Die Leseliste. Kommentierte Empfehlungen
206 Seiten

(Diese Kritik bezieht sich auf eine später unverändert erschiene Bibliotheksausgabe.)
Rund 600 Titel der Weltliteratur sind in 'Die Leseliste' zusammengefasst, ergänzt durch knappe Kommentare. Es wird unterschieden nach deutschsprachiger sowie fremdsprachiger Literatur, wobei ersteres eine weitere Unterteilung nach zeitlichen Gesichtspunkten erfährt: Mittelalter, Humanismus und Reformation, Barock, Aufklärung, Sturm und Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier und Vormärz, Bürgerlicher Realismus, Naturalismus bis Expressionismus, Weimarer Republik und Drittes Reich, Literatur seit 1945 (BRD, A und CH), DDR-Literatur. Die fremdsprachige Literatur wird nach ihrer Herkunft unterschieden: orientalisch und asiatisch, griechisch, lateinische der Antike, lateinische der Mittelalters, italienisch, französisch, spanisch und portugiesisch, lateinamerikanisch, russisch, skandinavisch, englisch, nordamerikanisch.
Obwohl das Büchlein 2002 neu aufgelegt wurde (und 2003 gedruckt), scheint es unverändert von der Ausgabe 1994 übernommen worden zu sein. Die aktuellsten Titel stammen aus dem Jahr 1997, aber insbesondere bei den fremdsprachigen (sieht man von englischen und französischen ab) liegen die Empfehlungen noch wesentlich länger zurück: orientalisch und asiatisch: 1791, griechisch: 1559, italienisch: 1980, spanisch und portugiesisch: 1934, lateinamerikanisch: 1969, russisch: 1975, skandinavisch: 1910. Gibt es keine Bücher der jüngeren Zeit die es wert wären, hier aufgeführt zu werden? Merkwürdig...
Die Kommentare sind, wie bereits erwähnt, recht knapp gehalten, in der Regel nicht mehr als fünf Zeilen.
Bsp.: Sten Nadolny 'Die Entdeckung der Langsamkeit'. Zivilisationskritischer Roman, der (unter Verwendung authentischer Quellen) den Seefahrer und Entdecker John Franklin (1786-1847) als humanen Gegentypus zum modernen Leistungsdenken charakterisiert.
Dies ist eines meiner Lieblingsbücher, aber ob ich es aufgrund dieser Empfehlung gelesen hätte...?
Richtige Empfehlungen wird man aus diesem handlichen Büchlein wohl nicht entnehmen können, aber als Nachschlagewerk sicherlich nicht ungeeignet.

Der Mörder würgt den Motor ab : Auto-Krimis

19 Kurzkrimis in denen das Auto, des deutschen Mannes bestes Stück ;-), mehr oder weniger die Hauptrolle spielt. Maximal umfassen sie 19 Seiten, wobei der größte Teil jedoch nicht mehr als 10 aufweist, ideale Länge also um vor'm Einschlafen noch etwas zu lesen. Die kurzen Erzählungen variieren von düster bedrohlich über witzig skurril bis unglaublich - jede/r wird hier sicherlich schnell ein, zwei Lieblingsgeschichten finden.
Durchaus auch für AutonichtliebhaberInnen geeignet!

Der Kleine Johnson 2008
451 Seiten

Der kleine Helfer für den Weinkauf. Steht man mal wieder hilflos vor dem immensem Weinangebot oder ist sich nicht sicher, ob das tolle Angebot wirklich so toll ist, hilft dieses Büchlein meist weiter. Wenn man auch nicht immer exakt genau DEN Wein findet, bekommt man dennoch gute Anhaltspunkte dafür, ob ein Kauf sich lohnt oder nicht. Natürlich lässt sich über Geschmack streiten (oder war es nicht streiten :-) ?) - ich bin auf jeden Fall bisher immer gut mit dem 'kleinen Johnson' gefahren.
Ob man ihn sich jedes Jahr kaufen muss? Weinenthusiasten vermutlich, ich komme alle zwei Jahre mit einem neuen Exemplar klar.

