Eine Frau schreibt einen Brief an ihr nie gesehenes Kind. Mit 16 Jahren wurde sie in der Nachkriegszeit ungewollt schwanger und ihre Eltern zwangen sie, das Kind wegzugeben. Nach aussen hin wirkt die Erzählerin wie eine starke Frau, selbständig, unabhängig - doch über dieses einschneidende Erlebnis ist sie nie hinweggekommen. Als sie selbst an einem Scheidepunkt ihres Lebens steht, schreibt sie diesen Brief an ihren Sohn, in dem sie ihm erzählt, was damals geschah.
Susanna Tamaro erzählt diese Geschichte mit so viel Gefühl, dass es trotz des traurigen Themas ein Genuss ist, sie zui hören. Was sicherlich auch an der Vorleserin Doris Buchrucker liegt, der man die Schmerzen, das Leid aber auch die Liebe in jedem Satz anhört. Auch wenn die Protagonistin tief enttäuscht wurde vom Vater des Kindes, ist es doch ein Kind der Liebe und das vermittelt sie ihrem Sohn in jeder Zeile ihres Briefes.
Tieftraurig, aber wunderschön!
Chimen Abramsky war ein bemerkenswerter Mann. Klein an Statur, dafür umso größer an Wissen und Gelehrsamkeit. Geboren Anfang des letzten Jahrhunderts in Minsk, erlebte er als Sohn des berühmten Rabbis Yehezkel die Verwerfungen des letzten Jahrhunderts besonders deutlich. Als sein Vater in eines von Stalins Arbeitslagern deportiert wurde, flüchtete die Familie nach London, wo sie nach der Haftzeit wieder zusammenfanden. Yehezkel wurde Vorsitzender des Londoner Rabbinatsgerichtes (Beit Din), einer sehr konservativ ausgerichteten Institution, während Chimen eines der führenden Mitglieder der Kommunistischen Partei Englands wurde, trotz der Erfahrungen in seiner Familie. Doch in den 60er Jahren gelingt es auch ihm nicht mehr, über die Greueltaten und den Antisemitismus der Sowjetunion hinwegzusehen. Er verlässt die Partei schweren Herzens und der neue Schwerpunkt seines Interesses ist nunmehr die Judaica und die jüdische Geschichte.
In dieser gesamten Zeit, also fast sein ganzes Leben, las Chimen nicht nur Alles, was er zu diesen Themengebieten finden konnte, er sammelte auch sämtliche Ausgaben, Manuskripte und Dokumente, deren er habhaft werden konnte. Das Haus von ihm und Mimi, seiner Ehefrau, quoll über von Gedrucktem - und dennoch war immer Platz für Gäste, die jeden Abend zahlreich erschienen und von Mimi verköstigt wurden; Gäste, die von der Aussicht auf geistreiche Diskussionen und Streitgespräche angelockt wurden, aber auch von Mimis guter Küche.
Ein wirklich außergewöhnlicher Mensch, über den sein Enkel Sasha Abramsky, der Autor, dieses Buch geschrieben hat. Es ist keine chronologische Erzählung, stattdessen durchschreitet Sasha A. das Haus Zimmer für Zimmer und berichtet, welche Bücher dort verwahrt wurden. Doch für eine Biographie wäre das etwas wenig und so werden anhand der jeweiligen Bücher Situationen und Abschnitte aus Chimens abenteuerlichem Leben erzählt.
Sasha A. hat einen wirklich schönen Schreibstil, es ist eine Freude seine Worte und Sätze zu lesen. Doch was das Vergnügen deutlich trübt, sind diese endlosen Namen, Fremdwörter und Geschehnisse, die teilweise wie Perlen an einer Kette aufgereiht werden. Beispielsweise auf Seite 143: In 15 Zeilen werden 12 Personen namentlich aufgeführt, von denen 10 nicht wieder im Buch erscheinen. Oder Seite 165: Jarmulkes, Haggadot, Seder. Irgendwo weiter vorne wurden die Begriffe kurz erklärt, aber bei der Vielzahl konnte ich sie mir leider nicht merken. Zudem liebt es der Autor, thematisch hin- und herzuspringen: Von privaten zu geschichtlichen Ereignissen, von kulturellen zu politischen Erklärungen - und das teilweise mit einer solchen Menge von Namen und Jahreszahlen, dass ich die betreffenden Passagen nur noch quer gelesen habe.
