Hundsköpfe

Kaum vorstellbar - ein Acht-Stunden-Hörspiel und dennoch wünscht man sich nach der letzten CD, es möge nochmal so lange dauern.
Eine Familiengeschichte über drei Generationen, erzählt vom Jüngsten der Familie, Asger Eriksson, der nach sieben Jahren in Amsterdam kurz vor dem Tod seiner Großmutter nach Hause zurückkehrt, um ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Eine Geschichte voll von Tragik, Absurdität, Grausamkeit, Freude undundund, ach, einfach allem.
Da gibt es Großvater Askild, der mit seiner Kriegsgefangenschaft und dem, was dort geschah, nicht fertig wurde und darüber anfing zu trinken, der mehr Leid als Freud über die Familie brachte. Großmutter BjØrk, die mit ihrer Liebe zu weißen Kitteln und Stethoskopen beinahe das ganze Familienleben auf's Spiel setzte. Die drei Kinder Niels Segelohr, der im Plumpsklo geboren wurde, die dicke Anne Kathrine, später als Hodenquetscherin berüchtigt und Knut, der auf hoher See verschwand. Cousin Appelkopp, der aus lauter Liebe sein wertvollstes Teil tätowieren ließ usw. usf. Geschichten über Geschichten mit überwiegend skurrilen aber liebenswerten Figuren, selbst der ewig betrunkene Askild wächst einem ans Herz.
All das ist so wunderbar erzählt, und zwar sowohl von Morten Ramsland wie auch dem Vorleser Heikko Deutschmann, dass man nicht mehr aufhören möchte zuzuhören. Deutschmann gelingt es durch zum Teil auch kleine Nuancen, den Figuren eine Persönlichkeit zu verleihen, so dass man sie unmittelbar vor sich sieht.
Alles in allem: Unterhaltung vom Feinsten!

Bad Monkeys
272 Seiten

Jane Charlotte, festgenommen wegen Mordes, sitzt in der psychiatrischen Abteilung eines Gefängnisses. Sie behauptet, Mitglied einer Organisation zu sein, die sich das Ziel gesetzt hat, das Böse in der Welt zu beseitigen. Jane Charlotte erzählt, - wie die Organisation sie gefunden hat, - über ihre durchgeführten Aufträge und - über Dinge, die immer phantastischer und unglaublicher werden: Miniaturkameras, die überall alle und jeden überwachen, Waffen, die töten ohne Spuren zu hinterlassen - es ist eine Organisation, die jederzeit über alles und jeden informiert ist und sich anmasst, selbstgefällte Urteile zu vollstrecken. Vom Psychiater, der sie befragt, mit Tatsachen konfrontiert, die nicht zu ihren Aussagen passen, hat sie für all diese Ungereimtheiten Erklärungen. Die dann noch eine Spur fantastischer und unglaublicher klingen, doch aus ihrer Sicht (und damit auch der der Leserin und des Lesers) aus der Allgegenwärtigkeit und den Fähigkeiten der Organisation herrühren und damit durchaus plausibel klingen. Das Ganze steigert sich bis zu einem wahrhaft überdrehten Finale (dessen Ende ich natürlich nicht verrate :-)), das man unter Umständen zweimal lesen muss, um sicher zu gehen, die Auflösung richtig verstanden zu haben.
Auch wenn der Ausgangspunkt ein Mord war: Ein Krimi im herkömmlichen Sinne ist dieses Buch nicht. Eher eine Mischung aus Fantasy, Science-Fiction, Actionthriller? Egal - auf jeden Fall gut zu lesen und so spannend, dass man es in einem Rutsch durchbekommt.

