Hat mich die HBO-Erfolgsserie Sopranos im Bezug auf meine Vorstellungen von Mafia geprägt? Ja, und gerade nach der Leseprobe hatte ich das Gefühl, dieses Mal eine auf ihre Art eigene irische Variante der familiären und mafiösen Strukturen zu bekommen. Leider entpuppte sich das leider etwas als falsche Fährte.

In dem Auftakt seiner Dogtown-Trilogie - gleichzeitig der Abschluss seines Wirkens als Schriftstellers - führt uns Don Winslow in die Mafiastrukturen von Providence, Rhode Island. Alles ist irgendwie friedlich, die einzelnen Gangs gehen ihrem Alltagsgeschäft nach, bis aus einem fast schon banalen Fauxpax ein blutiger Krieg zwischen Iren und Italienern entfacht, der Danny vor ganz neue Herausforderungen stellt.

Im Grunde gefiel mir, was Winslow hier macht. Gerade bei der Entwicklung seiner Charaktere nimmt er sich Zeit, liefert Hintergrundinformationen, fast schon kleine Biografien, die den entsprechenden Personen eine gewisse Tiefe verleihen. Da er sich nicht allein auf Dannys Perspektive konzentriert, hat der Roman etwas sehr episodenhaftes. Was sich an einigen Stellen als guter Coup herausstellt, lässt an anderen Stellen etwas zu sehr Kontext und Hintergrund vermissen. Natürlich, als Leser:in sollte man sich sowohl auf die sehr vulgäre Sprache als auch auf die Vielzahl an brutaler Szenen einrichten. Allerdings verfällt Winslow hier nicht in den Gewaltporno, den andere Autor:innen dieses Milieus gerne erzeugen. Es bleibt auf seine Art kühl, fast schon distanziert, so ist das eben im Mafia-Milieu der 1980er Jahre, für mich passte es.

Auf inhaltlicher Ebene hat mich das Buch allerdings enttäuscht. Natürlich ist es der Auftakt einer (bereits beendeten) Trilogie, hier darf und muss viel Zeit in den Aufbau und die Einführung gesteckt werden und das gelingt Winslow auch gut. Aber sollte selbst ein Auftaktband nicht trotzdem noch als alleinstehender Roman funktionieren? Sollte er nicht auch genug guten Stoff bieten, in dem selbst ich als Leser:in genug Potential für die Ausweitung in eine Trilogie sehe? Genau das fehlte mir hier leider über weite Strecken und tatsächlich interessiert mich, ob und vor allem wie es Winslow in seinen Folgebänden gelingt, hier noch die Kurve zu bekommen und den furiosen Abgang zu liefern, der die Trilogie ja sein soll.

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