Johann Sebastian Bachs Matthäus-Passion ist das vielleicht bedeutendste Werk der Kirchenmusikgeschichte. Das mag daran liegen, dass gerade seine Vielschichtigkeit dazu einlädt es auf ganz unterschiedliche Arten und Weisen zu hören und nicht zur einer Komplexität geriert, die dem Hören eher hinderlich ist. Trotzdem sei jedem Liebhaber dieser Musik und insbesondere denen, die das Werk in welcher Position auch immer, aufführen ein eingehenderes Studium von Bachs großer Passion empfohlen. Hierzu hat Emil Platen in den 1990er Jahren einen überzeugenden Band vorgelegt. Ihm gelingt es, den damaligen Forschungsstand zu aggregieren und sortieren. Davon ist vielleicht einiges heute überholt. Da Platen aber wissenschaftlich sauber argumentiert, findet man schnell heraus, was davon überholt ist, wenn man den Spuren folgt, die er in den Anmerkungen legt. Der Autor benennt seine eigne Position zu diversen Zusammenhängen des Werkes und Forschungsergebnissen, lässt aber Raum für Widerspruch. Stimmt man ihm einmal nicht zu, mag man seinen Argumentationen trotzdem weiter folgen. Bei der Wiedergabe des Gesamttextes des Werkes gelingt ihm eine philologische Großtat: Platen gibt die Vielschichtigkeit des Textes (Evangelium, Choraldichtungen, freie Dichtungen) und ihre Interdependenzen mit allen Mitteln der (Druck)Kunst wieder. Wie greifen die verschiedenen Textebenen ineinander, welche Teile beziehen sich aufeinander, welche Wendungen nimmt die Musik (z. B. Tonartverläufe). Das alles wird bei ihm im Wortsinn augenfällig. Diese Studie erschien in zeitlicher Nähe zur sogenannten Neuen Bach Ausgabe und im gleichen Verlag. Sie erweist sich dieser würdig.
Es ist das Großereignis in der Region. Alle stehen auf der neu errichteten Staumauer, die Verantwortlichen, die Bauarbeiter und die Schaulustigen. Nur die ehemaligen Bewohner des Dorfes, das früher auf Höhe des Fundaments dieser Mauer lag, fehlen. Sie wollen dem Weltuntergang nicht beiwohnen. Allein Bürgermeister a. D. Martin Wacholder und die kleine Marie sind da. Ersterer weil er sich einbildet, wie ein guter Kapitän das „zu versenkende Schiff“ als letzter verlassen zu müssen, letztere weil sie hofft, dass der Weltuntergang doch noch scheitert. Schließlich hat sie vor einigen Monaten alles dafür getan. In „Bevor alles verschwindet“ erzählt Annika Scheffel die Geschichten der letzten Bewohner eines namenlosen Dorfes, das zur Gewinnung von Elektrizität in einen Stausee verwandelt werden wird.
Gesamte Kritik: http://theiresiasweb.de/2014/03/18/ein-halbes-jahr-bis-zum-weltuntergang/
Die sie Novelle kann in mehrerlei Hinsicht zwischen den Beiden großen Romanen "Abendland" und "Die Abendteuer des Joel Spazierer" angesiedelt werden. Vielleicht war sie ursprünglich auch mal als Teil von Abendland geplant, denn ein Großteil des Personals wird als bekannt vorausgesetzt. Die Verbindung zum nachfolgenden Roman besteht auf Grund eines der Themen: Köhlmeier befasst sich hier schon einmal in der Kleinenform mit einem passionierten Lügner.
Karl Schmidt spielte schon in Herr Lehmann mit. Er war Künstler. Als die Mauer fiel, zerschlug Karl sein Atelier und zog hernach in die Klappse ein. Und nun ist er wieder da. Und da er ja nun Abstienzler ist, kommen zwei alte Kumpel auf die Idee, er könne doch ein paar Techno-DJs auf einer Promo-Tour chauffieren, besser gesagt: auf alle aufpassen. Und das macht Karl dann auch. Und so wird er zum Schuzpatron der Stars des Labels Bum Bum Records, die mit „Magical Mystery“ eine Tour durch die Bundesrepublik starten, die unter gleichem namen damals bei den Beatles mächtig in die Buxe gigng. Nahezu alle Figuren des Romans haben nicht alle Tassen im Schrank und nahezu alle Figuren des Romans muss man doch irgendwie lieben, zumindest aber mögen. Rasant, manchmal lakonisch, mit Liebe zum Detail, doch nie schafelnd und immer abgefahren. Lesenswert!
Vielleicht müssen Fortsetzungen irgendwann schwach sein. Alles hängt demnach nur am der persönlichen Akzeptanz-Schwelle des Lesers. Ich finde Teil drei der Serie (1. Känguru-Chroniken, 2. Känguru-Manifest) schwach. Kleinkünstler Kling meandert durch die Welt. Ob ein Beuteltier dabei ist oder nicht, ist letztendlich egal. In weiten Teilen neigt der Text zur Zote. Das kann lustig sein, stört aber bei zu häufigem Gebrauch. Der Autor visiert hier anscheinend schon die Großform Roman an, bleibt aber scheinbar bei der Kleinform Kolumne. Dieser Spagat misslingt.