Das Herz ist ein einsamer Jäger
600 Seiten

Georgia, eine triste Kleinstadt im Jahr 1939. Das Leben ist geprägt von Rassismus, Armut und Hoffnungslosigkeit. Die Menschen rackern sich 50, 60 und mehr Stunden die Woche ab, um ihr tägliches Überleben zu sichern. Inmitten dieser Trostlosigkeit treffen wir auf fünf Personen, die unterschiedlicher kaum sein könnten und dennoch eines gemeinsam haben: Es gibt eine Sache, an der sie mit ganzem Herzen hängen und ihr Dasein ausrichten.
Da ist Mick, ein 13jähriges Mädchen inmitten einer vielköpfigen Familie, deren ganzes Inneres nach Musik strebt. Sie komponiert kleine Stücke und Lieder und träumt von einer erfolgreichen Zukunft als Komponistin, Dirigentin.
Biff Brannon, ein sensibler Witwer der in einer lieblosen Ehe lebte und sich noch immer sehnsüchtig Kinder wünscht.
Jake Blount, unbeherrscht und voller Wut über die Ungerechtigkeit, die den meisten Menschen widerfährt. Er versucht sie wachzurütteln, sie zum Widerstand aufzurufen und dagegen zu kämpfen - doch vergeblich. Dies macht ihn noch aggressiver und immer wieder ist er gezwungen, seinen Aufenthaltsort wegen Gewalttätigkeiten zu wechseln, um einer drohenden Verurteilung zu entgehen.
Und Dr. Copeland, ein farbiger Arzt, der besessen ist von der Idee seinem Volk bessere Lebensbedingungen zu verschaffen. Auch er will wachrütteln und zum Widerstand aufrufen doch scheitert ebenfalls, selbst bei seinen Kindern.
Diese Vier glauben, in John Singer, einem Taubstummen, den einzigen Menschen gefunden zu haben, der ihr innerstes Anliegen versteht und teilt. Da er sich nicht artikulieren kann, kein Widerspruch kommt, er immer freundlich und höflich ist, interpretieren die Vier sein Verhalten als Zustimmung. Doch sie irren. Auch John Singer ist getrieben von einer Sache, die ihm alles Andere unwichtig erscheinen lässt: die Liebe zu seinem Freund Spiros. Als dieser stirbt, bringt sich John Singer um.
Mick resigniert, sie verliert ihre Liebe zur Musik. Jake verliert wieder die Beherrschung und muss die Stadt verlassen, Dr. Copeland ist schwer krank und wird von seiner Familie gepflegt. Und Biff Brannon, der noch am ehesten in sich ruht, beginnt einen neuen Tag.
Neben der gefühlvollen und dennoch sehr anschaulichen Schilderung des Lebens zu dieser Zeit, bedrückt am meisten wie einsam diese Menschen sind, obwohl sie viel gemeinsam haben. Dr. Copeland und Jake Blount verbindet im Grunde ein Ziel: Gerechtigkeit. Doch jeder verfolgt nur seinen Weg ohne die kleinste Abweichung zuzulassen - und jeder steht wieder für sich allein. Mick und Biff Brannon - er liebt Mick wie eine Tochter, wie gern würde er ihr einen Wunsch erfüllen. Doch sie hat eher Angst vor ihm und käme vermutlich im Traume nicht darauf, dass Biff ihren größten Wunsch nach einem Klavier wahr werden lassen könnte. Und auch John Singer - er ist so fixiert auf seinen Freund Spiros, den für ihn Einzigen mit dem er sich richtig (mit Händen) unterhalten kann, dass er überhaupt nicht merkt als er andere Taubstumme trifft, dass er hier sein Bedürfnis nach Kommunikation vermutlich noch viel besser stillen könnte.
Ein wirklich empfehlenswertes Buch!