Schade, denn so empfinde ich dieses Buch über diesen wirklich interessanten Menschen als lediglich durchschnittlich. Sein Enkel hätte mehr über ihn als beispielsweise über den Kommunismus schreiben sollen ;-)
Eines ist auf jeden Fall sicher: Gerhard Falkner ist ein Sprachkünstler. Egal, wo man das Buch aufschlägt, auf fast jeder Seite findet man Sätze oder Beschreibungen, die es wert wären, im Gedächtnis zu bleiben (leider sind es einfach zu viele). Zum Beispiel: 'Freundschaft ist ein autochthones Relikt. Geht zurück auf ein Bündnis von Dorfbewohnern. Sie wird von der Mobilität zusammen mit allen anderen hemmenden Werten gerade in großem Umfang entsorgt.' Oder 'Seine überspannten Nerven, das leicht aus dem Ruder geratene Feuern seiner rund hundert Milliarden Neuronen mit ihren bis zu tausend Spikes pro Sekunde, spiegelten exakt die nervösen Energien und die schizoaktiven Schübe einer Stadt (Berlin) wider, die zwischen Wiedervereinigungstaumel, historischer Verstörung, symbolischer Demütigung und Hauptstadtrausch einen genauso durchgedrehten Moment erlebte wie er selbst.' Doch ob der Autor auch ein guter Geschichtenerzähler ist? Hm, tja, ich finde da gibt es Bessere, deutlich Bessere.
Denn die Geschichte um Georg Autenrieths Leben und das seiner FreundInnen in den 80er und 90ern ist zwar schön schräg und durchgeknallt, aber manchmal doch so sehr, dass ich nicht mehr recht wusste, was jetzt eigentlich Sache ist. Georg, die Hauptfigur, hat einen Doppelgänger oder auch nicht, ist in irgendeiner Form kriminell - oder auch nicht. Und scheint selbst nicht so richtig zu wissen, was jetzt ist oder nicht. Besser folgen kann man dem Leben seiner verschiedenen FreundInnen, die aus unterschiedlichen Milieus stammen. Es gibt eine gewisse chronologische Reihenfolge, die jedoch wiederholt unterbrochen wird von Rückblenden, Erinnerungen, Träumen, Phantasien usw. So entsteht immer wieder der Eindruck, es handle sich eher um ein Sammelsurium von Geschichten, als um den Lebensbericht des Georg Autenrieth.
Dennoch werde ich mir den Autor merken und mir auch sein zweites Buch anschauen. Denn seine Sprache ist faszinierend, hat Witz und fordert zum Mitdenken auf. Nicht das Schlechteste, was man von einem Schriftsteller sagen kann. Und wenn er dann irgendwann auch noch eine gute Geschichte erzählet ... ;-)
Seit Franziskus Papst ist, sind Dinge geschehen, die sich viele Menschen, Gläubige wie Nichtgläubige, wohl nicht einmal im Traume hätten vorstellen können. Worte wie Mitgefühl, Empathie, Demut, Verständnis und vor allem Liebe sind die wohl kennzeichnenden Begriffe Franziskus', die er nicht nur benutzt, sondern auch vor den Augen der Welt mit voller Überzeugung lebt.
Marco Politi beschreibt in seinem Buch detailliert, wie der Papst, dem der Titel 'Bischof von Rom' wesentlich besser gefällt, mit seiner ganzen Kraft versucht, die oben genannten Werte in seiner Kirche wieder an die erste Stelle zu setzen. Es widert ihn regelrecht an, wie Viele versuchen, sich an ihr Prestige und ihre Macht zu klammern, als sei dies ihnen von Gott gegeben. Und wie diese davon überzeugt sind, die katholische Kirche sei nur durch Gehorsam und Unterwerfung zu führen. Für Franziskus hingegen ist es ein Miteinander auf allen Ebenen mit dem Ziel, den Menschen zur Seite zu stehen, unabhänigig davon welchen Glaubens sie sind.
Für den großen Teil der derzeit herrschenden Nomenklatura ist dies natürlich ein Affront ersten Ranges. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass Franziskus durch die 'normalen' Menschen mehr Unterstützung und Zustimmung erfährt als aus den eigenen kirchlichen Reihen, die befürchten, ihrer Privilegien beraubt zu werden. So wird versucht mit Gerüchten, aber auch völlig offen Franziskus' Status zu demontieren, ihn der Unfähigkeit zu bezichtigen. Bisher glücklicherweise noch ohne viel Erfolg.
