Die alltägliche Physik des Unglücks
720 Seiten

Ich tat mich schwer mit diesem Roman. Es hat wirklich viel Ausdauer gekostet, auch beim zweiten Anlauf mehr als ein Drittel zu lesen, denn der Anfang hat seine Längen und die Beschreibungen, die Blue als Erzählerin von sich gibt, wirken teilweise überambitioniert, man merkt diesen Stellen fast an, dass Marisha Pessl mit ihrem Debüt überzeugen wollte. Ähnlich erging es mir mit dem hier auftretenden Phänomen der Intertextualität: Ja, die Verweise zu anderen real-existierenden literarischen Werken war interessant, manche empfand ich allerdings auch als weniger zielführend und sie wirkten - bei den fiktiven Quellen fast deutlicher - wie bloßes Material, um nur noch mehr Seiten zu füllen. Hat man allerdings irgendwann die Hälfte des Buches hinter sich, wird man für das Durchhaltevermögen belohnt: Die Geschichte nimmt Fahrt auf, es entwickelt sich eine schöne Dynamik, die an Krimis und Thriller erinnert, und Pessl hört auf, sich in ihren Schilderungen in Details zu verlieren. Das letzte Drittel überrascht im positiven Sinne und ich bin tatsächlich begeistert, wie der ein oder andere Handlungsstrang, der ins Leere zu verlaufen schien, am Ende doch noch eine Bedeutung gewonnen hat, wenngleich ich auch noch nicht ganz zufrieden mit der Auflösung bin, weil gerade spannende Punkte offen bleiben.

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