Wie der Soldat das Grammofon repariert

Was habe ich mich mit diesem Hörbuch geplagt. Nicht, weil es nicht gut ist - ganz im Gegenteil. Es ist hervorragend, und gerade deshalb nicht zum Nebenbeihören geeignet.
Saša Stanišic lässt in einer wundervollen bildhaften Sprache den kleinen und großen Aleksandar von dessen Leben erzählen: Wie er aufwächst im alten Jugoslawien, man gemeinsam ungeachtet der Herkunft rauschende Feste feiert, wie dann der Krieg auch Višegrad, seine Heimatstadt erreicht, die Familie nach Deutschland flieht und Aleksandar als junger Mann zurückkehrt mit der Hoffnung, noch etwas von seinen Erinnerungen wiederzufinden. Es sind wahre, halbwahre und Phantasiegeschichten die hier berichtet werden, und in jeder einzelnen empfindet man die große Liebe zu seiner Heimat, den Menschen und den Orten. Was 'Wie der Soldat das Grammofon repariert' jedoch so besonders macht, sind die ausdrucksvollen Wort- und Satzkunstwerke, mit denen Aleksandar seine Erlebnisse erzählt: 'Meine Tante spricht eine deutsche Autobahn schnell.' oder '..man müsste einen ehrlichen Hobel erfinden, der von den Geschichten die Lügen abraspeln kann und von den Erinnerungen den Trug. Ich bin ein Spänesammler.' Hört man nicht konzentriert zu, entgeht einem vieles.
Ebenfalls bemerkenswert ist der genaue Blick des Autors für das Absurde und Komische, den er selbst in Situationen nicht verliert, in denen es eigentlich nichts zu lachen gibt. Man ist entsetzt über die Grausamkeit dieses Krieges und kann sich ein Schmunzeln während des Zuhörens dennoch nicht verkneifen.
Das Alles wird vorgetragen von Saša Stanišic selbst und ich bin mir sicher, niemand anders hätte es besser machen können. Er trägt Aleksandars Geschichte nicht nur vor, nein, er selbst ist Aleksandar, so überzeugend ist seine Lesung. Ich bin mir sicher, dass das Buch nicht besser sein kann, aber - da es noch einige Geschichten mehr enthält, habe ich es mir nun auch noch gekauft. Ich freu' mich schon drauf!

Das fünfte Zeichen
512 Seiten

Völlig daneben lag ich als Leserin, wer der Mörder denn sein könnte. Und exakt aus dem gleichen Grund, weshalb Harry Hole anfangs auch nicht die richtige Lösung fand. Doch während er irgendwann feststellte, was schief lief, blieb ich bis kurz vor Schluss auf der falschen Fährte. Doch der Reihe nach.
Nachdem Harrys erneuter Versuch, den Mörder seiner Kollegin Ellen dingfest zu machen, misslang, ertränkt er mal wieder seine Verzweiflung in Alkohol. Und kommt seiner Kündigung zuvor, indem er sie selbst einreicht. Doch kurz bevor diese vom Kriminaldirektor bestätigt wird, geschehen innerhalb kurzer Zeit drei Morde - allen Opfern fehlt ein Finger und es wird ein roter sternförmiger Diamant aufgefunden. Harry ist wieder dabei - und ausgerechnet im Team seines Erzfeindes. Doch überraschenderweise zeigt sich dieser Harry gegenüber von seiner besten Seite...
Im Gegensatz zu den vorhergehenden Büchern mit Harry Hole gibt es dieses Mal kein Schwerpunktthema, um das sich die Geschichte rankt. Dafür sind es aber zwei Fälle, die in diesem überaus spannenden Krimi erzählt werden. Zum einen die Suche nach dem Serienmörder, zum andern die persönliche Jagd Harry Holes nach dem Mörder seiner früheren Kollegin Ellen. Wie beide sich immer mehr miteinander verknüpfen, ist schlicht genial und hochspannend. Details, deren ganze Bedeutung sich erst gegen Ende erschließt (wenn man nicht schon früher so begnadet schlussfolgert wie Harry Hole); Spuren deren Bedeutung man gedankenlos folgt, obwohl es ganz anders sein könnte - man muss das Buch wohl zweimal lesen, um es vollständig genießen zu können. Und obgleich der Held strenggenommen ein Antiheld ist (Alkoholiker, Drogenmissbrauch, disziplinlos...),wächst er einem mit jedem Band und jeder Seite mehr ans Herz.
Ich freu' mich schon auf den nächsten Band!

