Ich erwartete ein Buch a la "Deutschland schafft sich ab". Was ich jedoch lesen konnte war das flammende Plädoyer eines Demokraten, eines Mannes, der dort hin geht, wo es weh tut, mit denen nicht gesprochen wird, sondern über die nur geredet wird, eines Migranten, der sich für die Vielfältigkeit einsetzt. Im Prinzip kann jeder von der Lektüre profitieren. Der Autonome, der in der Liebigstraße sitzt, der Holger-Apfel-Extremfan, Ditib-Sympathisanten und letztlich der Großteil der Bevölkerung, den man als heuristisch bezeichnen kann, um nicht "denkfaul" zu sagen.
Was für ein Spaß, diese Doppel-Biographie (um mal heideggerisch zu schreiben) zu lesen. Die frühe Zeit Heideggers, die recht heimatnah ist, fand ich gerade deshalb interessant. Ansonsten war es nach meiner recht wittgensteinlastigen Zeit gut, mich mehr mit dem Meßkircher zu beschäftigen. Seine Ontologie des Sein als Seiendem und Da-Sein habe ich bei Waldgängen rekapitulieren können und sie für mich (weiter-)entwickelt.
Was mich bei beiden Philosophen so fasziniert ist die immense Wucht, mit der sie ihr geistiges Leben und Denken lebten. Derlei ist heutzutage nicht mehr so zu finden.
Interessant im Hinblick auf die Biographie war tatsächlich, dass die "Liebe" ausgeklammert wurde und nur kurz im Anhang zur Sprache kam. Wenn man weiß, wie sehr Heidegger ein Schürzenjäger war (und Wittgenstein der stets gegen seine Triebe Kämpfende), dann war das eine ungewöhnliche Wahl. Manch einem wird der Aspekt "Heidegger als Nationalsozialist (?)" sicher ein wenig zu wohlgesonnen ausfallen (auch wenn da keine wertende Komponente dabei war); wenn man sich jedoch mit seinem Denken und der Praxis, die er nach seinem Jahr als Freiburger Universitätsdirektor vollzog, (intellektuell) redlich beschäftigt, dann kann man sich eigentlich nur dem Urteil des Autoren anschließen. Es wird für mich Zeit, mich Heideggers Hauptwerk anzunähern, "Sein und Zeit". Im Anschluss danach wäre "Das Sein und das Nichts" von JPS geschickt, weil sich jener am Anfang seiner Tage von ihm inspirieren ließ.
Ich habe das in der Schulzeit nie gelesen (im Unterricht bestand das Thema "Anne Frank" aus: "Ja, die gab es und war versteckt"). Im Zuge der ganzen NS-Vergleiche der Querdenker habe ich endlich die Gesamtausgabe von meinem Stapel ungelesener Bücher gezogen.
Die Lektüre hat mich erschüttert, weswegen ich sie auch immer wieder unterbrechen musste. Die ganze Zeit zu wissen, wie die Sache endet, das hat mich extrem mitgenommen. Man hat die ganze Zeit vor Augen, wie gut eine Anne Frank für das Nachkriegseuropa gewesen und geworden wäre. Auch ohne Tagebuch hätte sie es gewiss zu Berühmtheit gebracht. Mehr will ich hier auch nicht schreiben.
Die editorischen Ergänzungen wie ihr Schöne-Sätze-Buch, Stammbäume, etc. waren aufschlussreich.
Ich finde es schlimm, dass ich es erst jetzt gelesen habe. Jeder Schüler sollte es verpflichtend durchnehmen. Eine Sternebewertung erübrigt sich hier meiner Ansicht nach.
Englischlehrer, Alkohol, psychoexistenzialer Horror, unschuldige Kinder, gutmütige Schwarze. Was klingt wie eine Stephen-King-Blaupause, das ist es auch. Es ist aber gut. Mir gefiel die Isolation sehr gut und die offensichtlichen Themen. Es gab auch subtilere Themen, die ich vielleicht auch einfach nur hineininterpretiert habe, aber in dem Verfall von Jack sah ich es eher als Archetypus. Und die Komponente der Erbärmlichkeit
Ich habe das Buch über Cassirer, Heidegger, Wittgenstein und Benjamin sehr gemocht und war freudig überrascht, als ich bei Denis Schecks literarischem Quartett gesehen habe, dass Eilenberger ein neues Buch geschrieben hat. Dieses Mal über vier PhilosophINNEN (ohne Genderpause). Diese waren Ayn Rand, Hannah Arendt, Simone Weil und Simone de Beauvoir. Das Jahrzehnt war 1933-1943. Man ahnt, dass das Denken der Damen durchaus von Hitler und dem Zweiten Weltkrieg geprägt war (bis auf vielleicht Ayn Rand).
