Frühling der Barbaren ist Jonas Lüschers Debütnovelle, auf die ich vermutlich nie gestoßen wäre, wenn ich sie nicht letzten Sommer aus einer Bücherkiste am Straßenrand gefischt hätte. Nach mehreren gescheiterten Anläufen las ich es jetzt in einem Rutsch und musste mich fragen, wieso nicht schon früher.
Nur weil man etwas erlebt hatte, hieß das noch lange nicht, dass man wusste, was es bedeutete. Und ich hatte nicht vor, es in Erfahrung zu bringen. Es gibt Dinge, die so sinnlos sind, dass es sich nicht lohnt, ihnen eine Bedeutung zu geben.
Auch, wenn das Werk inhaltlich an einigen Stellen Schwächen zeigt, ist es durchaus klug konstruiert: Zu Beginn noch eine Art Milieustudie von im Finanzwesen tätigen Menschen, ein Spiel mit vorherrschenden Klischees, entwickelt sich das Ganze aufgrund eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs zu einer Ausnahmesituation, die in einem sehr kuriosen Finale mündet - und dem Titel alle Ehre macht. Stilistisch und sprachlich sehr schön zu lesen, allein die Wahl der Erzählweise - Erzähler erzählt das, was ihm ein anderer Erzähler währenddessen erzählt - erschloss sich mir nicht so ganz. Die knapp 125 Seiten haben aber auf jeden Fall Spaß gemacht und die ein oder andere Szene behalte ich wohl noch ein paar Tage im Kopf.
Eine Geschichte, die der Autor in der Welt der Wirtschaft ansiedelt und sie im Mikrokosmos einer zufällig zusammengewürfelten Gesellschaft in einem Wüstenresort Tunesiens spielen lässt. Eine Geschichte, die immer mehr Fahrt aufnimmt und auf einen überbordenden Schluss hinsteuert. Lüscher zeigt das Tempo und die Gangart in der globalisierten Wirtschaft und lässt es nicht aus, verschiedene Gruppen aus der genannten Gesellschaft bei ihrem moralischen Zerfall und auf dem Weg hin zur Barberei zu begleiten. Finanzkrise mal anders.