Das Buch beschreibt die verschiedenen Bereiche, die der Papst sich zu ändern vorgenommen hat. Finanzielle Transaktionen, Stellung der Frauen in der Kirche, resolute Abgrenzung zur Mafia, Aufgaben der Kurie - das ist nur ein Teil seines großen Aufgabengebietes. Der Autor belegt mit 349 Fußnoten die Echtheit seiner Aussagen und so war ich beim Lesen nur noch am Kopfschütteln über das bisherige Gebaren der katholischen Würdenträger. Gut, es war schon Einiges bekannt, aber was sich hier noch auftut ... Was all dies noch mit dem Christentum zu tun haben soll, ist wohl das Geheimnis der römischen Kurie.
Franziskus' Aufgabe ist eine riesige und es ist bewunderungswürdig, mit welcher Kraft und welchem Optimismus er daran geht, sie zu bewältigen. Es ist wohl sein Glaube, der ihn so beflügelt. Und den er in einer Art und Weise lebt, dass man auch als Nichtgläubige/r das Christentum in einer anderen Art und Weise zu betrachten beginnt.
Ben, knapp 40, hat seine beiden kleinen Kinder verloren - vielleicht durch seine eigene Schuld. Seine Frau hat ihn verlassen, während er seine Trauer und seinen Schmerz mit Alkohol betäubte. Dank seinem besten Freund kommt Ben langsam wieder auf die Beine, er beendet eine Ausbildung als Pflegehelfer und betreut den 17-Jährigen Trevor, der unheilbar krank ist. Gemeinsam machen sie sich auf eine Reise durch die USA, damit Trevor sich mit seinem Vater aussöhnen kann. Unterwegs begegnen sie der 15-Jährigen Dot und der jungen, hochschwangeren Peaches, die sie auf ihrer weiteren Reise begleiten werden.
Eigentlich ein tolles Thema, das neben viel Ernsthaftigkeit auch Humor und abenteuerliche Geschichten verspricht. Leider zieht sich das Ganze aber ziemlich, denn die eigentliche Reise beginnt erst ab ca. der Hälfte des Buches. Bis dahin jedoch verliert sich Ben, der Ich-Erzähler, in stets wiederholenden, sich selbstzerfleischenden Monologen, die ebenso auf der Reise fortgesetzt werden (wenn auch etwas weniger häufig). Natürlich sind solche Gedanken und Überlegungen selbstverständlich, gerade nach einem solchen Schicksalsschlag, wie er Ben widerfuhr. Doch die Häufigkeit, mit der diese Dinge zur Sprache kommen, beginnt beim dritten oder vierten Mal lesen langweilig zu werden, denn es ist immer wieder das Gleiche. Irgendwann war ich nur noch genervt und begann, diese Sätze quer zu lesen bzw. zu überfliegen, was diesem ernsten Thema sicherlich nicht gerecht wird.
Schade, es hätte ein richtig tolles Buch werden können. So aber bleibt es nur eine mittelmäßige Lektüre.
Gerade mal knappe 200 Seiten hat dieses Buch, das ich weder als einen Krimi noch als einen Thriller bezeichnen möchte, denn es gibt weder eine Auflösung noch einen Höhepunkt, auf den das Ganze zuläuft. Es beschreibt stattdessen 'nur', was sich in einer Winternacht auf einer Farm in Südafrika abspielt.
Gegen 18 Uhr werden plötzlich die Menschen auf der Farm von Muller beschossen, ohne dass jemand eine Ahnung hat, weshalb. Es gibt einen ersten Toten, die Anderen verbarrikadieren sich im Haus. Doch nun steht das Haus unter Beschuss und die Eingeschlossenen wissen, dass sie um ihr Leben kämpfen müssen.
Der Autor lässt beinahe schon im minütlichen Wechsel die Eingeschlossenen abwechselnd zu Wort kommen, wobei aus deren Sicht die Situation sowie ihre Gedanken emotionslos geschildert werden. So erhält man fast beiläufig, häufig nur durch einen Halbsatz, Hintergrundinformationen nicht nur zu den Beteiligten, sondern ebenso zur Lage in Südafrika. Nach und nach werden die Perspektiven der Angreifer miteinbezogen, was langsam etwas Licht in diese fast schon kriegsähnliche Situation hineinbringt.
