Auf dem Klappentext steht "Wenn Albert Camus heute leben würde, würde er vielleicht Bücher wie Peter Stamm schreiben". Vom Stil her definitiv, ja. Das Ruhige und Klare, welches ich auch vor "Agnes" mochte (die Besprechung und Interpretation in der Oberstufe machte mir jenes Buch aber zuwider), ist auf alle Fälle eine Stärke von Stamm. Vom Inhalt her weicht er auch nicht sonderlich weit von Camus ab; es fehlt aber klar die philosophische Seite und es schwingt mehr surreales mit. Das ist aber kein Abstrich, sondern wirkt harmonisch. Ich schließe mich deshalb Marcel Reich-Ranicki an, der meinte, dass dieses Büchlein eines der Wichtigen und Schönen sei.
"Erst als ich nach dem Abitur das Dorf verlassen hatte und in die Stadt gezogen war, hatte ich gelernt, wie weit die Welt war und wie unsicher. Vielleicht hatte ich deshalb zu schreiben begonnen, um die Landschaft, die Sicherheit meiner Kindheit wiederzugewinnen, aus der ich mich selbst vertrieben hatte." (S.19)
"Ich habe keine Angst vor Ihnen, sagte sie. Erst will ich das Ende der Geschichte hören. Das Ende der Geschichte kann ich Ihnen nicht erzählen, sagte ich, ein Ende haben Geschichten nur in Büchern. Aber ich kann Ihnen erzählen, was weiter geschah." (S.38)
"Aber trotz der Fotos und der Plüschtiere wirkten die Räume unbelebt, als seien sie seit Monaten von keinem Menschen betreten worden. Vielleicht fühlte ich mich gerade deshalb wohl darin, auch mein Leben war ein leerer Raum, in dem nur die Schatten an den Wänden verrieten, dass er einmal bewohnt gewesen war." (S. 106)
Christoph begegnet der jungen Lena und erzählt ihr die Geschichte von seiner Liebe zu einer Magdalena, die 16 Jahre her ist. Er erzählt von Magdalena, die Lena sehr gleicht, Lena ist. Er erzählt von Lenas Leben. Wirklichkeit und Fantasie scheinen sich zu vermischen. Kann das Schicksal manipuliert werden?
Ich mag Stamms ruhige, feine Schreibweise. Über alle Seiten hinweg schwebt eine sanfte Melancholie.