Bis der Tod uns scheidet

Die Schwesternhelferin Susanne Balker wird von ihrem Ehemann ermordet im Schlafzimmer aufgefunden. Für Erik Winter ist er der Hauptverdächtige, hat bedauerlicherweise jedoch ein wasserdichtes Alibi: Er war auf den Kanaren, tausende Meilen weg von Schweden. Andere Motive sind nicht zu finden, bis plötzlich ein zweiter Mann in Susannes auftaucht und Eriks kleine Tochter ihrem Vater auf die Sprünge hilft ...
Stephan Schade liest die Kriminalstory gut betont vor. Zwar erhalten die einzelnen Mitwirkenden keine unverwechselbaren Stimmen, aber seine Betonung der spannenden Stellen lässt einem beim Zuhören geradewegs inne- und auch den Atem anhalten, egal was man tut. Schöne Geschichte für zwischendurch!

Das Spiel des Engels
720 Seiten

Ein typischer Zafón - und doch ganz anders, zumindest wenn man von 'Der Schatten des Windes' ausgeht.
Nach einer unglückseligen Jugend darf der 17jährige David Martin, dessen Leidenschaft das Schreiben ist, seine ersten Geschichten in einer Zeitung veröffentlichen. Er hat Erfolg, doch durch Neid und Mißgunst von Kollegen verliert er seine Stelle. Sein Freund und Förderer Vidal vermittelt ihn an zwei ausbeuterische Verleger, für die er eine neue Serie anspruchsloser Geschichten schreibt - diese ist bald ebenfalls sehr erfolgreich. Er mietet sich im Haus seiner Träume eine Wohnung, doch glücklich wird David dennoch nicht, denn er ist unglücklich verliebt ohne Aussicht dass dieser Zustand sich ändert. Auch das Schreiben befriedigt ihn nicht und als ein mysteriöser Verleger ihm für eine immense Summe einen Auftrag für ein Buch erteilt, nimmt er diesen an.
Damit nimmt das Verhängnis seinen Lauf: Dieser Auftrag und der auf merkwürdige Weise verstorbene Vorbesitzer seiner Wohnung scheinen miteinander in Zusammenhang zu stehen. David beginnt nachzuforschen und wird in ein verworrenes Komplott verstrickt, aus dem es kein Entkommen zu geben scheint.
Zafóns Sprache ist unverkennbar: bilderreiche Beschreibungen, eine Wortvielfalt die ihresgleichen sucht. Doch im Vergleich zu 'Der Schatten des Windes' fehlen die Geschehnisse und Erzählungen, die Ausführungen und Anekdoten zu allem und jedem, die zeitweise beinahe märchenhaft anmuteten. Stattdessen gibt es eine durchgängige Geschichte, die an Düsternis und Trostlosigkeit fast nicht zu überbieten ist. Kaum ist dem Protagonisten etwas Glück hold, trifft ihn bereits der nächste Schicksalsschlag. Und Zafón handelt diesmal auch , zumindest ansatzweise, eine der großen Fragen der Menschheit ab: Was ist Religion, wie entsteht der Glaube an Gott? Keine Angst, auch für Atheisten ist dies durchaus lesenswert. Zudem nimmt dieser Teil nur einen kleinen (zu kleinen?) Raum des Buches ein. Ich persönlich hätte gerne mehr darüber gelesen.
Fazit: Wieder sehr gute Unterhaltung, diesmal sogar mit etwas Tiefgang :-), wenn auch insgesamt die düstere Stimmung fast etwas überhand nimmt.

