Im Meer waren wir nie
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Als kleines Kind habe ich mir oft vorgestellt, wie es sein würde, gross zu sein, erwachsen, alt. Ich dachte, es würde sich mehr verändern. Dabei werden wir nur etws grösser und sind nicht mehr so laut, einsamer sind wir, weil die Mutter fehlt, die einen in den Arm nahm, wenn etwas war, und auch, wenn nichts war. (S.9-10)

Am Käsestand drängelt sich eine Frau vor, wir waren zuerst da, sage ich, sie ignoriert meine Worte und bestellt schon mal. Das ist sehr unfreundlich, sage ich. Ich wusste nicht, dass Sie anstehen, Sie haben die ganze Zeit geredet, sagt sie. Eric sagt, können Sie sich bitte wieder von uns wegdrehen, denn wir sprechen nicht mit Arschlöchern. Die Frau ist entsetzt und dreht sich weg. Das sagst du doch immer, sagt Eric, jetzt war die Gelegenheit, es anzuwenden. (S.145)

Die Ich-Erzählerin kümmert sich um Lili, die im Altersheim lebt. Sie hilft ihr im Alltag mit Dingen, um die sich das Pflegepersonal nicht kümmern kann. Lili ist die Grossmutter von Sophie, die beste Freundin der Ich-Erzählerin. Sie wohnt mit Sophie und ihrem Sohn Eric im selben Haus. Sie zieht Eric gemeinsam mit Sophie auf. Die Ich-Erzählerin hat eine Stelle gefunden in einer anderen Stadt, aber sie getraut sich nicht, Sophie und Eric davon zu erzählen. Sie hat Angst davor, die beiden im Stich zu lassen.

Meral Kureyshi schreibt in kleinen und feinen Beobachtungen, der (scheinbar autofiktive) Roman ist ein Patchwork aus Beobachtungen und Gedanken, von Anfang bis Ende mit einer Melancholie unterlegt, trotzdem immer auch wieder lustig. Es geht um Fürsorge, Freundschaft, ums Abschiednehmen. Eine schöne Sprache, oft poetisch. Das Buch war auf der Shortlist für den CH-Buchpreis 2025.

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