Frostseelen
560 Seiten

"Frostseelen" von Natalie Speer ist äußerlich ein winterlich anmutendes Buch und auch die Handlung spielt über große Strecken in klirrender Kälte. Eine Geschichte nur für den Winter ist "Frostseelen" dennoch nicht, denn ich bin mir sicher, dass man bei jeder Temperatur in diese phantastische neue Welt perfekt eintauchen kann. Natalie Speer, die auch schon unter dem Namen Christiane Spies veröffentlicht hat, entwirft hier eine Welt voller Gegensätze, die im Krieg miteinander sind. Nord und Süd, Feuer und Eis, Zivilisierte und Barbaren. Wir begleiten die junge Rekrutin Thea Namenlos ab dem Tag ihrer vorgezogenen Prüfung der Brenner-Ausbildung, damit sie so schnell wie möglich in den Krieg und zu ihrem Verlobten Ian, der bereits die Nørlaender bekämpft, ziehen kann.

Brenner wie Thea sind Menschen mit einer Gabe, sie haben den Feuertrieb. Sie können Feuer beschwören und lenken, damit Licht spenden oder als Feuerbälle auf ihre Gegner schleudern. In der Republik Athosia, in der Thea lebt, gibt es neben den Brennern auch noch Heiler, die mit einer Berührung Leben retten und die Wundheilung unterstützen können, und natürlich Menschen ohne Gabe. Alle werden an der Front dringend gebraucht, denn schlimme Gerüchte sind im Umlauf. Es sollen Vereiser gesichtet worden sein, Menschen, die das Wasser kontrollieren können, und sie sollen eine Seuche nach Athosia gebracht haben.

Thea berichtet direkt als Ich-Erzählerin von ihren Erlebnissen. Die Sprache dabei ist ernst, nüchtern und fast trocken, genau wie Thea selbst, und dabei detailreich und atmosphärisch. Das strenge Leben in Athosia, die einsame Kälte in den Nørlanden oder Theas Erleben ihrer Feuergabe, das alles entsteht vor dem inneren Auge und lässt sich nachfühlen. Thea selbst ist eine Person, die mit ihrem nüchternen Ton zunächst nicht jedem komplett sympathisch sein wird. In Athosia ist sie eine Außenseiterin, nicht nur wegen ihres elften Fingers, sondern auch weil sie als Gemeine auf dem Dorf aufgewachsen ist, weitab vom Reichtum der Bürger. Erst als sich ihr Feuertrieb gezeigt hat, durfte sie die Akademie besuchen und diesen weiter trainieren. Sehr erfrischend empfand ich es hier, dass Thea kein Wunderkind ist, sondern im Gegenteil stets kämpfen muss, um ihrem Trieb überhaupt einen kleinen Funken zu entlocken. Je mehr ich über sie erfahren habe, desto mehr hat sie mich fasziniert. Viele Nebencharaktere sind ähnlich extrem angelegt wie Thea: Ihre Freundin Eleni Orestis, die eine Heilerin ist und durch die wir auch diese Gabe kennenlernen, besitzt wahrscheinlich den eigenwilligsten Charakter in diesem Buch. Ihre Weltsicht ist regelrecht pragmatisch und ihre Kommentare bringen vielleicht nicht immer Fröhlichkeit in die Geschichte, aber dennoch eine unerwartete Perspektive. Theas Verlobter Ian, ein Hauptmann an der Front, zeigt die Riege der republiktreuen Hauptmänner. Die Liebesbeziehung der beiden spielt in dieser Geschichte zwar mal mehr, mal weniger eine Rolle, wird allerdings eher im Hintergrund thematisiert. Die Nørlaender und ewigen Feinde von Athosia bekommen mit dem Vereiser Anders Eriksson auch einen Repräsentanten. Viele Nebenfiguren in diesem Fantasyroman zeigen mittels fast schon extremer Eigenschaften das Verhalten und die Sichtweise ihrer Art. Manchmal funktioniert diese pointierte Darstellung hervorragend, andere Mal empfand ich sie als zu übertrieben.

"Frostseelen" ist eine düstere Geschichte, deren Atmosphäre und Spannung immer etwas neues bieten kann. Sie verläuft nie geradlinig, sondern hat ständig überraschende Wendungen auf Lager, weil Natalie Speer es immer schafft, den Leser an der Nase herumzuführen. In der Leserunde hat die Autorin uns verraten, dass sie ein weiteres Buch schreiben wird, das in dieser Welt spielt. "Frostseelen" selbst ist eine abgeschlossene Geschichte, die Welt darin hat es jedoch verdient, noch viel mehr Geschichten preiszugeben.