Ein außergewöhnliches Buch, das auf engstem Raum spielt, gerade einmal eine halbe Nacht umfasst und dennoch in knappen Sätzen eine Vielzahl von Beziehungen offenlegt. Dazu noch spannend und brutal - nichts für schwache Gemüter.
Xavier Kieffer hat ein Händchen dafür, sich ganz ohne sein Zutun in kriminelle Machenschaften zu verwickeln. Dieses Mal gerät der luxemburgische Koch mit der Olivenöl-Mafia aneinander. Sein langjähriger Freund Alessandro verschwindet auf mysteriöse Weise, und bei der Suche nach ihm findet sich Xavier plötzlich in einem vollen Olivenöltank wieder.
Auch im vierten Band um Xavier Kieffer ist die malerische luxemburgische Hauptstadt Hintergrund für diesen Krimi, sodass man beim Lesen richtig Lust bekommt, sich einmal direkt vor Ort umzuschauen. Essen und Trinken kommen in diesem Buch ebenfalls nicht zu kurz: neben der luxemburgische Küche wird dieses Mal auch der italienischen Platz eingeräumt. So ist es eine Lektüre, bei der man ständig Appetit hat.
Hauptthema dieses Krimis ist die Panscherei mit Olivenöl. Italien verbraucht jedes Jahr circa 600.000 l Olivenöl, dazu kommen noch 400.000 l für den Export. Verwunderlich ist allerdings, dass pro Jahr nur 300.000 l produziert werden. Der Autor hat offensichtlich intensiv recherchiert, denn er präsentiert dazu informative Details, die den meisten Lesenden vermutlich bisher unbekannt waren.
Alles in allem ein gewohnt unterhaltsamer und appetitmachender Krimi mit viel Lokalkolorit um den luxemburgischen Koch Xavier Kieffer.
Trudi , Nele und Renate sind schon seit Teenagertagen die allerbesten Freundinnen. Ihren 50. Geburtstag feiern sie natürlich gemeinsam und bekommen von ihren Töchtern ein besonderes Geschenk. Mit einem R4, dem Auto, mit dem sie in den Achtzigern unterwegs waren, sollen sie nach Italien fahren. Allerdings unter den Bedingungen, die damals herrschten. Das heißt: keine Smartphones, keine Kreditkarten, überhaupt wenig Geld, und nicht zu vergessen natürlich auch die Kleidung von damals. Nele und Renate sind begeistert und stürzen sich voll Elan in diese Reise, während Trudi, die Icherzählerin, nur widerwillig ins Auto steigt.
Es ist eine unterhaltsame Lektüre, allerdings wohl aber nur für diejenigen, die in den Achtzigern ebenso wie die Protagonistinnen in den Zwanzigern waren. Die Geschichte ist voll mit Erinnerungen an diese Zeit: an Musikgruppen, Filmstars, an das Essen, die Redensarten und Verhaltensweisen. So wird es nicht nur eine Reise in die Vergangenheit für die drei Frauen, sondern auch für die Lesenden.
Natürlich ist es unvermeidlich, dass bei einem solchen Thema auch die Selbstfindung nicht zu kurz kommen darf a la: Was wurde aus meinen Träumen in den Achtzigern? Dass die Antworten darauf nicht immer erfreulich ausfallen, ist zu erwarten. Wie auch manch Anderes in diesem Buch recht klischeehaft daherkommt. Mich hat das jedoch nicht allzu sehr gestört, ich habe mich gut unterhalten und amüsiert während des Lesens.
Eine leichte und humorvolle Lektüre für die oben genannte Zielgruppe.
Immer wieder verschwinden Menschen spurlos von Kreuzfahrtschiffen - Selbstmord ist meistens die Erklärung. Ob sie aber auch stimmt, weiß niemand so genau, denn außer eventuellen Angehörigen gibt es Niemanden, der Interesse an der Wahrheit hat. Auch als Martin Schwartz vor fünf Jahren seine Frau und seinen Sohn während einer Kreuzfahrt auf der 'Sultan of the Seas' verlor, unterblieben weitere Ermittlungen, denn Selbstmord schien trotz diverser Unstimmigkeiten die einfachste und damit beste Erklärung. Nun erreicht den Polizeipsychologen, der über diesen Verlust nicht hinwegkommt, ein Hilferuf von eben diesem Schiff: Ein ebenfalls vermisstes Kind ist wieder aufgetaucht, was jedoch vertuscht werden soll, um keine Passagiere abzuschrecken. Schwartz bucht kurzfristig eine Passage mit der Hoffnung, auch etwas über den Verlust seiner Frau und seines Sohnes zu erfahren.