In weißer Stille
448 Seiten

Der pensionierte Kinderarzt Heckeroth wird in seinem Wochenendhaus tot aufgefunden, wo er an die Heizung gefesselt wurde und qualvoll verdurstete. Seine nach außen scheinbar perfekte und glückliche Familie entpuppt sich nach und nach als ein Abgrund von Greueln, sodass Kommissar Dühnfort früh eine Reihe von möglichen Motiven vorliegen hat. Es zeichnet sich bald ein Hauptverdächtiger ab, doch als ein zweiter Toter aufgefunden wird und eine Zeugenaussage sich als hinfällig beweist, steht Dühnfort mit seinem Team fast wieder am Anfang.

Passionierte Krimileserinnen und -leser werden vermutlich recht schnell wissen, in welcher Richtung die Lösung zu suchen ist, allzu offensichtlich sind die ersten rund 50 Seiten des Buches. Durch eine Vielzahl von weiteren, durchaus überraschenden Spuren gelingt es der Autorin zwar, eine Reihe neuer Verdächtiger ins Spiel zu bringen, doch die anfängliche Vermutung wird bald zur Gewissheit. Die einzelnen Personen werden anschaulich beschrieben, wenn auch ihr Verhalten meist allzu vorhersehbar erscheint.

Alles in allem ein passabler unterhaltsamer Krimi, der sich mühelos an einem Wochenende durchlesen lässt.

Die alltägliche Physik des Unglücks
720 Seiten

Luftig leichter melancholischer Teenagerroman - das passt nicht zusammen? Doch, für diesen Roman schon :-)
Blue, Halbwaise und hochbegabter Teenager, zieht mit ihrem Vater jedes Semester in eine andere Stadt. Für die typischen Vergnügungen Jugendlicher bleibt da nicht viel Zeit: stundenlanges Telefonieren mit der besten Freundin, gemeinsam für den schönsten Jungen der Schule schwärmen, mit der Clique auf Parties gehen, ins Kino, heimlich rauchen und Alkohol trinken... Sie wächst ohne Freunde auf, denn die Zeit ist zu kurz um wirklich Anschluss zu finden. So bleiben Blue ihr allseits umschwärmter Vater und ihre Bücher, die ihr in gewisser Weise das echte Leben ersetzen.
In ihrem letzten Highschool-Jahr entscheidet ihr Vater, Blues restliche Semester an einem Ort zu verbringen. Und das Erstaunliche geschieht: Sie wird in eine Clique aufgenommen (wenn auch unter merkwürdigen Umständen), die von allen Mitschülerinnen und Mitschülern bewundert mit. Mittelpunkt dieser Gruppe ist Hannah Schneider, eine Lehrerin der High-School, die alle Cliquenmitglieder abgöttisch verehren. Immer wieder fällt sie jedoch durch absonderliches Verhalten auf, was der Verehrung dennoch keinen Abbruch tut, ganz im Gegenteil. Als Hannah tot aufgefunden wird, beginnt Blue als Einzige mit Nachforschungen und stösst auf Ungeheuerliches.
Das Hervorstechendste an diesem Buch sind die ständig wiederkehrenden Erwähnungen von anderen Büchern: Mal ist eines zu einem Zitat erwähnt, mal zu einer Situation in Blues Leben, die so oder so ähnlich dort geschildert wurde. Mal erklären diese Bücher woher Blue den Ansatz für ihre Überlegungen nimmt, mal dienen sie nur zur Beschreibung einer genauen Situation. Blue scheint sie alle gelesen zu haben und nun helfen sie ihr, all das Neue und Chaotische das in ihr Leben einbricht, einzuordnen und zu strukturieren. Zu Beginn wirkt es eher störend, ständig einen neuen Buchtitel vorgeführt zu bekommen, doch immer öfter ertappt man (also ich :-)) sich dabei, über das jeweilige Buch nachzudenken. Und wenn man es zufällig noch kennt, macht es richtig Spass.
Beinahe 3/4 des Buches machen die Beschreibung von Blues fast normalem Teenagerleben aus. Es geschieht nicht allzu viel, aber es liest sich (siehe oben) luftig leicht melancholisch. Sieht man von den ständigen Bezügen auf Bücher oder wichtige Geschehnisse ab, ist der Ton eines Teenagers gut getroffen. Trotz ihres immensen Wissens und ihrer Intelligenz ist Blue weder arrogant oder überheblich, sondern oft voller Unsicherheit und Zweifel. Die anderen Personen werden (vielleicht gerade durch die Vergleiche mit Büchern oder deren Figuren sofern sie bekannt sind) mit Liebe zum Detail den Lesenden vor Augen geführt.
Ein schöner Schmöker für ein gaaanz langes Wochenende!

