Feuerrot
512 Seiten

Inquisition, Hexenverbrennung, Aberglaube. Das sind Stichpunkte, die mir ohne jeden Kontext schon eine Gänsehaut bescheren. Verarbeitet in einer Geschichte, deren Charaktere mir mit jeder Seite näher und eindrücklicher erscheinen, sind diese Themen noch mal heftiger, emotional ziemlich aufwühlend und dabei unglaublich spannend. In "Feuerrot" erzählt Nina Blazon eine Episode aus dem Leben zweier junger Frauen: der Kaufmannstochter Elisabeth und ihrer Magd Madda. Die Leben der beiden könnten unterschiedlicher nicht sein, doch Inquisitoren und Aberglaube können Hexen an allen Ecken aufspüren.

Ende des 15. Jahrhunderts in Ravensburg: Missernten, Unwetter und persönliche Schicksalsschläge. Die Menschen wissen nicht, was sie aus all dem Unglück machen sollen, also treffen der gerade angereiste Inquisitor Kramer und seine Verbreitung von Aberglauben auf fruchtbaren Boden. In dieser Welt leben Elisabeth und Madda, junge Frauen, die sich keinerlei Verfehlungen leisten können, weil alles als Hexerei ausgelegt werden könnte; vor allem natürlich solche Dinge, die sie aktiv nicht mal beeinflussen können, beispielsweise das Interesse eines jungen Mannes. Diesen könnten sie ja auch verhext haben. Ein solches Interesse zeigt der junge Kaufmannssohn aus Italien, Lucio Malaspani, der im Elternhaus von Elisabeth sein Handwerk verbessern soll. Sowohl an Madda als auch an Elisabeth scheint er interessiert zu sein und Zurückweisungen möchte er nicht einfach so akzeptieren.

Nina Blazon erzählt diese Geschichte aus den Perspektiven von Elisabeth und Madda, den Kapiteln vorangestellt sind außerdem Zitate, die die damalige Gesellschaft und den Aberglauben sehr eindrücklich zeigen, beispielsweise durch die Abschnitte aus dem real existierenden "Hexenhammer — Malleus Maleficarum" des Inquisitors Heinrich Kramer. Aber nicht nur diese Ausschnitte, auch in der Geschichte selbst ist mir der Aberglaube gruselig nahe gekommen. Nach der Logik der Inquisition kann alles — also wirklich alles! — so ausgelegt werden, dass es garantiert das Werk von Hexen war, und mit den zufällig passenden Mitteln sowie Folter kann das dann natürlich auch nachgewiesen werden. Viel Lesezeit habe ich hier also damit verbracht, wütend mit dem Fuß aufzustampfen und „Das ist so unfair! Unfassbar!“ vor mich her zu murmeln. Dies wurde dadurch verstärkt, dass ich mich emotional so stark in die Geschichte hinein fühlen konnte. Das war teils anstrengend, hat sich allerdings gelohnt, denn es ist natürlich eine Wohltat, die Charaktere derart eindrücklich, einfühlsam und nah präsentiert zu bekommen, dass ich mich trotz der heftigen Umstände am liebsten zu ihnen geschlichen hätte, um ihnen beizustehen. "Feuerrot" ist allerdings nicht nur dank der erzeugten Emotionen so spannend, sondern auch durch die Geschichte. Erzählt wird natürlich von der Hexenverfolgung und deren Methoden, aber auch vom Zwischenmenschlichen. Madda und Elisabeth sind zwei junge Frauen, die langsam erkennen, was wirklich wichtig ist und welche Menschen in ihrem Leben sie am liebsten haben. Mit diesen zwei Personen aus unterschiedlichen Ständen zeigt Nina Blazon zudem ganz verschiedene Lebensweisen, zu denen auch die vielseitigsten Nebencharaktere gehören.

Mit "Feuerrot" hat Nina Blazon einen ganz besonderen historischen Jugendroman geschrieben. Ein Roman, so spannend und emotional, dass er mich in Gedanken ständig beschäftigt und begleitet hat, den ich am liebsten richtig schnell durchgelesen hätte, aber dennoch einige Male für ein paar Tage pausieren musste, damit ich mal zu Atem kommen konnte. Großartig.