Road to Hallelujah
354 Seiten

Sarah ist mit ihrem Bruder Nat bei ihrer geliebten Großmutter aufgewachsen. Kurz vor dem Abitur verstirbt diese jedoch und Sarah ist am Boden zerstört. Ihre Großmutter hat sich jedoch von ihr gewünscht, das Leben zu genießen, also erfüllt sie sich endlich ihren großen Traum: Eine Reise nach New York, nur mit ihrer Gitarre als Begleitung. Ihr Bruder Nat fühlt sich allerdings überhaupt nicht wohl dabei, seine kleine Schwester allein in die große Stadt zu schicken, also schickt er ihr einfach seinen besten Freund Johnny mit auf die Reise. Sarah weiß nur ziemlich wenig über ihn und das ist alles keinesfalls positiv: Johnny ist ein unglaublicher Frauenheld, komplett von sich eingenommen und unausstehlich. Und dann treffen sie sich am Flughafen und sind beide ziemlich überrascht, was für attraktive Begleiter sie wider Erwarten haben.

Gleich nach den ersten Zeilen ist mir aufgefallen, wie unglaublich toll Martinas Schreibstil ist. Ich kenne bereits “Essenz der Götter” von ihr, deshalb kann ich sagen, dass sich ihr Stil verbessert hat und noch mal schöner lesen lässt. Die Sprache in “Essenz der Götter” hat mir auch schon gefallen, keine Frage, “Road to Hallelujah” wirkte auf mich aber noch mal runder und flüssiger und die Dialoge wirkten komplett authentisch. Die Atmosphäre und die Settings waren spannend, allerdings hätte ich mir noch viel mehr Reise-Feeling gewünscht. New York und diverse andere Orte, die sie gemeinsam besuchen, sind mir hier etwas zu kurz gekommen, sodass ich mir oft nicht wirklich vorstellen konnte, wo genau sie sind. Ein paar weitere Details zu den Ortschaften hätten mir sicherlich geholfen, mich noch mehr in die Geschichte einzufühlen.

Diese Geschichte wird im Wechsel aus den Sichtweisen von Sarah und Johnny erzählt. Mit Sarah bin ich sofort warm geworden, an Johnny musste ich mich zunächst noch gewöhnen. Sarah hat eine sehr starke Persönlichkeit, und das, obwohl sie noch um ihre Großmutter trauert und auch ansonsten nicht die glücklichste Kindheit hatte. Sie weiß, was sie will, und wenn das mal nicht so ist, kann sie sich recht schnell entscheiden. Zudem ist sie selbstbewusst und kämpferisch und dabei mit ihren 1,55m ziemlich klein. Johnny ist dagegen ein Riese, nicht nur von seiner Körpergröße her, sondern auch sein Ego wächst noch weit über ihn hinaus. Er ist nicht nur selbstbewusst, sondern auch noch komplett von sich überzeugt und eingebildet. Die Geschichten um den herzlosen Frauenheld stimmen, denn schon am Flughafen wird er regelrecht von einer alten, wenn auch kurzen, Bekanntschaft angesprungen. Doch nach und nach erfährt man auch bei Johnny von einer alles anderen als glücklichen Kindheit und kann besser verstehen, warum er so geworden ist.

Beide zusammen bringen beim Lesen unglaublich viel Spaß! Zunächst finden sie sich zwar beide ganz heimlich total attraktiv, aber sympathisch deshalb noch lange nicht. Das führt dazu, dass sie sich wirklich die ganze Zeit verbal streiten und necken. Besonders Sarah gibt ihm immer ganz toll Kontra und deshalb sind die Dialoge zwischen den beiden immer witzig und niedlich. Dazu gibt es dann noch Nebencharaktere, die auch viel zur Geschichte beitragen, allen voran Kelsey: Eine absolute Powerfrau, die nicht glücklich ist, wenn sie nicht reden oder zumindest quietschen und wild rumhüpfen kann. Ich bin mir nicht sicher, ob ich so einen Energie-Flummi täglich um mich haben könnte, aber in dieser Geschichte hat sie ordentlich frischen Wind reingebracht.

Natürlich gibt es in “Road to Hallelujah” auch noch ganz viel Gefühl, Romantik, sexy moments und Drama. Hier wird auch schnell klar, dass die beiden natürlich nicht nur die selbstbewussten und reisevernarrten Musiker sind, sondern dass ihre Persönlichkeiten noch viel tiefer gehen. Nach und nach erzählt Martina von der Vergangenheit beider und lässt sie ganz schön leiden. Bis auf ein paar Ereignisse am Ende, die mir zu dramatisch waren und die ich nicht wirklich vermisst hätte, fühlte sich das für mich glaubwürdig an und hat mich auch nicht genervt. Da es sich um das Genre New Adult handelt, ist es natürlich nicht zu viel verraten, dass sich Sarah und Johnny irgendwann annähern werden. Die romantischen Momente zwischen den beiden sind wirklich schön und ansprechend geschrieben und ich hatte ein paar Mal richtige Schmetterlinge im Bauch.

