigentlich brandaktuell ist: Ein Mann, normaler Lebensweg, nicht ungebildtet, meint eines Tages zu entdecken, dass die Welt an akuter vermuschelung leidet, die alles und jeden zu Steinernen Muscheln werden lässt. (Eigentlich hat er nur ein Fossil entdeckt) Er versteift sich geistig immer mehr auf seine Verschwörungstheorie der Versteifung der Welt und stirbt endlich an einer mysteriösen Krankheit, die genau in sein Weltbild passt.

Den Schluss bildet die fantastische Kurzgeschichte: "Amnesie in litteris" Der Titel ist Programm. Relatable, unbedingt lesen