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Die scheusslichsten Länder der Welt - Mrs. Mortimers übellauniger Reiseführer
243 Seiten

Favell Lee Mortimer war eine englische, streng gläubige Autorin von Kindersachbüchern und lebte von 1802-1878. Zwischen 1849 und 1854 veröffentlichte sie übellaunige Reiseberichte, die voller Fremdenfeindlichkeit sind - und damals kaum Beachtung fand. Todd Pruzan stiess per Zufall auf diese und stellte sie zu einem Buch zusammen, welches 2005 herauskam.

Mortimer kommentiert die Essgewohnheiten, die Wohnsituationen, das Aussehen und die kulturellen Unterschiede der Bevölkerung verschiedener Länder. Alle, die nicht protestantisch leben, verurteilt sie als gottlos. An kaum einem Land und seiner Bevölkerung findet sie wirklich Gefallen. Das Besondere: Mortimer hat England nur zweimal verlassen, einmal als sie Schottland besuchte (und einmal, da bin ich mir nicht mehr ganz sicher, Belgien?). Die Länder, von denen sie schrieb, kannte sie daher nur aus anderen Erzählungen. Ihre Beschreibungen stecken voller Vorurteile und politischer Inkorrektheit.

Besonders interessiert hat mich natürlich ihren Bericht über die Schweiz. Sie kommt in ihrem Buch sehr gut weg, so positiv schreibt sie über kaum ein anderes Land. Über die Schweiz schreibt sie u.a. folgendes:

Es gibt in Europa kein so schönes Land wie die Schweiz; es ist ein Land der hohen Berge und tiefen Täler, der reissenden Flüsse und rauschenden Wasserfälle. [... ] Wenn man durch die Dörfer wandert, wird man oft arme Kinder erblicken, die mit gesenkten Köpfen, rollenden Augen und offenem Mund am Strassenrand sitzen. Was ist los mit ihnen? Das sind Dorftrottel. Sie haben kaum ein Fünkchen Verstand. [...] Man sollte sie nicht verhöhnen oder verachten, denn auch sie haben eine unsterbliche Seele, und manche von ihnen können zu Gott beten, auch wenn sie nicht arbeiten oder lesen können. [...] Die Protestanten haben eine der schlechten Angewohnheiten der Katholiken übernommen; sie amüsieren sich am Sonntag. Sogar die armen Leute aus den Bergen gehen am Sonntagabend zu den Gaststätten hinunter und trinken Wein; und auch wenn sie sich nicht betrinken, so sollten sie überhaupt nicht dort sein. (S.95-97)

Zu Beginn fand ich es sehr spannend, über verschiedene Länder zu lesen, wie sie Mitte des 19. Jahrhunderts von der Autorin beschrieben werden, wie über die einzelnen Nationen geurteilt wird. An Fremdenfeindlichkeit sind die Texte nicht zu überbieten. Ungläubig, dass sowas früher nicht nur gedacht, sondern auch ohne Konsequenzen vertextet werden konnte, las ich die einzelnen Reiseberichte. Es ist irgendwie so absurd, dass ich nur darüber lachen konnte - das Lachen blieb mir aber oft beinahe im Hals stecken. Mit der Zeit wurde das Buch aber ziemlich langatmig. Ihre Verurteilungen wiederholen sich, überall die Bettler und Gottlosen, die Taugenichten und Faulen. Frau Mortimer war sicherlich eine sehr verbitterte Frau. :)