“Road to Hallelujah” ist eine witzig-spritzige und romantische Sommergeschichte aus dem Genre New Adult, die überhaupt nicht seicht daherkommt, sondern ganz viel Tiefgang hat. Obwohl ich mich in diesem Genre bisher noch nicht wirklich heimisch fühlen konnte, hat Martina Riemer mich mit ihrem Buch wegen der amüsanten Dialoge, der tollen Charaktere und der schönen Liebesgeschichte überzeugen können.

Freestyler
438 Seiten

Leistungssport, Training, Wettkämpfe, Olympia. Diese Themen sind mir im Grunde nicht unbekannt, dennoch habe ich mich nie näher damit beschäftigt. Als ich dann zum ersten Mal in der Verlagsvorschau "Freestyler" von Katja Brandis entdeckt habe, dachte ich allerdings sofort: Hey, das könnte genial und genial spannend werden. Eines kann ich schon mal vorwegnehmen: Das war es auch. "Freestyler" ist ein Jugendbuch, das auch für Erwachsene ein Lesegenuss sein kann, weil es so viele Themen in sich vereint: Sport, Disziplin und Leistungsdruck. Wie viel kann ich meinem Körper abverlangen? Wann bin ich gut genug? Reicht gut genug überhaupt? Es geht um eine erste Liebe, um Freundschaft, um Sport mit körperlichen Behinderungen. Und das alles angesiedelt im Jahr 2030, eine nahe Zukunft, die sich auf den ersten Blick sehr von unserer Gegenwart unterscheidet, auf den zweiten allerdings erschreckende Ähnlichkeiten aufzeigt.

Die Protagonistin Jola ist eine Sprinterin. Jede freie Minute verbringt sie beim Training, stählt und behütet ihre Beine, die das wichtigste für ihren Erfolg sind. Ihr Traum ist es, bei der nächsten Olympiade zu starten, mit ihren ganz normalen Beinen, die sie allein so lange trainiert hat, um die Schnellste zu werden. Von den optimierten Sportlern, die sich freiwillig und ohne Notwendigkeit künstliche Muskeln und andere Körperteile implantieren lassen und in der Freestyle Klasse M antreten, hält sie nicht viel. Eines Nachmittags jedoch sieht sie, wie ein Junge im Rollstuhl das Training beobachtet. Ryan hat seine Beine bei einem Autounfall verloren und seinen Lebenswillen gleich mit, bald jedoch lernt er mit Prothesen zu laufen, fühlt sich wieder besser, und nicht nur das: Er bekommt Carbon-Blades, mit denen er rasend schnell laufen kann. Ryan und Jola trainieren bald gemeinsam und eine außergewöhnliche Freundschaft zwischen den beiden entwickelt sich.

Ich bin ganz ehrlich: Wenn da nicht Katja Brandis auf dem Cover gestanden hätte, wäre ich mir nicht so sicher, ob ich mich so auf dieses Buch gestürzt hätte. Bei dem ersten Buch, das ich von ihr gelesen habe, "Floaters", waren es die modernen Piraten und das Problem mit dem Plastikmüll, die mich überzeugt haben. Bei "Freestyler" habe ich meine volle Hoffnung auf die Autorin gesetzt, darauf, dass sie wieder ein packendes Jugendbuch geschrieben hat. Ich wurde nicht enttäuscht. Katja Brandis hat es echt geschafft, dass ich mich nach ein paar Seiten voller Begeisterung und Faszination in ein Thema stürzte, für das ich mich vorher kaum interessiert hatte. Und das lag hauptsächlich an zwei Gründen: an der Atmosphäre und an den überspringenden Gefühlen. Kleine Details, technisch fortgeschrittene Geräte, die wie selbstverständlich in die Geschichte eingestreut sind, lassen die nahe Zukunft vor dem inneren Auge Wirklichkeit werden. Dazu gesellt sich noch der personale Erzähler, der Jolas Leben und Alltag begleitet und den Leser darin eintauchen lässt. Von ihrem alltäglichen Training zu berichten mag im ersten Moment nicht besonders spannend klingen und nach dem ersten Wettkampf ist doch bestimmt auch erst mal die Luft raus. Nein, bei "Freestyler" nicht. Manchmal habe ich mich gefühlt, als würde ich selbst durch die Geschichte sprinten, so sehr ist mein Herz gerast. Bei den Wettkämpfen hatte selbst ich weiche Knie, wie konnte Jola es da nur schaffen, so schnell zu rennen?