Eines ist dieses Buch auf keinen Fall: langweilig. Über 400 Seiten hat es, aber ich habe es mehr oder weniger in einem Rutsch durchgelesen, obwohl ich eigentlich Anderes zu tun hatte ;-) Man sollte also meinen, ein klarer *****-Thriller, aber da gibt es doch einige Schwächen, wobei das Ende für meinen Geschmack das größte Manko darstellt. Die Auflösung ist derart hanebüchen, dass ich bei den letzten Seiten immer wieder nur noch den Kopf schüttelte. Ok, als Autor will man natürlich sein Publikum überraschen, aber dann derart tief in die Trickkiste zu greifen nur der Überraschung willen? Mir war's zuviel, doch die Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden ;-)
Eine weitere Schwachstelle ist die Vielzahl der Personen, die zu Beginn hopplahopp in kurzen Kapiteln eingeführt werden und von denen manche nicht allzu viel zur Entwicklung der Geschichte beitragen. Hier wäre weniger sicherlich mehr gewesen - allerdings wären es dann wohl keine 400 Seiten geworden. Dennoch: Künftigen Kreuzfahrern werde ich diese Lektüre ins Gepäck legen ;-)
Bettina Landgrafe ist eine beeindruckende Person. Nachdem sie in ihrem Urlaub mit einer Organisation in Gambia war, um die Menschen dort mit medizinischer Hilfe zu unterstützen (sie ist Krankenschwester), war sie so begeistert von diesem Land, dass sie fortan regelmäßig wiederkehrte, allerdings auf eigene Faust. Zudem begann sie Spenden zu sammeln, um in 'ihrem' Dorf eine Toilettenanlage zu installieren - der grösste Wunsch der BewohnerInnen. Tatsächlich gelang es ihr - und nicht nur das. Auch ein Brunnen konnte gebaut werden und mit jedem weiteren Erfolg stieg ihre Bekanntheit und damit auch das Spendenaufkommen, sodass ihre Projekte sich mittlerweile beinahe über ganz Gambia erstrecken. In 'ihrem' Dorf wurde sie sogar zur Königin ernannt, eine grössere Ehre ist kaum vorstellbar.
Mittlerweile hat sie ihr Leben praktisch Gambia verschrieben und fühlt sich dort mehr zuhause als in Deutschland. Wie es dazu kam und was sie dort Alles bewegt und erreicht hat, davon erzählt sie in diesem Buch. Es ist eine fast unglaubliche Geschichte und wäre ihr Tun durch die Medien nicht so gut dokumentiert, könnte es man auch für bloße Übertreibung halten. Daher wäre allein der Inhalt ohne jede Frage sofort fünf Sterne wert, doch leider ist die Umsetzung nicht so gelungen. Bestimmte Dinge, die ihr offenbar sehr wichtig sind, werden so häufig wiederholt, dass ich sie nur noch quer gelesen habe. Beispielsweise, dass man den Menschen auf Augenhöhe begegnen, sie in Entscheidungen einbeziehen und ihre Erfahrungen berücksichtigen muss. Natürlich ist dies wichtig, sogar sehr wichtig (und wird dennoch noch immer nicht ständig berücksichtigt). Und keine Frage, es muss auch immer wieder in Erinnerung gebracht werden. Doch in der Häufigkeit, wie es in diesem Buch geschieht, ist es einfach des Guten zuviel, weshalb es 'nur' für vier Sterne reicht.
Hemmersmoor, ein kleines Dorf im Teufelsmoor, irgendwann in den Fünfzigern des letzten Jahrhunderts. Urbanes Leben, wie es bereits in Hamburg oder Bremen teilweise schon damals stattfindet, scheint hier noch Lichtjahre entfernt. Noch immer beherrschen Aberglauben, Gewalt und Roheit den Alltag der Bewohner in einem Maße, wie man es sich für diese Zeit mitten in Deutschland kaum vorstellen kann. Davon erzählt dieses Buch über eine Spanne von ca. zehn Jahren, stets abwechselnd aus der Sicht mehrer BewohnerInnen, die zu jener Zeit Kinder und miteinander befreundet waren.