Simone de Beauvoir: Sie war mir schon zuvor bekannt, unter anderem vom ebenfalls sehr guten Buch "Cafe der Existenzialisten". Es war aber erfrischend zu sehen, wie sie ihre Gedanken im Lauf der Jahre entwickelte und wie wichtig die Emanzipation von Sartre war. Hannah Arendt: Ich fand es interessant, wie sehr sie T. Wiesengrund Adorno nicht mochte und wie allein sie gegen die zionistischen Juden stand, sie wollte nämlich keinen jüdischen Nationalstaat auf palästinensischem Gebiet, bei dem die Mehrheitsbevölkerung der Araber nur Minderheitenrechte bekommen sollte und auf die Hilfe externer Länder angewiesen sein muss, weil die arabischen Länder darum herum aufkommen antisemitisch wurden und sicherlich not amused sein würden; vielmehr schlug sie eine Art Föderalismus vor i.S.v. den Vereinigten Staaten, in denen sie auch zunehmend isoliert wurde. Im Prinzip wird sie auch heute, trotz ihrer wichtigen antitotalitaristischen Forschung von der akademischen Philosophie übergangen. Schade. Ayn Rand: kannte ich bisher nur als "Rechsradikale, die aber auch den Libertarismus irgendwie gemacht hat, was an sich minimal widersprüchlich ist". Es war interessant, wie sehr ihre Philosophie die des Egos ist. Ich hätte gerne eine Analyse von "Coriolan" von ihr gelesen. Tatsächlich steht sie mit ihrem Schaffen mMn in der Tradition von Nietzsche, ihr Romanheld hat viel von Zarathustra und dem Gedankengut des "Übermenschen" (nicht so, wie die Nazis ihn definierten, sie wären laut Nietzsche der letzte Mensch gewesen, der Erdenfloh). Sehr spannend war die Info, dass einer ihrer "Schüler" Alan Greenspan war, der fast 20 Jahre Chef der amerikanischen Notenbank war. Ziemlich neutral also und gar nicht "Don't tread on me". Heutzutage ist Rand aktueller denn je, nach der Bibel ist ihr Werk das meistgekaufte in den Staaten und die Tea Party Bewegung hat nach der Wirtschaftskrise neuen Schwung bekommen. Simone Weil: war mir völlig unbekannt. Sie hat kein wirkliches Corpus an Ideen, sondern war Situationsphilosophin. Ich möchte mich trotz dessen, dass sie tw "esoterisch" drauf war, bzw viel mit Buddhismus verknüpfte und recht viel Theologie machte, näher mit ihr beschäftigen. Vor allem, weil Albert Camus den Hinterbliebenen in einem Brief schrieb, dass sie die Philosophin, die einzige, des 20. Jahrhunderts sei und er nur seinen winzigen Teil leisten könne, sie bei Gallimard zu verlegen. Wenn der King das sagt, dann muss dem Folge geleistet werden. Ich meine, das Buch endet auch mit dem Appell, dass es gelte, ihr Werk zu entdecken.
Ich möchte nicht gegen die Community-Richtlinien verstoßen, deshalb sei nur so viel gesagt: Man stelle sich vor, man ist ein Baum, leistet Jahrzehnte Dienste iSv Sauerstoff und endet dann als Papier, auf dem dieser Roman gedruckt wurde. Zudem ist es mir noch nie so unangenehm aufgefallen, dass eine Autorin nicht in der Lage war, sich in die Gefühlslage eines Mannes zu versetzen. Das komplexe Spiel aus Ehre, tatsächlichen Emotionen und Pflichtbewusstsein, das zu Zeiten Goethes (da spielt dieser zum Historienroman aufgeblasene Wikipediaeintrag) noch wesentlich ausgeprägter war, wurde von der Protagonistin, die sich als "Gute Ehefrau verstand, nicht begriffen und in ekligem Egoismus übergangen. Das stieß mir tatsächlich auf, denn diese Inkonsistenz wurde nie benannt.
Einziges Glück ist, dass ich das für einen Euro auf einem Flohmarkt kaufte.
Nach der Lektüre von diesem Roman ist mir aufgefallen, dass die Romane von Stephen King derart viele Parallelen haben, dass man von Beinahe-Kongruenz sprechen kann. Nicht nur Dinge wie der Maine'sche Spielort, der Englischlehrer der cool ist und Rockmusik mag (self-insert) und das unschuldige, aber flink denkende Kind, sondern so ziemlich alles andere auch. Das ist aber nicht schlimm.
Mir gefiel dieser Vampirroman ziemlich gut. An manchen Stellen fühlte es sich an wie ein Seuchenbuch und sehr stark wie "ES", aber auch das war nicht schlimm.
