Als das Telefon klingelte, ging ein Ruck durch Lise wie durch einen Zug, der sich holprig und unrhythmisch wieder in Bewegung setzt, nachdem er ein wenig zu lange am Bahnhof gehalten hat. Sie hatte schon immer zu lange in allen möglichen Zuständen verharrt, selbst in den unglücklichsten. (S.89)
Und dann tat es ihr doch weh, seine Freude zu sehen, das Leben tat weh, es war unnormal zu leben, schliesslich waren die meisten Menschen tot - und, mein Schatz, dachte sie, ich bin so müde, wie schön wir es heute Abend hatten, nicht wahr? [...] Man möchte einen Menschen kennenlernen, der anders ist als alle anderen, und wenn man diese Erwartung in sich trägt, wird sie vom Erstbesten erfüllt. Denn der Gegenstand der Liebe ist vollkommen gleichgültig, man stülpt ihm die Eigenschaften über, die man braucht, und ein seltenes Mal fügt er sich auch in sie ein und tut genau dasselbe; sieht etwas in einem, was man nicht ist - und näher als das, mein Junge, können wir der Liebe nicht kommen. (S.161)
Der Grossvater deiner Mutter erhängte sich im Gefängnis. Ihre Mutter, deine Grossmutter, war damals vier Jahre alt und erinnerte sich noch an den Tag, als die blauen Gendarmen kamen und ihn abholten. Ich hätte ihn gern kennengelernt, ganz gleich, was für ein ungeheures Verbrechen er auch begangen haben mochte. Denn so wie ich trug er den Tod in seinem Herzen, und so wie ich hatte er den Zeitpunkt zuvor bestimmt. Es sollte der Tag sein, an dem er seine Freiheit verlor. Genau wie mir jetzt keine andere Freiheit mehr bleibt als die Freiheit zu sterben, wann immer es mir passt. Und das ist schön. Man verliert das Recht zu sterben nicht, weil man Mutter ist. (S.162)
Der letzte Roman, den Tove Ditlevsen schrieb. Darin erzählt sie besonders von ihrer letzten (gescheiterten) Beziehung (ihr Mann verlässt sie für eine jüngere Frau), aber auch von der Wahrnehmung ihrer Person in der Öffentlichkeit sowie von ihrem Ziel des Suizids.
Ein äusserst bedrückendes Buch, oft wirr und literarisch anspruchsvoll. Ditlevsen wechselt regelmässig von der dritten Person in die Ich-Erzählung, wenn sie von Lise schreibt. Das verwirrte mich zu Beginn sehr, ermöglicht aber einen interessanten Perspektivenwechsel auf die Figur. Auch brauchte ich einen Moment, um alle Figuren zu verstehen (wer ist wer?). Schonungslos gibt Ditlevsen auch in diesem Buch Einblick in ihr schwieriges Leben, mir ging das alles sehr nahe, es ist keine leichte Kost. Literarisch wie immer sehr stark!
Der letzte Roman, den Tove Ditlevsen schrieb. Darin erzählt sie besonders von ihrer letzten (gescheiterten) Beziehung (ihr Mann verlässt sie für eine jüngere Frau), aber auch von der Wahrnehmung ihrer Person in der Öffentlichkeit sowie von ihrem Ziel des Suizids.
Ein äusserst bedrückendes Buch, oft wirr und literarisch anspruchsvoll. Ditlevsen wechselt regelmässig von der dritten Person in die Ich-Erzählung, wenn sie von Lise schreibt. Das verwirrte mich zu Beginn sehr, ermöglicht aber einen interessanten Perspektivenwechsel auf die Figur. Auch brauchte ich einen Moment, um alle Figuren zu verstehen (wer ist wer?). Schonungslos gibt Ditlevsen auch in diesem Buch Einblick in ihr schwieriges Leben, mir ging das alles sehr nahe, es ist keine leichte Kost. Literarisch wie immer sehr stark!