Es ist kein fortlaufender Roman mit einer kontinuierlich fortschreitenden Entwicklung; vielmehr könnte jeder Abschnitt auch für sich stehen, dessen 'Höhepunkt' meist Gewalt oder Tod darstellt. Chronologisch bauen diese Abschnitte aufeinander auf, aber es wird eher beiläufig auf die vorangegangenen Geschehnisse verwiesen bzw. eingegangen, sodass man eher nebenher erfährt, was tatsächlich geschah oder wie es endete.
Mir hat diese Form des Erzählens sehr gut gefallen, denn jede einzelne dieser Geschichten ist so unglaublich, entsetzlich und/oder haarsträubend, dass ich danach immer erst einmal eine Pause einlegte. Dass die Firnis unserer Zivilisation sehr dünn ist, zeigt sich ja stets wieder auf's Neue. Aber dass sie in manchen Teilen Deutschlands vor nicht einmal 70 Jahren praktisch nicht existierte, hat mich doch ziemlich entsetzt und mich nach jedem Abschnitt das Buch zuklappen lassen.
Ich weiß leider nicht, wieviel Realität tatsächlich in diesen Geschichten steckt, denn trotz längeren Suchens habe ich leider kein Interview mit dem Autor gefunden, in dem er darüber Auskunft gibt. So bleibt die Hoffnung, dass er vielleicht 'etwas' übertrieben hat bei seinen Erzählungen und die Menschen doch nicht so schlecht sind ;-) Auf jeden Fall ist das Buch eine schaurigschöne Lektüre.
Wenn aus Träumen Realität wird, kann daraus eine tiefgründige und humorvolle Reise nach Japan werden; so wie in diesem Buch.
Gilbert Silvester ist einer jener Männer, die irgendwann feststellen, dass sich ihr Leben nicht so entwickelt hat, wie sie es sich in jungen Jahren vorstellten. Statt wie viele seiner früheren Kommilitionen Karriere zu machen, hangelt er sich von Projektvertrag zu Projektvertrag, während seine Frau als Gymnasiallehrerin erfolgreich ist. Eines Nachts träumt er, dass sie ihm untreu ist und als er erwacht, ist klar, dass dieser Traum die Wahrheit darstellt. Fassungslos verlässt er das Haus und fliegt schnellstmöglich so weit weg wie es geht - nach Tokio. Dort plant er eine Reise auf den Spuren des Dichters Bashō, doch noch bevor er sie antritt, kann er den Selbstmord des jungen Japaners Yosa verhindern. Dieser schließt sich ihm an und gemeinsam machen sie sich auf den Weg.
Es ist eine ruhige, stellenweise poetische und auch philosophische Geschichte, die jedoch nicht ohne Humor ist. Gilbert ist ein etwas dröger 'Held', der sich seines beruflichen Mißerfolges zwar durchaus bewusst ist, verantwortlich dafür sind aber die Fehler der Anderen: die Kritikunfähigkeit seines Doktorvaters, der nicht geschätzte Auslandsaufenthalt - irgendwas war immer. Stets ist er das Opfer, nun das seiner Frau, die ihn mit ihrer Untreue (wenn auch nur geträumt) nach Japan getrieben hat. Wirklich amüsant wird es, als er Yosa begegnet und versucht, ihm die Welt zu erklären, die japanische natürlich. Und ihm (gedachte) Vorhaltungen macht, die exakt auf seine eigene Person zutreffen, was mir Gilbert aber wieder sympathischer machte (wie häufig, wenn ich über Personen lächeln muss ;-)).
Voller Poesie sind die zahlreichen Naturbeschreibungen, ganz im Sinne des Dichters Bashō, für den Poesie einen eigenen Lebensstil darstellte; selbst die des Selbstmörderwaldes, der tatsächlich existiert. Und auch die philosophischen Gedankengänge Gilberts von der Bartbetrachtung (seinem aktuellen Forschungsprojekt) bis zum Allmachtsparadoxon sind lesenswert-amüsant.
Ein ungemein vielschichtiges Buch, das mit Genuss und Aufmerksamkeit gelesen werden sollte und aus dem man viel über Japan erfahren kann.