Und zur Abwechslung war es nett, dass nicht David Nathan, sondern Mr. Krabs aka Benjamin Blümchen aka Jürgen Kluckert las.
Dieses Büchlein umfasst zwei Gespräche, die von Schirach und Kluge zu Beginn der Pandemie hielten. Mal davon abgesehen, dass das vielmehr wirkt, als hätten sie aufgeschrieben, was sie gesagt hätten: Ganz angenehm, den beiden zuzuhören. Mich würde ein follow-up zu diesem 2. Wellenbrecher-Lockdown light interessieren, vor allem in Anbetracht des juristischen Hintergrundes der zwei.
Ich hatte eines dieser seltenen Ereignisse, bei welchem man sich für gewöhnlich denkt: "Ja, das war jetzt ein literarisches Ereignis". Die Kurzgeschichten hatten allesamt ein unbewusst seltsames Element, die aber gleichzeitig unglaublich fesselnd waren. Dass es mich stellenweise an Kafka erinnerte, wenngleich ein Jahrhundert nach vorne katapultiert, war auch nicht schlecht
Oft nennt man "1984" und ebendieses Werk in einem Atemzug und ich frage mich, warum das geschieht. Es ist eher ein Armutszeugnis, das die Autoren bestätigt, denn nur oberflächlich haben sie etwas gemein; in sich unterscheiden sie sich sehr.
In diesem Werk finden sich viele Dinge, die in mir (der Dostojewski ("Lieber erhabenes Leid als leichtes Glück) et al. schätzt) das absolute Grauen auslösen. Masse statt Klasse; der letzte Mensch nach Nietzsche (der Erdenfloh, der alles niedertrampelt; nicht subtil in der Exilszene John Savages zu sehen); Hedonismus (und damit Nihilismus, den man entmanteln muss und der sich in aller Grausamkeit offenbart), der nach nichts strebt; alle sind auf Drogen ("Soma"). Und dies alles vor der Konditionierung, die die "Zivilisierten" von der Wiege ab erhalten. Die Figur des Controllers fand ich seltsam, dem "Warum schießt Meursault und warum schießt er dann noch ein paar mal" ähnlich. Ein intelligenter Mann, der alles durchblickt und vor die Wahl gestellt wird, zu den frei denkenden Menschen zu kommen oder in dem zu verachtenden System Karriere zu machen und er wählt Zweiteres? Da kann man lange überlegen, warum er das so machte.
Wenn man dieses Buch gelesen hat, dann kann man nicht mehr "Imagine" hören.
Das war ein amüsanter Krimi, denn man konnte die Straßen in Gedanken mitverfolgen und den Ermittlern hinterhertrotten. Manche Restaurants haben andere Namen erhalten, waren aber auch gut erkennbar. Die letzten Seiten waren vielleicht ein wenig schwächer, aber dennoch war die ganze Sache recht rund.
Zwei Dinge führten mich zu Wittgenstein: das Hören des Hörbuchs "Zeit der Zauberer" und das Werk von David Foster Wallace (Sein "Besen im System" greift viele Referenzen auf und behandelt die Sprache und das Zeigen Wittgensteins; seine Buchbesprechung von "Wittgensteins Mätresse" hatte ihn sogar als "wissenschaftlichen" Gegenstand und das nicht gerade unspannend.
Der Text ist nicht direkt erschließbar, aber wenn man, wie W. anmerkt, am Ende die Leiter umstößt, dann hat man durchaus amüsante Einsichten gewonnen.
11 Biographien über das Liebes- und Sexualleben berühmter Philosophen. Sokrates: lustiger Typ Augustinus: beinahe verheerend für das ganze Abendland JJ Rousseau: was für ein weirder Mann Kant: nett, enthaltsam und amüsanterweise stets darauf bedacht, niemals zu schwitzen Marquis de Sade: nach ihm ist Sadismus benannt worden und man kann sich denken, weshalb. In seinen Schriften kam des Öfteren der Terminus Technicus "Arschficken" vor. Er lebte zur selben Zeit wie Kant. Was er in seiner Gefangenschaft (allgemein war sein clash mit der Justiz sehr unterhaltsam) tat, war teils verstörend. Die Brüder Humboldt: der eine eher Kantianer, der andere Foucault. Heidegger und Wittgenstein: bekannt. Michel Foucault: sehr interessant, da mir das nicht bekannt war. Seine Schriften sollte ich mal studieren.
Fazit: die meisten Philosophen liebten wirklich intensiv und litten meist an ihrer Denke diesbezüglich. Rousseau stellt eine Ausnahme dar, er war echt seltsam.