Novecento
82 Seiten

Tim Tooney, der Trompeter der Band, in der Novecento spielt, erzählt diese Geschichte. Sie sind Freunde für's Leben seit sie während eines heftigen Sturmes auf Wunsch Novecentos einen gemeinsamen Tanz mit dem Klavier durchführten (mit wahrhaft durchschlagendem Erfolg). Tims Zuneigung für seinen Freund ist auf jeder Seite dieses Textes spürbar, ebenso wie seine Versuche, seine Gedanken und Handlungen verstehen zu wollen, was ihm (bedauerlicherweise ?) bis zum Ende nicht gelingt. Novecento wird durch diese gefühlvolle Erzählweise zu einer sehr liebenswerten aber auch mysteriösen Person für die Leserinnen und Leser, was sicherlich zum Reiz dieses Buches beiträgt. Einfach schön!!

Così fan tutte

Dem Ehepaar Ransome wird während eines Opernbesuches im wahrsten Sinne des Wortes die gesamte Wohnung ausgeräumt - es gibt nicht einmal mehr Klopapier. Wie sich das Leben dieses typischen britischen Middleclass-Ehepaars -steif, prüde, leicht versnobt- durch diesen Vorfall ändert, schildert Bennett außerordentlich humorvoll, doch ohne Klamauk. Mit viel Wortwitz und Ironie erzählt er, wie Beide auf ihre jeweils eigene Art und Weise mit diesem Ereignis umgehen.
Und Uwe Friedrichsen ist für diese Erzählung der ideale Vorleser. Voller Seriosität trägt er selbst die amüsantesten Stellen vor und verleiht zudem den beiden Hauptpersonen eine Stimme, dass man sie wahrhaft vor Augen hat.

Der Täuscher
544 Seiten

Nur noch bar bezahlen...
Nachdem die 450-Minuten-Lesung dieses Buches vorüber war, überlegte ich mir ernsthaft, ob ich meine Kunden- und Kreditkarten sowie mein Handy abschaffen soll, vom Navi ganz zu schweigen. Denn das Szenario, das Jeffrey Deaver in seinem achten Fall für Lincoln Rhyme und Amelia Sachs entwirft, wirkt so nah an der Realität, dass man sich zwangsläufig fragt, wieviel davon schon Realität IST.
Durch Zufall kommt Lincoln Rhyme mit seinem Team einem Serienkiller auf die Spur, der eine offenbar perfekte Methode entdeckt hat, die Verantwortung für seine Bluttaten anderen Menschen in die Schuhe zu schieben. Unter Zuhilfenahme eines immensen Datenpools manipuliert er das Leben Anderer auf derart perfide Art und Weise, dass diese am Ende ihrer vollständigen Identität beraubt sind oder wegen Verbrechen verurteilt werden, die sie nicht begangen haben. Als er feststellt, dass man ihm immer näher kommt, beginnt er seine Täuschungen auch auf Rhyme und sein Team auszudehnen...
Willkommen zurück, 1984! Bei George Orwell sah die Zukunft zwar etwas anders aus, aber letzten Endes kam sie zum gleichen Ergebnis: vollständige Überwachung. Deaver zeigt in seinem Thriller mustergültig auf, was geschehen kann, wenn all die Informationen, die jede/r von uns tagtäglich mehr oder weniger unbewusst versendet, zentral gespeichert und ausgewertet werden. Neben dieser beklemmend wirkenden Fiktion, die durchaus ausreichend genug gewesen wäre für eine spannende Story, wartet Jeffrey Deaver noch mit einem Psychothriller in gewohnt dramatisch-spannender Art auf, der auf kongeniale Weise von Dietmar Wunder (Synchronsprecher von u.a. Daniel Craig, Robert Downey Jr.) vorgetragen wird.
Weshalb dann nicht die volle Punktzahl? Ein paar kleine Unplausibilitäten störten mich doch: Weshalb kann ein Mann, der seit längerem auf der Strasse lebt (und auch so aussieht), sich völlig unverdächtig als Nachbar ausgeben? Oder die finale Rettungsaktion - vielleicht doch etwas zu viel des Guten.
Aber ansonsten: hörens- und sicherlich auch lesenswert! Und das mit den Kunden- und Kreditkarten werde ich wirklich noch einmal überdenken.