Firmin: Ein Rattenleben
201 Seiten

Firmin kommt als 13. Rattenjunges in einer Buchhandlung zur Welt, im Vergleich zu seinen Geschwistern körperlich eher zurückgeblieben und wenig durchsetzungsstark. Statt sich mit ihnen ums Fressen zu streiten, frisst er sich im wahrsten Sinne des Wortes durch die Bücher um ihn herum. Und stellt zu seiner eigenen Verwunderung eines Tages fest, dass er lesen kann. Um sich die geistige Nahrung zu erhalten, hält er sich beim Fressen nunmehr an die Ränder und Einbände - und verschlingt zusätzlich den Inhalt mit den Augen in großen Mengen. Durch all das Wissen das er auf diese Art und Weise ansammelt, fühlt er sich den Menschen immer mehr verbunden und wünscht sich nichts sehnlicher als von ihnen als einer der ihren anerkannt zu werden. Firmin versucht mit dem Buchhändler in Kontakt zu treten, doch all seine Bemühungen scheitern: Zeichensprache, Schreibmaschine, Blickkontakt (Computer gab es noch nicht). Als er in einer gefährlichen Situation von einem anderen Menschen gerettet und 'adoptiert' wird, hat Firmin zwar den gewünschten direkten Kontakt, doch die Anerkennung als Wesensgleicher bleibt ihm weiterhin versagt. Er arrangiert sich mit der Situation, spielt das putzige Haustier und erträumt sich seine Welt...
Zu Beginn ist man verwundert: Der Sprachstil ist für eine Ratte doch sehr gewählt, wenn nicht sogar gelegentlich etwas geschraubt. Doch bald wird einem bewusst, wieviel Firmin in seinem doch recht kurzen Leben bereits gelesen hat. Und dass er mit diesem Wissen und der sich angeeigneten Bildung so manchen Menschen weit übertrifft. Dennoch: Eine Ratte ist eine Ratte ist eine Ratte.
Eine moderne Fabel die mit etwas Nachdenken klar macht, wie wenig äußere Attribute doch etwas über das aussagen, was dahinter steckt. Und das alles ohne moralischen Zeigefinger. Lesenswert!

"Klick!" Zehn Autoren erzählen einen Roman
224 Seiten

Ein ungewöhnliches Jugendbuch: Zehn Autorinnen und Autoren haben sich zusammengefunden, um dieses Buch zu schreiben. Jede/r hat einen Abschnitt dazu beigetragen, immer in Kenntnis der bereits geschriebenen Teile.
Herausgekommen ist nicht ein Roman mit zehn Kapiteln, sondern eher ein Buch mit zehn eigenständigen Erzählungen, in denen einige Personen immer oder immer wieder auftauchen.
Die Hauptfigur ist Gee, ein bekannter Fotograf, der eine große Lücke hinterläßt als er stirbt, insbesondere bei seiner Enkelin Maggie. Ihr vermacht er ein Kästchen mit sieben Muscheln mit dem Auftrag, sie alle zurückzuwerfen - in das Meer, an dessen Küste Gee sie erhalten hat. Jason, sein Enkel, erhält seine Fotoausrüstung, die sein Leben nachhaltig verändert.
Ein Teil der Kapitel beschreibt Maggie und ihre Familie, wie sie mit dem Tod des Großvaters umgehen, ein anderer Teil welche Geschichten hinter den Muscheln und dem Kästchen stecken. Zudem gibt es drastische Sprünge in die Zukunft, doch alle verbindet die Person Gee. Durch die sehr unterschiedlichen Schreibstile und die verschiedene Herangehensweise an dieses 'Projekt' fehlt jedoch das Verbindende, was einen Roman ausmacht. Die Figuren Gee und Maggie sind dafür nicht ausreichend.
Dennoch - es ist interessant zu lesen, welch unterschiedliche Ideen entstanden sind und wie sie dann umgesetzt wurden. Gute Idee auch, im Nachwort die AutorInnen zu Wort kommen zu lassen, was sie zu ihrem Einfall inspiriert hat.
Zu empfehlen ab 12, 13 Jahren, wobei Mädchen wohl eher von diesem Buch angetan sein werden.