Als 'spannender Schauerroman und eine wunderbare Lektüre für Gruselfans' wird diese Geschichte angekündigt, doch um ehrlich zu sein, habe ich davon nicht allzuviel mitbekommen.
Hauptfigur ist der pensionierte Arzt Flugbeil, der seinen Lebensabend gemeinsam mit verschiedenen alten Adligen auf dem Hradschin verbringt. Während eines Whistabends erscheint ein seltsamer Mann in den Räumlichkeiten, der die merkwürdige Fähigkeit hat, Vergangenes wieder deutlich ins Bewusstsein zu bringen (auch durch Veränderung seiner Physiognomie) und die Anwesenden damit in Unruhe versetzt. Flugbeil forscht dem Unbekannten nach, der ihn an jemanden erinnert und trifft dabei seine frühere Geliebte, die 'böhmische Liesel', eine mittlerweile auch in die Jahre gekommene frühere Prostituierte. Diese Begegnung verstört Flugbeil mehr als ihm lieb ist ...
Daneben wird die Geschichte von Polyxena und Ottokar erzählt. Sie ist die Nichte einer der Adligen und verliebt sich in einen jungen Studenten, der deutlich unter ihrem Range steht. Während sie über ihre Gefühle nachdenkt, wird ihr klar, dass sie sich zu einer ihrer Vorfahrinnen, der sie täuschend ähnlich sieht, derart hingezogen fühlt, als ob diese versuchen würde, von ihr Besitz zu ergreifen. Weiterhin entdeckt sie, dass sie in der Lage ist, Menschen alleine durch ihren Geist zu manipulieren. Ottokar, der ebenfalls in Liebe zu Polyxena entbrannt ist, wird von den revoltierenden Proletarieren als neuer Herrscher auserkoren, mit ihr an seiner Seite.
Was der Autor mit dieser Geschichte aussagen wollte, ist wohl eine massive Gesellschaftskritik, die sich in erster Linie an den Adel richtet, der beinahe völlig vertrottelt in seinen vier Wänden hockt und ab und zu voller Abscheu auf das niedere Volk herabschaut. Dieses wiederum blickt mit großer Wut nach oben auf den Hradschin und sammelt sich, um den Alten die Macht und das Geld zu entreißen. Verpackt ist dies in mystische Begebenheiten wie beispielsweise Aweysha; die Macht, in andere Menschen einzudringen und diese nach dem eigenen Willen reden und handeln zu lassen.
Auch wenn das Ganze recht schaurig beschrieben ist (die Szenerie ist meist dunkel, muffig; es gibt makabere Stellen mit Trommeln aus Menschenhaut), wirkte das auf mich eher alles amüsant. Zum Einen fand ich dieses Gruselige recht überzogen, zum Anderen sind die handelnden Personen so schräg, skurril und teilweise sogar böse beschrieben, dass ich immer wieder laut lachen musste. Beispielsweise über Baron Elsenwanger, wie er mit seinem Strickstrumpf in der Hand an seinem Schreibtisch sitzt. Oder wie die Whistrunde erfährt, dass Einer der Ihren es gewagt hat, tatsächlich in die Stadt hinunterzugehen. Oder wie Flugbeil traurig über sein einsames Leben jammert: 'Er nickte seinen vergißmeinnichtumrahmten Tigerpantoffeln trübselig zu: "Extra geschmacklos hab ich sie mir bestellt, um mir einreden zu können, sie seien ein Geschenk. Ich habe geglaubt, daß dadurch die heimliche Traulichkeit in meiner Stube einziehen würde."'
Diese Geschichte ist voll gespickt mit Ironie, Esoterik, Ausflüge in verschiedene Religionen, Sarkasmus, Philosophie undundund, für meinen Geschmack aber zuwenig zusammenhängend - selbst die Walpurgisnacht taucht nur am Rande auf. Vielleicht fehlt mir aber einfach das entsprechende Hintergrundwissen, um es richtig einzuordnen. Auf jeden Fall wirkte das Ganze so mehr wie ein Flickenteppich auf mich mit durchaus interessanten und auch amüsanten Einzelteilen.