In Flammen

Die 93jährige Lavinia Fanshaw und ihre Haushälterin wurden in ihrem Haus in dem kleinen Dorf Sowerbridge brutal ermordet. Sehr schnell fällt der Verdacht auf den arbeitslosen Iren Patrick O'Riordan, dessen Familie schon seit langem im Ort verachtet wird. Lediglich Siobham Lavenham, auch sie Irin, ist nicht überzeugt, dass Patrick der Täter ist.
Was auf den ersten Blick als klassischer Krimi erscheint, erweist sich jedoch vielmehr als eine Gesellschaftsstudie über Engstirnigkeit und Intoleranz, sieht man vom letzten Viertel dieses Hörbuchs ab. Walters zeigt minutiös auf, wie sich Vorbehalte und Vorurteile gegenüber einer Minderheit (hier die Iren) bis zur offenbaren Selbstjustiz immer weiter hochschaukeln ohne dass jemand dagegen einschreitet, sieht man von der Protagonistin Siobham ab. Sie, selbst irischer Abstammung, bekommt die Voreingenommenheit mancher ihrer Nachbarinnen und Nachbarn am eigenen Leib zu spüren und wird so auch zur 'Kämpferin' ihrer eigenen Sache, als sie versucht, Zweifel an der Schuld ihres Landsmannes zu wecken. Dass sie dabei selbst ihren eigenen Vorurteilen zum Opfer fällt, ist ein pikantes Detail am Ende.
Der Aufbau des Romans ist etwas kompliziert, insbesondere wenn man ihn als Hörbuch konsumiert, da zwei Handlungsstränge einander kapitelweise abwechseln: zum einen die gegenwärtigen Ereignisse, zum andern die Geschehnisse rund einen Monat zuvor. Dank Sascha Icks' geglückter Lesung gelingt es dennoch gut, sich schnell zurechtzufinden. Trotz nur geringer Akzentuierung der einzelnen Personen bringt sie es fertig, jede und jeden der Handelnden durch einen individuellen Tonfall darzustellen.
Die Lösung des Falles, die ca. ein Viertel des Hörbuches einnimmt, ist überraschend - vielleicht sogar etwas zu sehr. Dennoch: ein gutes Hörbuch in der der Krimi bis auf den letzten Teil eher eine Nebenrolle einnimmt.

Dem Leben neu vertrauen

Ein geliebter Mensch stirbt - und wie riesige Wellen überschwemmen einen die unterschiedlichsten Gefühle: Schmerz, Verzweiflung, Wut, Zorn, Reue... Wie nur wieder ins normale Leben zurückfinden? Es dünkt unmöglich.
Dieses Hörbuch scheint einen Weg dorthin zu wissen, wie schon der Titel und auch der Untertitel (Den Sinn des Trauerns durch fünf Stadien des Verlusts finden) aussagt. Und in der Tat: Voller Teilnahme und Mitgefühl für die individuelle Situation werden die unterschiedlichen Emotionen beschrieben und erklärt, die die Trauernden durchleben. Jede Trauer ist einzigartig, kein Schmerz vergleichbar mit einem anderen, was die Gefühle des Verlassenseins und der Einsamkeit noch verstärkt. Dies vermittelt den Zuhörenden das Empfinden verstanden zu werden und öffnet sie für Vorschläge der Autoren, wie sie mit ihrer Trauer leben können.
Hannelore Hoger ist die ideale Vortragende für diese Beiträge. Mit ihrer rauen Stimme vermittelt sie so viel Anteilnahme und Mitgefühl, dass man glaubt, man höre einer guten Freundin zu.
Dennoch hinterlässt die CD ein etwas zwiespältiges Gefühl: Drei der sechs Beiträge, die insgesamt 3/5 der Gesamtlaufzeit umfassen, sind eher autobiographisch gehalten als im Stil eines Ratgebers. David Kessler erzählt zum einen von seinem Abschied von Elisabeth Kübler-Ross, die kurz nach Fertigstellung dieses Buches, das der CD zugrunde liegt, starb. Und zum andern, wie er persönlich seine Trauer erlebt und mit ihr lebt. Im dritten Beitrag schildert die Autorin in einer Art Kurzbiographie ihr Leben und den Weg, der sie zu dieser Auseinandersetzung mit Trauer, Leben und Tod führte. Auch hier finden sich Beispiele, die bei den Zuhörenden das Verständnis für ihre Situation vergrößern, doch sie sind nicht der eigentliche Inhalt dieser Kapitel. Der eigentliche 'Ratgeberteil', von dem sich akut Trauernde und Verzweifelte Hilfe erhoffen, fällt somit deutlich zu kurz aus. Alle Anderen, die sich grundsätzlich mit dem Thema Trauer beschäftigen möchten, ist die CD durchaus zu empfehlen - nicht zuletzt wegen Hannelore Hoger.

