Leonore und ihre Töchter
464 Seiten

Dora ist am Boden zerstört, als sie erfährt, dass ihr Mann Gustave sie betrügt. Ihre Tochter Nanette hingegen ist frisch verliebt und kann sich trotzdem nicht so sicher sein, ob sie sich den Richtigen ausgesucht hat. Ihre Großmutter Mathilde erzählt ihr schließlich, dass seit Generationen ein Fluch auf der Familie lastet und dass seitdem niemand Glück in der Liebe und im Leben hatte..

Die Form dieses Romans war für mich eine ganz neue und aufregende Form. Zu Beginn befinden wir uns mit Dora im Paris von 1900. Dort findet gerade die Weltausstellung statt, an deren Planung Doras Mann Gustave einen großen Anteil hatte. Um der Geschichte des Fluchs auf die Schliche zu kommen, reisen wir zunächst Schritt für Schritt in die Vergangenheit zurück, über die Jugendjahre von Mathilde (Doras Mutter) bis hin zu Anton und Leonore (Doras Großeltern) in Kindertagen im Jahre 1813. Von dort an geht es langsam über Leonore und Mathilde zurück in die Gegenwart zu Dora und ihrer Tochter. Dabei entfaltet sich das Leben dieser Generationen und der vielen Menschen darin auf eine ganz wunderbare Art und Weise. Manchmal weiß man schon etwas von den Personen, die einem begegnen, aus früheren Kapiteln, die aber zu einem späteren Zeitpunkt spielten. Manchmal erklären sich Verhaltensweisen der erwachsenen Personen in den Kapiteln, die in ihrer Kindheit handeln. Genau dieses Nicht-Chronologische ist es, das mir an der Geschichte am meisten gefallen hat. Auch dieser mysteriöse Fluch zeigt sich an vielen Stellen, doch er muss nach und nach zusammengesetzt werden und ich habe bis zum Ende noch hin und her gerätselt, um das Puzzle zusammenzusetzen.

Gina Mayers Schreibstil ist von der ersten bis zur letzten Seite bezaubernd. “rütten & loening berührt” steht auf der hinteren Klappe des Buches; und nicht nur der Verlag, sondern natürlich besonders Gina Mayer berührt mit ihrer Geschichte. Die Atmosphäre in so vielen verschiedenen Orten und Zeiten, die wir hier kennenlernen, ist immer greifbar und mitreißend beschrieben; die Charaktere handeln und denken nachvollziehbar, sodass ich mit ihnen leiden, freuen, fühlen, wütend sein konnte. Von diesen Charakteren gibt es übrigens eine ganze Menge, doch dadurch, dass wir ihnen auf dem Zeitstrahl immer wieder begegnen, bleiben sie gut im Gedächtnis hängen. So wie auch dieses Buch insgesamt gerne lange in meinem Kopf verweilen darf.

Aquarius
407 Seiten

Rund um das Fischerdörfchen Egirholm geschehen seltsame Todesfälle: Weitab vom Meer ertrinken Menschen auf unerklärliche Weise. Der Berufstaucher Jens Ahrens, der von alldem noch nichts ahnt, befindet sich gerade auf einer Bergungstour, als eine Seemine in seiner Nähe explodiert. Als er später wider Erwarten lebendig an einem einsamen Strand aufwacht und eine unbekannte Frau auf ihn zulaufen sieht, erhofft er schon seine Rettung - und wird kurzerhand mit einer Schaufel von ihr niedergeschlagen. Nach und nach werden immer weitere scheinbar unglaubliche Dinge aufgedeckt…

Die erste Lektion, die ich hier in Sachen Thriller und im besonderen in Sachen Aquarius lernen musste: Es hängt alles miteinander zusammen und man kann niemals vorher ahnen, auf welche Weise. Dieses Buch ist unglaublich spannend, an jeder Ecke lauert eine neue Wendung und wenn man zwischendurch glaubt, dass man etwas herausgefunden hat, kommt die nächste Verwirrung um die Ecke. Hinzu kommen außerdem zahlreiche brenzlige Situationen, action-reiche Handlungen und eine geschickte Verflechtung mit Mystik, die die Geschichte noch mal spannender machen.

Unser Protagonist Jens Ahrens ist sehr sympathisch, mutig und handelt in vielen Fällen sehr gewitzt. Viele Situationen, vor denen die meisten gezittert hätten, meistert er gut überlegt, und erscheint dabei nie wie der fehlerlose und langweilige Held; im Gegenteil bleibt er glaubwürdig. Auch die anderen Personen in dieser Geschichte sind allesamt sehr interessant, besonders dadurch, dass wir uns bis zum Ende hin quasi nicht sicher sein können, ob denn bisher jeder ehrlich war…

Ein durch und durch spannender Mystery-Thriller, den ich jedem ans Herz legen möchte, der auf geschickt verknüpfte Ideen steht, gern miträtselt und dabei eventuell oft genug nicht auf die richtige Lösung kommt.