Der Mann im Turm
153 Seiten

Die Ich-Erzählung eines Malers, der sich gerade in einer Schaffens-, Lebens- oder Sonstwaskrise befindet; so ganz genau weiß ich es immer noch nicht. Zurückgezogen in einem Turm auf dem Land in Frankreich lebend, schildert er seine Gedanken und Überlegungen zum Leben, zur Malerei.... Dazwischen ereignen sich merkwürdige Dinge, die die Hoffnung aufkommen lassen, die Geschichte entwickle sich zu einem Kriminalroman. Leider nicht. Vielleicht für MalerInnen ganz gut geeignet, die sich in einigen Dingen wiederfinden können. Für mich eher ziemliches Geschwurble.

American Gods
623 Seiten

Neil Gaiman war mir bis vor kurzem 'nur' als (außergewöhnlicher) Kinderbuchautor ein Begriff und hätte mir ein Freund nicht dieses Buch geschenkt (um seinen Lieblingsautor kennenzulernen), wäre dies wohl auch so geblieben.
Die Story ist recht schnell erzählt: Shadow, ehemaliger Häftling auf Bewährung entlassen, erwischt keinen guten Start ins neue Leben. Seine Frau und sein bester Freund sterben kurz zuvor, sodass er ohne weitere Alternative das Jobangebot des mysteriösen Wednesday annimmt, künftig dessen Fahrer und Bodyguard zu sein. Bald stellt sich heraus, dass sein Chef ein Gott ist und dieser mit enormer Anstrenung versucht, seine KollegInnen in den USA dazuzubringen, zu einem letzten Kampf aufzubrechen in dem es um ihr aller Überleben geht.
Die zugrunde liegende Idee ist bemerkenswert realistisch: Götter und Göttinnen existieren nur solange man an sie glaubt. Doch wie alles im Leben ist auch der Glaube einem Wandel unterworfen und so kommen neue Gottheiten auf während die alten verblassen: des Internets, der Drogen, der Automobilindustrie - letztere wurde insbesondere durch ihre zahlreichen Opfer groß und mächtig. Obwohl es eine völlig fantastische Geschichte ist, gelingt es Gaiman sie derart gut in die Realität einzuflechten, dass man (bzw. ich :-)) sich immer wieder fragt, ob der obskure Alte im Supermarkt heute morgen oder die schrille Rothaarige gegenüber nicht vielleicht auch ein Gott oder eine Göttin darstellen.
Zwischen die eigentliche Handlung bettet der Autor kurze Kapitel ein, wie die Götter in die USA gelangten oder wie sie ihr heutiges Dasein in den USA fristen - eine ziemlich deprimierende Angelegenheit.
Das Alles ist ausgesprochen spannend erzählt, mit vielen überraschenden Wendungen und nicht weniger gelungenen Geschichten. Einziges Manko: Der Held ist vielleicht eine Spur zu gut. Kaum Zweifel, immer loyal, treu und ergeben - zu gut um wahr zu sein :-)
Ein toller Schmöker mit einer Reihe nachdenkenswerter Anregungen.