Die Larve
576 Seiten

Nach drei Jahren kehrt Harry Hole nach Oslo zurück - doch nicht ganz freiwillig. Oleg, der Sohn Rakels, die Liebe seines Lebens, sitzt im Gefängnis, angeklagt wegen Mordes. Und die Beweislage scheint eindeutig. Doch Harry kann es nicht glauben, beginnt auf eigene Faust zu ermitteln und landet in einem Verwirrspiel ohnegleichen. Es geht um Drogen, Korruption, Machthunger, Gier, Sucht und nichtzuletzt um Liebe. Harry wirbelt ein fein austariertes System von Politik und Drogenmilieu durcheinander und stößt in ein Wespennest. Doch es kommt noch schlimmer...
Wie schon üblich ;-) ist es ein bis ans bittere Ende spannender Krimi, der es einem schwer macht das Buch zuzuschlagen, bevor man die letzte Seite gelesen hat. Es gibt jede Menge unvorhergesehene Wendungen, wenn vielleicht auch nicht immer ganz so überraschend, da man durch die vorhergehenden Bände schon ein Gespür dafür hat, dass gerade das Unwahrscheinlichste häufig die Lösung darstellt. Doch auch das verblüffenste Ereignis fügt sich logisch und nachvollziehbar in die Geschehnisse ein, sodass an keiner Stelle das Gefühl auftaucht, hier wurde etwas mühevoll konstruiert. Harrys immer wiederkehrenden Kämpfe gegen seine Sucht, seine Schlußfolgerungen die diesen Fall letztendlich lösen, seine daraus resultierende Vorgehensweise - alles fügt sich überzeugend zu einem Ganzen. Lediglich seine fast schon übermenschlichen Überlebensfähigkeiten lassen ein wenig Kopfschütteln zu, aber - sie machen Hoffnung auf den zehnten Band...
Fazit: Für Action- und Krimiliebhaber ist dieses Buch ein Muss. Nicht ganz unblutig, aber mit viel Raum für tiefergehende Darstellungen einzelner Personen. Und man muss die vorhergehenden Bände nicht gelesen haben, um der Geschichte folgen zu können, doch hilft es, die Beziehungen der Protagonisten untereinander besser zu verstehen.

Tolle Flieger aus Papier
32 Seiten

10 Bastelanleitungen für diverse Papierflieger sind in diesem kleinen Büchlein zu finden, die für kleinere Kinder aber eventuell nicht ganz einfach sind. Die Mithilfe einer/s Größeren wäre daher zu empfehlen. Alles ist in Wort und Bild genau beschrieben und mit etwas Geduld sind auch solch anspruchsvolle Flugobjekte wie die Möwe hinzubekommen.
Die von mir ausprobierten Flieger fliegen tatsächlich - wenn auch vielleicht nicht ganz so schön wie gedacht. Das könnte aber auch an meiner mangelhaften Falttechnik liegen ;-)

