Der Abfall der Herzen
448 Seiten

Puh. Also an sich ein ganz gutes Buch, ich mag ja durchaus so Geschichten aus dem Leben von so Mittzwanzigern, die so vor sich her plätschern, leider plätschert hier alles zu lange und der Sommer 1999, der hier geschildert wird, ist doch sehr weit von dem entfernt was ich in diesem Alter erlebte, daher fehlte etwas der Identifizierungs-Faktor.

Am Ende baute sich für mich trotzdem noch ein Spannungsbogen auf, sodass ich es dann doch relativ schnell zu Ende las.

Würde ich es jemandem empfehlen? Ich glaube nicht.

Habe ich seitdem dreimal wieder mit dem Tagebuch schreiben angefangen? Auf jeden Fall!

Der Abfall der Herzen
448 Seiten

"Und wenn ich meine eigene Geschichte sowieso nur als Fiktion erzählen kann, dann ist das hier vielleicht der Roman, den ich die ganze Zeit schreiben wollte."

Der Abfall der Herzen bewegt sich zwischen Autobiographie und Fiktion und ist der Versuch des Autors, sich an den Sommer 1999 zu erinnern. Er erzählt von seinem Leben in Rheine, von Freundschaften, der Liebe und dem interessanten Entstehungsprozess dieses Buches, das er anhand von Tagebucheinträgen und Gesprächen mit seiner damaligen Clique schreibt.

Es war nett, diese Geschichte zu hören, aber eben auch nicht mehr. Was das Buch allerdings mehr als nett werden ließ, war die Tatsache, dass es zeigt, wie selektiv Wahrnehmungen an unterschiedliche Ereignisse sein können, wie viel man nach fast zwei Jahrzehnten vergisst und auch, welche Widersprüche sich in Erinnerungsprozessen auftun können, wenn man sie mit anderen Menschen, die dabei waren, vergleicht.

Der Abfall der Herzen
448 Seiten

Oberflächlich geht es in diesem Buch um einen Autor, der versucht, sich an den Sommer 1999 zu erinnern, und um einen Haufen Jugendliche, die im Sommer 1999 einen Haufen Kram gemacht haben, den Jugendliche so machen. Auf den ersten Blick also irgendwas mit Freundschaft, Liebe, Herzschmerz, WG-Parties, Alkohol und Langweile in einer Kleinstadt, also irgendwie Themen, über die man schon häufig gelesen hat und die man auch selbst schon oft genug durchgemacht hat, mit trotzdem einigen guten Sätzen, wie zum Beispiel:

Nun hatte sie für mein Gepöbel auch noch Porto nachzahlen müssen

Das, so für sich, wäre zwar mehr oder weniger ein Buch gewesen, aber vielleicht noch kein gutes, und zum Glück ging es darüber hinaus noch um viel mehr. Es ging zwar um Thorsten Nagelschmidts autobiographisch-fiktiven Sommer '99, aber eher als Symbol dafür, dass Teile des Lebens irgendwann in der Vergangenheit liegen, dass Erinnerungen unzuverlässig sind und dass man sich irgendwann viel Mühe geben muss, nicht einfach alles zu vergessen. Es geht um die Vergangenheit, aber auch darum, sich überhaupt daran zu erinnern, dass es sie gibt.

Ich war schon Nostalgisch, da hatte ich noch gar keine Vergangenheit

Die berührenden Stellen waren nicht die, in denen jemand mit jemandem Schluss machte, oder jemand zurück zu seinen Eltern ziehen musste, sondern die, in denen es um den Versuch ging, sich irgendwas festzuhalten. Die Interviews, Telefonate und Gespräche, in denen jeder eigentlich gerne ein Puzzleteil beisteuern würde, aber in denen man sich auch Gegenseitig widerspricht, oder sich gar nicht mehr erinnert. Das waren die Stellen, an denen ich „Oh, fuck“ dachte, oder irgendwas Ungenaues darüber, ob man vielleicht mal mehr Sachen für sich selbst festhalten sollte, statt Fotos vom Essen irgendwohinzuwerfen, wo sie nach 24 Stunden weg sind.

Aber wenn man sich damit abfindet, dass sogar die paar guten Leute scheiße sind, was soll das dann alles, wo soll man dann noch hin?

Das Buch habe ich eigentlich auf der Lesung in Berlin gekauft (Hallo, eine Premierenlesung, bei der ¾ von Muff Potter Live Lieder von Muff Potter spielen? Endlich hat es sich gelohnt, in Berlin zu wohnen!), konsumiert habe ich den Roman dann aber doch über Spotify. Meiner Erinnerung (aber wer kann der schon trauen) nach mein erstes Hörbuch, seit ich „Wo die wilden Maden graben“ 2010 (oder so?) irgendwo im Internet ausgeliehen habe! Meine neue Meinung zu Hörbüchern: Total gut.