Wer Grausamkeiten und Brutalität in geschriebener Form nicht oder nur schlecht ertragen kann, sollte um dieses Buch einen Bogen machen. Denn es ist derart barbarisch und erbarmungslos, dass ich zwischen den einzelnen Teilen jeweils eine Pause einlegen musste. Was mir jedoch nicht einfach fiel, denn die Geschichte ist derart nervenzerreißend erzählt, dass es mir schwerfiel, das Buch aus der Hand zu legen.
Der eigentliche Plot ist nicht unbekannt: Einbrecher dringen in ein Haus ein und drangsalieren die BewohnerInnen auf die schlimmste Art und Weise. Trotzdem schnell klar ist, wer und was dahintersteckt, lässt die Spannung keine Sekunde nach. Denn neben dem beschriebenen Angriff gibt es Rückblicke auf die nahe und ferne (10 Jahre) zurückliegende Vergangenheit des überfallenen Ehepaares Turner, die nicht weniger gewaltsam war als die geschilderte Gegenwart und noch immer einen mehr oder weniger starken Einfluss hat.
Sehr eindringlich sind die von Roger Smith dargestellten Verhältnisse in Südafrika, das Land aus dem die Turners kommen und in dem Gewalt in jeder Form praktisch etwas Alltägliches ist. Und der Autor macht deutlich, dass Gewalt immer wieder zu neuer Gewalt führt und auch über Jahre und Jahrzehnte hinweg ihre Spuren hinterlässt (‚…, die mit einer Grausamkeit geplündert, vergewaltigt und gemordet hatten, die nur vom genetischen Gedächtnis geschürt worden sein konnte.‘). Obwohl Smith keinen Gewaltexzess auslässt, schwelgt er nicht darin, das Entsetzliche noch und noch detaillierter zu beschreiben. Stattdessen wird es vergleichsweise nüchtern dargestellt, wobei aber die Innenansicht Turners hinzukommt, was wesentlich schrecklicher wirkt als jedes zusätzliche Detail.
Fazit: Klasse geschrieben in einer unglaublich bildhaften Sprache und buchstäblich spannend bis zur letzten Seite, doch stellenweise nur schwer zu ertragen. Ein toller Thriller, aber auf keinen Fall für schwache Gemüter 😉
Manchmal braucht es gar nicht so viele Worte, um eine wirklich gute Geschichte zu schreiben, wie dieses gerade einmal 120 Seiten umfassende Buch zeigt.
Jocelyne, 47 Jahre, verheiratet, zwei erwachsene Kinder und eine Leiche (wie sie selber meint), Besitzerin eines Kurzwarenladens, führt ein so unaufgeregtes Leben, dass man es praktisch langweilig nennen könnte. Doch sie ist glücklich: Sie liebt ihren ungehobelten Mann, ihre Kinder, ihren Laden und ihre Kundinnen - sie ist (kaum zu fassen) ein glücklicher Mensch, obwohl ihre Träume nicht in Erfüllung gingen. Eines Tages füllt sie das erste Mal in ihrem Leben einen Lottoschein aus - und gewinnt 18 Millionen Euro. Ob sie jetzt noch glücklicher wird?
Diese Frage stellt sie sich im Mittelteil des Buches. Welche Wünsche könnte sie sich erfüllen, was würde es mit ihr machen? So bildhaft und nuanciert wie sie im ersten Drittel ihr Glück beschreibt (in diesem unnachahmlichen französischen Sti), das sie auch ohne die Erfüllung ihrer Träume erreicht hat, fallen auch ihre Fragen zu diesem einschneidenden Ereignis aus, das ihr widerfahren ist. Man spürt ihre verhaltene Freude, auch das Nochnichtglaubenkönnen, aber auch ihre Zweifel über diesen überraschenden Gewinn. Es geschieht nicht viel in dieser Geschichte, aber spätestens nach der Bekanntgabe des Lottogewinns (was recht früh geschieht), liegt eine anhaltende Spannung in der Luft. Während ich las, wartete ich die ganze Zeit auf eine Entscheidung, einen Knall, es musste etwas passieren. Das tut es auch, aber völlig anders als gedacht.
Es ist ein kleines, aber sehr feines Buch über das Glück und das Unglück, die Freude im Leben aber auch das Leid. Am erstaunlichsten fand ich jedoch, dass diese Geschichte, die überzeugend aus der Sicht einer Frau erzählt wird, von einem Mann geschrieben wurde. Diesen Autor muss ich mir merken :-)