Leopard
699 Seiten

So tief unten war Harry Hole noch nie. Gestrandet in Hongkong, die Nächte in einer Massenunterkunft für Gastarbeiter verbringend, den Geistern der Vergangenheit diesmal mit Opium statt Alkohol entfliehend und auf der Flucht vor den Triaden denen er Geld schuldet. Doch seiner neuen Kollegin Kaja Solness gelingt es, ihn zurück nach Norwegen zu bringen: doch nicht, weil das Morddezernat seine Hilfe braucht, sondern weil sein Vater im Sterben liegt. Und weil er dann schon mal da ist... Die zwei ungeklärten Mordfälle, wegen deren man ihn um Hilfe gebeten hat, erregen seine Neugier und als während seines Aufenthaltes eine dritte Person stirbt, ist sein Interesse geweckt. Als ob diese Todesfälle nicht anspruchsvoll genug wären, findet er sich zudem inmitten des Polizeiapparates in einer weiteren Kampfzone bzw. einem Intrigenspiel wieder: Morddezernat und Kriminalamt ringen jeweils um die alleinige Kompetenz für die Aufklärung von Mordermittlungen - und er spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Wie auch in seinen bisherigen Büchern (zumindest in den zweien, die ich bisher (leider erst) gelesen habe), ist nichts so wie es scheint, was insbesondere auf die handelnden Personen zutrifft. Immer wieder führt Nesbø vor, wie schnell man sich von Äußerlichkeiten blenden lässt, selbst Harry ist nicht immer dagegen gefeiht. Man fällt von einer Überraschung in die nächste und sogar als man sicher zu sein scheint, die Lösung zu kennen, gelingt es dem Autor noch weitere 150 Seiten Leserinnen und Leser an das Buch zu fesseln. Es sind häufig sehr extreme Wendungen, aber dennoch ist der Verlauf im Nachhinein durchweg in sich schlüssig.
Nesbø schreibt detailliert und anschaulich, wie beispielsweise die Aufenthalte Holes im Kongo oder das Lawinenunglück. Für nicht so blutrünstige Lesende vielleicht etwas zu anschaulich, denn die Darstellungen der unterschiedlichen Todesarten sind teilweise schon heftige Kost. Kein Buch für schwache Gemüter.
Alles in allem beste Thrillerunterhaltung für mehrere Stunden - am besten am Wochenende! Denn man wird sich schwer damit tun, das Buch vor dem Ende aus der Hand zu legen.
Eine Anmerkung noch zum Schluss: Wie der deutsche Verlag auf diesen Titel kam, ist mir (fast) ein Rätsel. Es gibt lediglich einen Absatz im Buch zu diesem Tier (S. 206) und er passt weder auf Harry noch den Täter. Der norwegische Titel Panzerherz wäre deutlich stimmiger gewesen.

Schuhhaus Pallas

Völlig überraschend erfährt Amelie Fried, dass Mitglieder der Familie ihres Vaters während des III. Reiches im KZ umgekommen sind. Da ihr Vater bereits verstorben ist, macht sie sich auf die Suche nach weiteren Informationen. Bei ihren Recherchen trifft sie auf Verwandte, die sie bisher nur vom Hörensagen kannte und muss feststellen, dass sie über das Leben ihres Vaters wie auch seiner Familie im III. Reich kaum etwas wusste. Stück für Stück arbeitet sie sich voran, spricht mit noch lebenden Zeitzeugen, fordert Auskünfte ein von staatlichen Stellen, und nach und nach erhält sie ein Bild davon, was ihre Verwandten damals erleiden mussten.
Es ist kein Roman oder keine Biographie im herkömmlichen Sinne. Amelie Fried schildert recht detailliert, wie sie sich um Informationen bemühte und diese erlangte und präsentiert sie dann größtenteils im Originalton, immer im direkten Bezug zu ihrer Familie. Zeitungsartikel, amtliche Verlautbarungen, Rechtsanwaltsschreiben - es ist mehr eine Dokumentation als eine erzählte Historie. Obwohl dieser Teil der deutschen Geschichte sicherlich kaum jemandem unbekannt ist, bleibt der Bericht spannend und vor allem berührend. Denn man erlebt unmittelbar mit, wie aus unpersönlichen Vorgängen plötzlich Menschen aus Fleisch und Blut werden. Die Autorin trägt ihr Buch selbst vor und man glaubt zu spüren, wie nahe ihr das Ganze ging und vermutlich noch geht.
Wer eine durchgängige Familienchronik hören möchte, dürfte enttäuscht werden von diesem Hörbuch. Alle anderen werden jedoch miterleben, wie aus dürren Zahlen, Akten u.ä. eine wahre Familiengeschichte entsteht - ein Stück Zeitgeschichte.

