Die Welt des Bushidō
Nein, dies ist kein Buch über das Leben des bösen Rappers aus Berlin, sondern ein Krimi um zwei Menschen, die nach der Philosophie des Bushidō leben. Einer davon ist Jenny Aaron, ehemalige Mitarbeiterin einer geheimen Eliteeinheit der Polizei, seit einem Einsatz blind und nun in Diensten des BKA als Vernehmungsspezialistin. Fünf Jahre nach diesem Einsatz wird sie von ihren früheren Kollegen angefordert, weil ein Mörder, für dessen Verurteilung sie verantwortlich ist, im Gefängnis eine Psychologin getötet hat und nur mit ihr reden möchte. Sie folgt dieser Anforderung und schnell wird ihr klar, dass dies nur der Auftakt ist zu einem Kampf um Leben und Tod - und der Lösung der wichtigsten Frage in ihrem Leben.
So, das wäre nun in Kürze der wichtigste Handlungsstrang - allerdings ist dies nur einer von vielen. Denn so ganz nebenbei werden noch die Vergangenheiten verschiedener Kollegen wie auch der Bösewichte erzählt ebenso wie deren aktuelle Befindlichkeiten. Das Hauptaugenmerk liegt jedoch ganz klar bei Jenny Aaron und zwar in einer Art und Weise, die das Buch anfangs etwas gewöhnungsbedürftig wirken lassen. Alles ist im Präsens und die Empfindungen und Gedanken Jennys dominieren häufig das Geschehen, die als Blinde über noch perfekter ausgebildete Sinne verfügt, wie sie sie bereits als Sehende hatte. So liest man ihre Gedanken und hat doch häufig kaum eine Ahnung, was denn eigentlich gerade los ist - zeitweise stolperte ich fast ein bisschen blind in der Geschichte herum. Dazu kommen jede Menge Sprünge in die Vergangenheit und zurück, bei denen mir zu Beginn nicht immer ganz klar war, von wem nun die Rede ist. Doch wenn man mit Aufmerksamkeit liest, klärt sich Alles recht schnell und es bleibt ein überaus spannender, recht verzwickter und sehr intensiver Thriller, der die zwei Tage (in diesem Zeitraum spielt sich die Geschichte ab) wie eine Ewigkeit erscheinen lassen.
Was mich gestört hat, sind die Eigenschaften der Hauptpersonen Aaron, Pavlik und des Bösewichts. Ein Einbeiniger, eine Blinde und ein immerhin nicht behinderter 50jähriger weisen Fähigkeiten auf, die jeden Actionfilm zum Fantasyreißer ummodeln würden. Da werden Schläge eingesteckt, die jeden Normalsterblichen in kürzester Zeit unter die Erde bringen würden; treffsichere Schüsse werden aus Distanzen abgefeuert, bei denen man das Ziel nur ahnen kann; Intuition, Empathie und andere Fähigkeiten sind derart ausgeprägt, dass es an Hellseherei grenzt. Alles ein bisschen viel - zuviel wie ich finde. Etwas weniger dick aufgetragen und ich hätte vielleicht eine neue Lieblingsheldin. So aber bleibt es bei einem guten Thriller.
Es war eines der Bücher, die ich beim Lesen mehrfach abbrechen wollte - es aber aus Ermangelung an Alternativen doch nicht gemacht habe. Hätte ich was verpasst, wenn ich es vorzeitig beendet hätte? Vermutlich eher nicht. Irgendwie gefiel mir die Grundidee einer blinden Ermittlerin und ich ziehe auch meinen Hut vor Pflüger, wieviel Recherche er für den Aufbau seiner Figur angestellt hat; in dem Punkt habe ich definitiv einiges dazugelernt. Allerdings tritt hier für mich auch das Problem auf: Gerade in dem Kontext war mir vieles einfach zu sehr drüber, wirkte zu unglaubhaft und in gewisser Weise auch etwas gekünstelter als es eigentlich gebraucht hätte. Einige der Charakter hatten ihren Charme, ihre Tiefe; manche, leider auch gerade solche, die vermutlich im weiteren Teil von Relevanz sein werden, blieben mir dagegen an einigen Stellen doch etwas zu flach. Hinzu kam, dass ich persönlich nicht so wirklich mit Pflügers Stil warm geworden bin. Mir wirkte die Art, zu schreiben, insgesamt doch etwas zu abgehakt; und gerade in den Punkten Zeitsprünge und Perspektivwechsel hätte ich mir aus Gründen der Zugänglichkeit eine deutlichere Abgrenzung gewünscht. Unter'm Strich: Nicht mein Buch und damit eine Reihe weniger, die für mich von Interesse sein könnte.