Winterfeldtstraße, 2. Stock
416 Seiten

Die 20er Jahre in Berlin. Man bezahlt Brot mit Millionenbeträgen und nächste Woche braucht man schon eine Milliarde. Charlotte lebt mittendrin, verkauft, was sich verkaufen lässt, um sich, ihren Mann Albert und ihr ungeborenes Kind durchzufüttern. Doch plötzlich stirbt Albert und Charlotte ist komplett allein mit ihrer Trauer. Ihr verschlagener Bruder Gustav kommt jedoch mit einer ganz besonderen Idee um die Ecke: Die leere, große Wohnung, die doch jetzt nur noch von ihr allein bewohnt wird, könnte man doch zimmerweise vermieten und sich durch die Miete den Lebensunterhalt sichern. Und so ist die Wohnung bald mit den unterschiedlichsten Persönlichkeiten gefüllt: Der Kleinkriminelle Gustav und sein Kumpel, der Lange, die lesbische Power-Frau Claire und Theo, den keiner so richtig durchschauen kann. Sie alle müssen sich jetzt miteinander arrangieren…

Was diese Geschichte am meisten auszeichnet, das ist ihre Atmosphäre, die Stimmung, das Zwischenmenschliche und die Einzelschicksale, die sich immer mehr vermischen. Der Schreibstil von Johanna Friedrich trägt das seine dazu bei, da er unglaublich einfühlsam und emotional ist, an vielen Stellen auch poetisch, und zwischen den Zeilen gibt es immer allerhand zu lesen. Man bekommt hier also nicht jedes Detail vorgesetzt, sondern hat im Gegenteil immer die Chance die Charaktere und ihre Handlungen selbst einzuschätzen und das hat mir beispielsweise sehr viel Spaß gemacht.

Die Atmosphäre in der nicht ganz so freiwilligen WG ist einfach himmlisch: viele Missverständnisse, teils witzig, teils tragisch, aber auch viel Harmonie und noch mehr gegenseitiger Halt in dieser wahnsinnigen und schwierigen Zeit. Da wird ein gegenseitigen Vorschwärmen der Lieblingsgerichte, die man sich momentan aber nicht leisten kann, zu einem ganz besonderen Moment und das kommt beim Leser auch immer so an.

Hier geht es allerdings nicht nur um das Leben in der WG, sondern auch um die Schicksale der Einzelnen. Charlottes Tochter Alice wird bald geboren, mit dem Geld klappt es mehr schlecht als recht, aber irgendwie klappt es. Doch trotz des Halts in der Wohnung, muss sich doch jeder selbst durchkämpfen, trifft Entscheidungen, möchte sich endlich seinen Traum erfüllen… Nach und nach fängt es doch immer mehr zu brodeln an und die Geschichte wird immer spannender, da sich die Charaktere weiterentwickeln, ob nun in eine bessere oder schlechtere Richtung. Dann treffen Nazis, Juden und Kommunisten aufeinander, Verzweiflung und Eifersucht, Geldsorgen und riskante Pläne, aber auch Liebe, ein zuckersüßes kleines Mädchen, beste Freundinnen und ein bisschen Glück.

Zu empfehlen für alle, die diese irrsinnige Zeit in Form dieser fabelhaften WG miterleben möchten!

Schwarze Tränen
541 Seiten

Lukas Faust ist ein junger Tunichtgut, der sich mit Zaubertricks und kleineren Gaunereien durchs Leben schlägt. Irgendwann landet er dabei in Doktor Fausts altem Hotelzimmer, ganz sonderbare Gestalten tauchen auf und er soll sein Erbe annehmen, was auch immer das bedeuten mag. Und dann taucht auch noch ein sprechender Pudel namens Mephisto auf. Die Namen kommen dir bekannt vor? Na klar, Faust von Goethe. Dies ist allerdings keinesfalls eine Nacherzählung des Dramas, sondern etwas viel, viel besseres.