Den Teufel im Leib

Das Erscheinen des Buches 1923 war ein Skandalon: Ein 15jähriger und eine verheiratete 18jährige beginnen ein amouröses Verhältnis, während der betrogene Gatte als Soldat im 1. Weltkrieg kämpft. Was heute vermutlich keinen Hund mehr hinter dem Ofen vorlocken würde, sorgte damals für weitreichendes Entsetzen in Frankreich. Nicht genug der moralischen Verwerflichkeit, nein, auch dass einer der in Frankreich hoch verehrten Kämpfer von 1914/18 schamlos hintergangen wurde, man ihm den Tod wünschte und zuguterletzt ein Kuckuckskind unterschob - das war mehr als ausreichend für einen Aufschrei in der Gesellschaft dieser Nachkriegszeit.
Doch ist das Grund genug dieses Buch auch heute noch zu lesen? Wohl kaum, wenn es nicht bemerkenswerte Einblicke in eine Liebesbeziehung gewähren würde, die nichts von ihrer Aktualität verloren haben. Radiguet beschreibt in einem klaren, nüchternen fast schon kalt zu nennenden Ton aus der Sicht des heranwachsenden Liebhabers die Entwicklung dieses jugendlichen Verhältnisses. Schnell wird klar, dass diese Liebe geprägt ist durch seinen Egoismus, wie wohl in diesem Alter nicht unüblich. Doch auch wenn dem jungen Mann dies stets auf's Neue bewusst wird und er reumütig versucht sein Verhalten zu ändern, tritt seine Ichbezogenheit alsbald wieder zu Tage.
Radiguet vermittelt Einsichten und Erkenntnisse (nicht nur) über die Liebe, deren Bedeutung ebenso damals wie heute Gültigkeit haben und wohl auch alle Zeit überdauern werden.
Ich habe sowohl das Buch wie das Hörspiel 'konsumiert' und empfehle trotz eines hervorragenden Vorlesers (ideal besetzt: die etwas blasiert klingende Stimme von Christian Erdmann) die Papierversion: Dem leicht altertümlichen Stil (der sich jedoch flüssig lesen lässt) ist in der Audioversion nur konzentriert zu folgen, zu leicht verliert man den Faden. Auch liest man manche Passagen gerne ein zweites Mal was beim Hörbuch nur etwas umständlich möglich ist.

Den Teufel im Leib

Anfang des letzten Jahrhunderts ist dieses Buch erschienen – weshalb sollte man das jetzt noch lesen? Gibt es nicht genügend aktuelle Bücher mit vermutlich weniger altmodischer Sprache?
Weil es Ansichten und Darstellungen vermittelt wie es auch heute nur wenigen Büchern gelingt. Und nicht zu vergessen: geschrieben von einem 17jährigen!
Der 15jährige Ich-Erzähler verliebt sich in die 18jährige Marthe, die kurz darauf Jacques heiratet, der Soldat im ersten Weltkrieg ist. Dennoch beginnen die Beiden eine leidenschaftliche Liebesbeziehung, die eine Vielzahl unterschiedlichster Gefühle in dem jungen Mann hervorruft.
Radiguet beschreibt sehr gelungen die unsteten Empfindungen, wie sie für Pubertierende nicht unüblich sind. Es ist keine unschuldige, selbstlose Liebe, sondern von seiner Seite meist mehr von Egoismus und Narzissmus geprägt, was der junge Mann aber auch immer wieder selbst erkennt ohne dass er sein Verhalten jedoch langfristig ändert. Man möchte diesen Menschen schütteln für Sätze wie „Es beleidigte mich aber, dass Marthe in einem Trennungsbrief nicht von Selbstmord sprach. Ich fand sie kalt.“, aber kurz darauf in die Arme nehmen für Aussagen wie diese: „Wer wegen der Liebe nicht arbeitet, ist darum kein Faulenzer. Die Liebe spürt dunkel, dass einzig die Arbeit wirklich von ihr ablenken kann.. Daher sieht sie die Arbeit als Rivalin. Und Rivalen duldet sie nicht.“
Das Hörbuch ist mit Christian Erdmann wunderbar besetzt. Seine jugendliche Stimme verkörpert auf gelungene Art und Weise die Arroganz wie auch die Ratlosigkeit des jugendlichen Liebhabers – man kann sich kaum einen besseren Sprecher vorstellen. Dennoch ziehe ich das Buch vor: Es gibt so viele Sätze und Aussagen in diesem Roman die man zweimal lesen möchte (oder auch dreimal ;-)), sich anstreichen und herausschreiben möchte – bei einem Hörspiel ist das eher schwierig. Also werde ich nun noch das Buch lesen :-)