Alles ist Erleuchtet
383 Seiten

Welch schräges, witziges aber auch bitterernstes, tieftrauriges und hintergründiges Buch. Zugegebenermaßen kein allzu leicht lesender Roman da die drei unterschiedlichen Erzählstränge zu Beginn recht zusammenhanglos nebeneinander stehen. Da ist einmal Alex, ein ukrainischer junger Mann, der gemeinsam mit seinem Großvater einen jüdischen Amerikaner bei dessen Suche nach seiner Vergangenheit begleitet. Alex erzählt in einer unnachahmlichen Sprache (er ist noch immer dabei seine Englischkenntnisse zu erweitern), wie diese Reise ablief die auch eine Reise in seine bzw. die Vergangenheit seines Großvaters wird. Der zweite Erzählstrang kommt von dem Amerikaner, der die Geschichte seiner Familie darstellt, beginnend mit der Urururururgroßmutter Brod (sollte ich ein Ur vergessen haben, bitte ich dies zu entschuldigen :-)). Immer wieder zwischen Realität und Phantasie hin und her wechselnd, entsteht ein kunterbuntes Bild des Schtetls in dem die Familie des Amerikaners zuhause war. Der dritte und letzte Teil des Buches stammt wieder von Alex. Er und sein früherer Gast tauschen die jeweils geschriebenen Abschnitte aus und Alex kommentiert sie in seinen Briefen die zudem die Geschehnisse in seiner Familie sowie seine Gedanken im Allgemeinen und im Speziellen beinhalten.
Die Familiengeschichte von Foer (der den Amerikaner darstellt), spannt sich von 1791 bis zum II. Weltkrieg, während dem das gesamte Dorf der Vernichtung anheim fiel. Foers Großvater war der Einzige der sich retten konnte dank der Hilfe einer Frau, auf deren Suche sich nun der Enkel befindet.
Es ist eine anrührende Geschichte über die Suche nach der Vergangenheit, nach Liebe, nach sich selbst, nach dem was zählt. Und irgendwie sind alle auf der Suche.

Regenzauber
461 Seiten

Dies ist das erste Buch von Lehane das ich - dem Zufall sei Dank - in die Finger bekam, aber vermutlich nicht mein letztes.
Im fünften Band der Reihe um den Privatdetektiv Kenzie läuft diesem die junge unschuldige Karen über den Weg, die ihn um Hilfe bittet. Diese Bitte ist schnell zu ihrer Zufriedenheit erfüllt, doch sechs Monate später stürzt sich Karen vom Dach eines Hochhauses, drogenabhängig, kurz vor der Obdachlosigkeit. Niemand kann sich diese Wesensveränderung erklären und Kenzie, der ein schlechtes Gewissen hat, da er ihre erneute Bitte um Hilfe vier Monate vor ihrem Tod vergaß, beginnt mit seinen zwei Freunden Angie und Bubba zu ermitteln. Sie finden heraus, dass ein Unbekannter Karens Leben systematisch zerstörte bis sie nur noch eine Lösung sah. Und dieser Unbekannte beginnt nun, Kenzies Freunde ins Visier zu nehmen...
Die Charaktere sind wunderbar klischeefrei, Orginale die einem schnell ans Herz wachsen. Die Sprache ist herrlich schnoddrig und frotzelnd (aber auch vulgär), egal ob untereinander oder mit ihrer Klientel. Obwohl relativ schnell festzustehen scheint, wer für all das 'Unheil' verantwortlich ist, bleibt die Spannung bis zum Schluss erhalten, wofür eine Reihe unerwarteter Wendungen mit verantwortlich ist.
Kleine Negativkritik zum Schluss: Manche der aufgenommenen 'Erzählfäden' enden im Nirgendwo bzw. lassen einen aufgrund der Unlogik doch etwas den Kopf schütteln. Doch dies kommt nicht allzu häufig vor, sodass man ohne große Problem leicht darüber hinweg lesen kann.