Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten
240 Seiten

Die Urgroßmutter Henrike, die Schafe aufschneidet und ihren Mann während des Geburtstags des Kaisers kennenlernt. Die Großmutter Hilde, die den Krieg mit erhobenen Armen begrüßt, dann aber nie wieder etwas über ihn erzählt. Die Mutter Miriam, die sich der Studentenrevolution anschließt und in späteren Jahren in Depressionen versinkt. Und Alma, die die Familiengeschichte aufdröseln will, vom Großonkel Benedikt, der die ersten fünfzehn Jahre schläft, über ihren Onkel David, der komplett aus Holz besteht, und den Menschen, die sie über die Jahre und Jahrzehnte begleiten …

Ich habe das Buch bereits vorab lesen dürfen (hier meine erste Rezension), wollte es jedoch unbedingt noch einmal lesen, um die Szenen, Stilmittel und die Magie, die in ihnen liegt, noch mehr wertschätzen zu können. Ich bin immer noch beeindruckt von Anna Maschiks Schreibstil und der Art und Weise, wie sie mit wenigen Worten ganze Bilder und Geschichten erschuf, wie sie sogar ohne Worte einen bleibenden Eindruck hinterließ. Ich liebe es, wie diese Familiengeschichte in Momentaufnahmen erzählt wurde, die sich mir schon seit Monaten ins Gedächtnis brannten und mit der Erfrischung der Lektüre sogar noch mehr.

Dieses Mal habe ich mir auch einen kleinen Stammbaum erstellt, um den Überblick über die Familienmitglieder zu behalten, was tatsächlich sehr geholfen hat. Henrike, Hilde, Miriam und Alma sind die Protagonistinnen, doch auch die Männer der Familie bekommen denkwürdige Rollen, wobei mir sowohl Benedikt als auch David sehr gefielen.

Noch mehr als beim ersten Mal empfand ich die Szenen, die als magischer Realismus interpretiert werden können, als Szenen, die man realistisch interpretieren soll – nur, auf welche Weise, bleibt den jeweiligen Leser:innen überlassen. Es machte mir sehr großen Spaß, mir zu überlegen, wofür gewisse Bilder wohl stehen.

Neben den Szenen, die eine wichtige Wiederholung der Familiengeschichte zeigten, mochte ich besonders diejenigen, die nicht aus klassischem Erzähltext, sondern aus Auflistungen bestanden, weil es so eindrucksvoll war, wie so wenige Worte einen so starken Effekt haben konnten.

Insgesamt also ein wunderbarer literarischer Roman, der durch seinen metaphorischen Schreibstil überzeugt!

Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten
240 Seiten

In Momentaufnahmen folgen wir der Geschichte von Almas Familie: Ihrer Urgroßmutter Henrike, die einen Bauernhof führte; ihrer Großmutter Hilde, die zunächst eigene Pläne hat, bevor sie ebenfalls eine Liebe für den Hof entwickelt; ihrer Mutter Miriam, die fast nicht existiert hätte; und alle Verwandten dazwischen, bis zu Alma selbst, die die Familiengeschichte in Fragmenten erzählt.

Der Schreibstil dieser Geschichte ist schlicht beeindruckend: Die Art und Weise, wie die Autorin Sprache verwendet, mir rhetorischen Stilmitteln arbeitet und mit wenigen Sätzen ganze Bilder erschafft, war phänomenal. Dadurch, dass die Geschichte aus mehreren einzelnen Szenen besteht und nicht strikt aus einer zusammenhängenden Handlung, ist es auch nicht die Handlung selbst, die so ergreifend ist, sondern die Art und Weise, wie sie erzählt ist.

Hervorheben möchte ich zum einen die Szenen, die schlicht gewisse Dinge aufzählten („Was Henrike sieht“, „Was Miriam isst“, „Was David spielt“ etc.), weil so durch wenige Worte Vorstellungen einer Handlung geweckt werden, die eigentlich nicht existiert, aber durch die Wörter und die Zusammenhänge, die man automatisch sucht, trotzdem entsteht. So entstand quasi mehr durch das, was nicht gesagt wurde, als durch das, was geschrieben ist.

Der magische Realismus ist ebenfalls etwas, das ich ansprechen möchte, denn es gibt einige Szenen, die, wenn man sie wörtlich nimmt, magisch anmuten, weil sie schlicht nicht in der Wirklichkeit geschehen können. Die eine Erklärung ist natürlich, dass hier tatsächlich magische Dinge vor sich gehen; doch ich mochte es, die Szenen nicht wörtlich, sondern im übertragenen Sinne zu nehmen, weil das Interpretationsspielraum schuf, der die Geschichte weiterhin bereicherte. Tatsächlich habe ich Lust, den Roman noch mal zu lesen, nur, um die tiefere Bedeutung vieler Szenen besser zu verstehen!

Insgesamt also eine hervorragende Lektüre, die vor allem für diejenigen, die eine bildliche, gewaltige Sprache lieben, perfekt geeignet ist – aber auch für diejenigen, die in ihren Geschichten die Dinge zu schätzen wissen, die nicht explizit gesagt werden. Ich selbst war überrascht darüber, wie sehr ich die Lektüre mochte und hoffe, dass sie auch anderen gefallen wird!