Drachenblut – Das Erbe der Samurai
300 Seiten

Ein Abenteuer in Japan mit Drachen, viel Magie und noch mehr Geheimnissen. Genau so klingt der Urban Fantasy-Roman von Daniela Knor und das bietet er auch. Besonders das Setting in Japan hat mich an dieser Geschichte interessiert. Da ich gern Manga lese und das Land allgemein faszinierend finde, ziehen mich Geschichten, bei denen Japan eine Rolle spielt, immer wie magisch an. Auch wenn ich bereits viel darüber gelesen habe, finde ich oft ganz neue Aspekte in solchen Geschichten — so auch in "Drachenblut — Das Erbe der Samurai".

Takeru wurde in Japan geboren und ist auch dort aufgewachsen, bis seine Eltern gewaltsam umgekommen sind. Seitdem er sechs Jahre alt ist, lebt er mit seinen Adoptiveltern in Deutschland und ist jetzt ein ganz normaler Teenager: Schule, Hobbys, die erste Freundin. Er ist immer gern schwimmen gegangen, bis ihn plötzliche Krämpfe, die er nur im Wasser bekommen hat und die niemand so richtig erklären kann, daran hinderten. Jetzt hätte er Zeit endlich mal zu seinen Wurzeln in Japan zurückzukehren und all das wieder zu sehen, an das er sich nur vage erinnern kann. Eine spontane Reise nach Japan steht an, in der Hoffnung mehr über seine Familie herauszufinden. Und das wird er. Er wird sogar viel mehr entdecken, als er sich je hätte vorstellen können.

Man muss überhaupt nicht lange warten, um Japans Atmosphäre genießen zu können. Nur ein paar wenige Kapitel lesen — und schwupps, ist man schon da. Zu den kleinen Details aus Japans Kultur und dem Alltag dort, die immer wieder auftauchen, und dem ängstlichen Takeru, der doch äußerlich so offensichtlich Japaner ist, sich aber nicht wie einer verhält, gesellt sich außerdem ein tolles Gefühl der Freiheit. Takeru besucht Japan nämlich wirklich sehr spontan, als Backpacker quasi, ohne viel Planung, wann er wo hinreisen oder übernachten wird. Am Ende verbringt er viele Nächte in einem Hostel und lernt dabei jede Menge Menschen kennen, nicht nur Japaner, sondern auch andere Reisende aus der ganzen Welt. Diese Einblicke in die Urlaubserlebnisse anderer Menschen geben der Geschichte eine weitere, tolle Ebene. Nun aber zum eigentlichen Abenteuer: Takeru macht sich auf die Suche nach seiner Familie, die da noch irgendwo sein muss, bemerkt aber schnell, dass ihm Steine in den Weg gelegt werden. Er lässt sich allerdings nicht von seinem Ziel abbringen, trifft währenddessen vielmehr auf die Schwertkämpferin Ayumi, die viele Fragen aufwirft und ganz nebenbei noch einen ziemlichen Eindruck bei ihm hinterlässt. Während seiner Suche in Japan wird recht schnell deutlich, dass übernatürliche Kräfte am Werk sein müssen. Für die Leser*innen. Takeru dagegen braucht ewig, um auch nur ansatzweise auf den Gedanken zu kommen, dass man nicht immer alles rational erklären kann. Deshalb werden magische Elemente viele Kapitel lang lediglich angedeutet und können erst gegen Ende des Romans ihr volles Potential ausbreiten. Meinetwegen hätte das Abenteuer schon viel früher viel detaillierter mit den phantastischen Elementen angereichert werden können, vor allem da durch den Klappentext schon einiges vorweggenommen wird. Für mich ist "Drachenblut — Das Erbe der Samurai" deshalb vor allem durch das Setting in Japan ein besonderes Buch. Magische Elemente, die komplett unterschiedlichen (Neben-)Charaktere, Spannung und ein bisschen Liebe — das ergibt einen tollen Jugendroman.