"Freestyler" besitzt außerdem einige gesellschaftskritische Elemente. Wie weit muss man gehen, um gut genug zu sein? Können die Menschen in dieser nahen Zukunft ohne körperliche Optimierungen überhaupt gut genug sein? Fehlt ihnen da nicht etwas, das andere Menschen schon längst wie selbstverständlich in ihr Leben — oder vielmehr: in ihre Körper — integriert haben? Jola ist eine nachdenkliche Person, die sich nicht von anderen vorschreiben lässt, was sie zu tun und zu lassen hat. Sie wägt ab, überlegt hin und her. So kommt die Kritik an dieser Gesellschaft und am Leistungssport zustande, die man auch auf die Gegenwart projizieren kann, ganz ohne erhobenen Zeigefinger.

Zu guter Letzt: Was wäre ein Jugendbuch ohne erste Male? Eine erste Liebe? Erwachsen werden? Unaufdringlich und glaubwürdig werden auch diese Elemente in die Geschichte eingeflochten und geben Freestyler den letzten Schliff. Ich habe gar keine andere Wahl als dieses Buch einfach allen Lesern, die meine Argumentation angesprochen hat, wärmstens zu empfehlen. Es ist spannend, gefühlvoll, überraschend und einfach gut.

Ein Sommer ohne uns
240 Seiten

2.5 *

Der Klappentext von "Ein Sommer ohne uns" verspricht eine Geschichte über eine offene Beziehung, über ein junges Pärchen, das feststellt, dass sie nicht für immer die einzigen füreinander sein wollen, aber dennoch für immer zusammen bleiben möchten. Mit diesem Hintergrund habe ich mir erhofft, dass ich hier zwei junge Menschen kennenlerne, die zwar nicht immer sofort genau wissen, was sie wollen, sich aber deshalb umso mehr darüber Gedanken machen und vor allem: darüber reden. Über eine alternative Beziehungsform. Das war dann wohl ein klassischer Fall von: Der Klappentext weckt ganz falsche Erwartungen.

Verena und Tom sind ein Paar, seit sie 13 sind. Jetzt sind sie 18 und schreiben bald ihre Abiturprüfungen. Ihr Leben schien schon immer klar vordefiniert zu sein. Nach dem Abi ziehen sie zusammen, studieren, heiraten? So langsam schleichen sich Unsicherheiten in die Köpfe der beiden. Obwohl sie zu wissen scheinen, dass sie weiterhin zusammen sein möchten, sind sie sich nicht so sicher, ob sie sich nicht ihr Leben lang fragen werden, wie es denn wäre, Erfahrungen mit anderen zu sammeln. An dieser Stelle kommen meine Erwartungen und die Tatsachen ins Spiel: Bis zur Hälfte dieses schmalen Büchleins, das immerhin nur knapp 240 Seiten hat, ist von einer offenen Beziehung noch überhaupt nicht die Rede. Verwirrung und Unsicherheiten gibt es schon, aber eher einzeln in den Köpfen der beiden. Denn das ist der Knackpunkt hier: Eine Kommunikation darüber findet einfach nicht statt. Ich hatte mir vorgestellt, dass sich die beiden Gedanken darüber machen, ob eine offene Beziehung für sie passen könnte. Warum oder warum nicht? Wie geht man danach mit der Eifersucht um? Doch das passiert einfach nicht. Stattdessen schießen sie sich eher auf bestimmte Personen ein, auf die sie neugierig sind, und lügen sich gegenseitig an.

Sabine Boths Schreibstil ist außergewöhnlich. Man könnte ihn „einfach“ nennen, aber das würde nur an der Oberfläche kratzen. Es soll viel Gefühl vermittelt werden, gleichzeitig aber wirkt es durch die abgehackten Sätze eher distanziert. Insgesamt wirkt die Erzählung dadurch ziemlich nüchtern, das verwendete Vokabular ist oftmals derb. Nach jeweils eher kurzen Abschnitten wechseln die Abschnitte zwischen Tom und Verenas Perspektiven hin und her, erzählt werden Handlungen und Gedanken der beiden aus der dritten Person im Präsens.

Leider hat "Ein Sommer ohne uns" meine Erwartungen überhaupt nicht erfüllen können. Zu Beginn konnte mich die Geschichte noch überzeugen, vor allem weil es durch den Schreibstil etwas besonderes war. Allerdings fand wider Erwarten überhaupt keine richtige Auseinandersetzung mit dem Thema offene Beziehung statt. Dazu kommt leider auch, dass dieses Buch viel zu kurz war. Tom und Verenas Beziehung ist nämlich nicht das einzige Thema dieser Geschichte, einige interessante Nebencharaktere und die Beziehungsprobleme der Eltern gibt es auch noch. Diese hätten viel Tiefe und eine weitere Dimension hineinbringen können, allerdings war überhaupt nicht genug Zeit und Platz, um all dies zufriedenstellend ausarbeiten zu können.