Was mir beim Lesen immer wieder aufgefallen ist: Hier gibt es nichts, das es nicht gibt. Und im nächsten Kapitel kommt dann doch wieder etwas um die Ecke, mit dem man nie gerechnet hätte. Beim Lesen dieser Geschichte hatte ich so viel Spaß wie schon lange nicht mehr und das liegt zu einem großen Teil auch an dem Humor in diesem Buch. Besonders unser Pudel Mephisto hat immer derbe Sprüche auf Lager und Lukas scheint sowieso nur mit einer ordentlichen Prise Sarkasmus überleben zu können. Eine andere Sache, die mir hier sehr gefallen hat, war die Übertragung von Sagengeschichten auf die Geschehnisse in diesem Buch. Thomas Finn verknüpft hier viele Sagen aus unserer Welt mit seiner Geschichte und interpretiert sie neu; und das nicht nur auf sehr kreative Art und Weise, sondern auch mit ganz viel Spannung. Magie und das Übernatürliche spielen hier auch eine große Rolle und auch in diesem Bereich gibt es viele verschiedene neue Ideen zu entdecken.

Lukas ist ein sehr sympathischer Protagonist. Wie schon erwähnt begegnet er den neuen, unglaublichen und übernatürlichen Situationen, die plötzlich um ihn herum geschehen, mit ganz viel Sarkasmus. Und das hat er auch nötig, wenn er damit zurechtkommen will. Der kleine Pudel Mephisto mit seinem umso größeren Mundwerk bringt ihn und seine Gefährten natürlich immer wieder auf die Palme, als Leser ist das natürlich immer unglaublich witzig. Seine Gefährten sind zudem auch richtig interessante Charaktere. Abraham und Millepertia mit Namen, und beide haben ihre ganz eigene Art von Magie, die zu durchleuchten für mich auch ein kleines Highlight dieser Geschichte darstellte.

Durch die Vielfalt von Humor, Magie, neu interpretierten Sagen, ganz viel Action und Spannung darf ich dieses Buch gerne einfach allen empfehlen.

Das Vermächtnis von Granada
512 Seiten

Ein Hinweis vorweg: Dies ist der zweite Band einer Trilogie. Ich kenne Band 1 “Das kastilische Erbe” selbst noch nicht, sondern habe mitten in der Lektüre dieses Buches zufällig erfahren, dass es auch noch einen Vorgängerband gibt. Diese Geschichte kann man also gern auch alleinstehend lesen, ohne das Gefühl zu haben, dass etwas fehlt. Ich persönlich fand “Das Vermächtnis von Granada” so toll, dass ich Band 1 nun eben danach noch lese, um noch mehr über die Protagonisten zu erfahren.

“Das Vermächtnis von Granada” ist die Geschichte einer Zeitreise: Zunächst treffen wir Isaura, eine deutsche Journalistin, die sich mitten in der Scheidungsphase befindet. Sie ist eigentlich gerade auf Recherchereise für ihren Job, doch im Grunde sind es ihre verstorbene Tante Carmen und deren Haus, ihr neuer Freund Marco und dazu noch so einige unerklärliche Visionen, die sie in Spanien halten.
In einem anderen Handlungsstrang treffen wir auf Jimena, Hofdame bei Königin Isabel im 15. Jahrhundert. Jimena ist eine starke, eigenständige Frau, die ihre erste große Liebe leider schon verloren hat, doch nun am Hofe Isabels ein erfülltes Leben lebt. Mit ihr ist unter anderem ihre stumme Cousine Teresa, die sich auf eine ganz besondere Art mit ihr verständigen kann.

Diese beiden Zeiten sind an sich schon sehr interessant und liebevoll erzählt. Wenn sie sich dann immer mehr vermischen, wird es nur umso besser. Die Geschichte in der Gegenwart zeigt zunächst die Ängste einer Frau, die verlassen wurde, und nun vor einer lebensverändernden Entscheidung steht. Schon hier zeigen sich einige mystische Elemente, die mit reinem Menschenverstand nicht zu erklären sind. Ihr Spaß an der Recherche wird ganz schnell Ernst: Nun liest sie nicht nur, wie es am Hofe von Königin Isabel so vor sich ging, nun kann sie es auch selbst erleben. Der historische Anteil dieser Geschichte hat mir auch gefallen. Ulrike Schweikert ist es hier echt gut gelungen, historische Fakten mit persönlichen Schicksalen zu verknüpfen. Wir erobern und verteidigen hier also mit Königin Isabel ihr Reich und erleben gleichzeitig auch noch schöne Liebesgeschichten, persönliche Sorgen, Intrigen und eine kleine Portion Hexerei. Beide Zeiten werden auf eine interessante Weise miteinander verwoben, sodass es zwar auch unerklärliche Geschehnisse gibt (es handelt sich schließlich um eine Zeitreise), aber auch ganz viel logisch verknüpft wurde.

“Das Vermächtnis von Granada” ist eine Mischung aus zeitgenössischem und historischem Roman mit mystischen Elementen. Funktioniert gut und hat viel Spaß gemacht!