Silfur – Die Nacht der silbernen Augen
475 Seiten

Island scheint ein ganz besonderes Land zu sein, in meinem Kopf ist es das jedenfalls. Ich war noch nie dort und alles was ich davon höre oder lese, macht diese Insel für mich nur noch geheimnisvoller. Relativ kleine Fläche, darauf ziemlich wenige Menschen, ein ganz anderes Leben, als ich es kenne. Oder doch nicht? Nina Blazon hat mit "Silfur – Die Nacht der silbernen Augen" einen Roman für Leser_innen ab 10 Jahren (nach oben gibt’s keine Altersgrenze) geschrieben, der nach Island entführt und phantastische Elemente in Form von Elfen und Widergängern einbaut. Zwei junge Brüder entdecken in den Ferien nicht nur Reykjavík, sondern auch noch die Tochter der Gastfamilie, bei der sie leben, Elín, und mit ihr eine ganz neue Welt.

Elfen gibt’s doch eh nicht! Das denken sich die Brüder Fabio und Tom garantiert, als sie zusammen mit ihren Eltern nach Island aufbrechen. Sie verbringen ihre Zeit bei Björg und ihrer Tochter Elín, ein richtiger Wirbelwind, die so gar nicht damit einverstanden ist, dass sie ihr Zimmer an die beiden Jungs abtreten muss. Doch ist Elín wirklich so frech und biestig, wie sie rüberkommt? Was steckt hinter ihrem Verhalten? Fabio und Tom begeben sich auf Entdeckungsreisen — und besonders Fabio entdeckt immer wieder Ungewöhnliches, das er sich nicht sofort erklären kann. Was ist dran an den Geschichten über Elfen und Widergängern?

Nina Blazon hat es gleich mit den ersten Sätzen geschafft, mich nach Island zu entführen. Die Atmosphäre der Insel und auch die bei der Gastfamilie hat sie perfekt eingefangen, durch kleine Details, die das Leben dort so besonders und auch besonders anders machen. Seien es diverse „Köstlichkeiten“, die es dort zu probieren gibt, oder auch nur die Art der Einwohner, ihre Gelassenheit, ihre Selbstverständlichkeit am Leben, am Miteinander. Dies ist nur einer der Höhepunkte, die "Silfur" mir beschert hat.

Ein weiterer Höhepunkt sind die phantastischen Elemente in dieser Geschichte, auf die ich hier allerdings nicht viel näher eingehen möchte. Es geht um Elfen, so viel sei gesagt. Keine herkömmlichen Eltern, sondern spannende, geheimnisvolle, fiese und liebe, moderne und antiquierte Elfen. Ein toller Mix, der nach und nach enthüllt wird. Als Leser_in wird man zusammen mit den Brüdern Fabio und Tom durch die Geschichte geführt. Die beiden verstehen sich im Grunde ziemlich gut, doch jeder hat so seine eigenen Socken, die nicht immer recht passen wollen. Fabio, der ältere, aber nicht größere der beiden, hat daran zu knabbern, dass er in allem ständig von seinem „kleinen“ Bruder überstrahlt wird. Dieser wiederum möchte es Fabio nicht allzu schwer machen und hält sich, wo es geht, zurück. Das sind nicht gerade die besten Startvoraussetzungen, wenn es um neue Ferienabenteuer auf Island geht. Insgesamt ist "Silfur" damit nicht nur die Geschichte zweier Brüder, die sich auf die Suche nach Elfen machen (oder doch von ihnen heimgesucht werden?), sondern beschäftigt sich auch einfühlsam mit Schwierigkeiten in Familien und Beziehungen.

Oben habe ich es bereits angedeutet, doch ich finde es so wichtig, dass ich es hier im Fazit gern noch mal wiederhole: "Silfur – Die Nacht der silbernen Augen" wird vom Verlag ab 10 Jahren empfohlen, damit lässt es sich wahrscheinlich eher in die Kategorie Kinderbuch einordnen. Nach oben allerdings hat das Buch für mein Empfinden keine Altersgrenze. Jede_r kann es lesen. Und jede_r sollte es lesen, wenn die Stichworte Island, Elfen und Abenteuer in toller, faszinierender und eindringlicher Atmosphäre auch nur ein wenig ansprechend klingen.