So ist es gewesen

"Ich habe ihm in die Augen geschossen." Welch ein Beginn für eine Liebesgeschichte, die sich mehr und mehr als Illusion einer solchen darstellt.
Als junge Lehrerin in einer italienischen Kleinstadt lernt die Protagonistin den deutlich älteren Alberto kennen, der sich um sie zu bemühen scheint. Obwohl sie nicht in ihn verliebt ist, verbringt sie gerne ihre Zeit mit ihm. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlt sie sich anerkannt, seine Aufmerksamkeiten und sein Interesse für sie, ihr Leben, ihre Gedanken tun ihr gut. So gut, dass sie ihn schmerzlich vermisst als er sich längere Zeit nicht bei ihr meldet. Und sie erkennt, dass sie sich in verliebt hat. Davon überzeugt, dass auch er in sie verliebt ist, gesteht sie ihm ihre Gefühle. Doch zu ihrer Überraschung empfindet er nicht ebenso, sein Herz gehört seit langem einer Anderen, die verheiratet ist. Dennoch heiraten sie: er aus dem Gefühl heraus dazu verpflichtet zu sein, weil er ihr falsche Hoffnungen machte; sie mit der Zuversicht, dass er sie noch lieben lerne, wenn sie mehr Zeit miteinander verbringen. Doch nach kurzer Zeit setzt Alberto sein Verhältnis zu der Anderen fort und seine Ehefrau begreift, dass er sich wohl nie endgültig für sie entscheiden wird. Auch das gemeinsame Kind ändert nichts an seinem Verhalten.
Bemerkenswert ist die Sprache der Autorin, in der sie die Ehefrau erzählen lässt wie es zu diesem Mord kam. Schlichte, einfache kurze Sätze mit immer wiederkehrenden Wiederholungen. Was in einem handlungsreichen Roman äußerst störend wirken würde, unterstreicht hier die Trostlosigkeit und Verzweiflung in der sich die Täterin befindet. Eva Mattes liest diese Worte in einer ebensolchen Form, so dass man ohne Weiteres glauben kann, der wahrhaftigen Gattenmörderin zuzuhören. Keine unterhaltende amüsante Hörbuch'lektüre', aber ein eindringliches und beeindruckendes Stück Literatur.

Kürzere Tage
223 Seiten

Selten habe ich den Umschlag eines Buches als so passend empfunden wie bei diesem. Bürgerliche Fassade, doch bei genauerem Hinsehen offenbaren sich kräftige Risse.
Stuttgart, eine gut-bürgerliche Wohngegend. Hier wohnen die Gutverdiener, Familien bei denen die Welt noch in Ordnung zu sein scheint. Judith, verheiratet mit Klaus, Universitätsprof, zwei Söhne, Nur-Hausfrau. Ihre Ängste versucht sie mit Tabletten sowie mithilfe der Anthroposophie in Griff zu bekommen - jedoch nur äußerlich erfolgreich. Leonie, berufstätig, verheiratet mit einem erfolgreichen Mann der mehr für seinen Beruf lebt und zwei kleinen Töchtern ist zerrissen zwischen der Liebe zu ihrem Job und dem Wunsch, mehr für ihre Familie dazusein. Insgeheim beneidet sie Judith um deren scheinbares Idyll. Daneben gibt es Marco, einen 13jährigen Jungen der typisch für die Unterschicht zu sein scheint. Große Klappe, Fehlzeiten in der Schule - doch in Wirklichkeit... Und es gibt Luise, seit über 60 Jahren mit demselben Mann verheiratet. Und noch immer voller Liebe füreinander.
Die Autorin lässt abwechselnd immer eine andere ihrer Hauptpersonen zu Wort kommen. Durch den Wechsel der Zeiten mischt sie geschickt Gegenwart und Vergangenheit, so dass momentane Gedanken und Überlegungen direkt durch entsprechende Rückblicke begründet werden. Die beschriebenen Personen kommen einem auf diese Weise unerhört nahe.
Für Stuttgart-KennerInnen ist das Buch noch zusätzlich ein Genuss: Es gibt eine Vielzahl von Wiedererkennungseffekten. Nicht-KennerInnen haben hingegen vielleicht gelegentlich ein Verständnisproblem. Beispielsweise wenn von einem Elefanten in der Wilhelma die Rede ist, ist der Stuttgarter Zoo gemeint. Aber das sollte der Lektüre keinen Abbruch tun, das Buch ist auf jeden Fall lesenswert.

Aufstand der Fischer von St. Barbara
187 Seiten

Irgendwann Anfang des letzten Jahrhunderts: Die Fischer von St. Barbara leben mehr schlecht als recht von ihrer Arbeit. Die Anteile, die sie von Reeder Bredel für ihre Fänge erhalten, reichen schwerlich zum Überleben. Doch Widerstand regt sich kaum, bis Hull auf die Insel kommt. Ihm gelingt es die Männer davon zu überzeugen, nur zu deutlich verbesserten Bedingungen die Arbeit wieder aufzunehmen. Es ist, als ob sie auf einen wie ihn nur gewartet hätten: Schnell sind sich alle einig, auch die aus den umliegenden Dörfern, und geeint treten sie vor die Vertreter der Reederei, um ihre Forderungen vorzubringen. Doch diese sind alles andere als bereit, den Wünschen der Fischer nachzugeben. Die Fronten verhärten sich, es kommt zu Auseinandersetzungen, einer stirbt und langsam beginnt der Bund der Streikenden sich zu lockern.
Die Autorin schildert eine frühkapitalistische Gesellschaft, deren Mitglieder sich ihrem Schicksal scheinbar ergeben haben und vom Leben nichts mehr erwarten, bis es einem Einzelnen gelingt, sie aus ihrer Lethargie zu reißen und auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören.

So elend und trübselig das Leben der Bewohner von St. Barbara wirkt, so trist und grau erscheinen auch die Gegend und das Wetter. Anna Seghers beschreibt diese Welt in bemerkenswert ausdrucksvollen Bildern, die man so schnell nicht wieder vergisst ('Hull verfolgte ... die weiße Narbe die das Schiff dem Meere riss, die wieder heilte und wieder riss, und wieder heilte und wieder riss.' oder 'Dumpf und unbeweglich, bleigrau und regenschwer starrten Himmel und Erde gegeneinander wie die Platten einer ungeheuren hydraulischen Presse.').

Mit Ulrike Krumbiegel als Vorleserin wurde eine gute Wahl getroffen. Die spröde Sprache einzelner Personen (insbesondere Marie) vermittelt sie ebenso überzeugend wie die allgemeine schwermütige Grundstimmung, die dieses Buch beherrscht. Einziges Manko: Es sind viel zu wenig Abschnitte auf den CDs, die zudem auch nur schwierig festzustellen sind. Eine Pause mitten in einer CD ist somit nur unter erschwerten Bedingungen möglich.

Kommissar Pillermeier

Kommissar Pillermeier und sein Assistent Flotthammer - zwei Verbrechensbekämpfer wie sie sich kein Vorgesetzter wünscht. Weshalb sie auch nach der von ihnen verursachten Sprengung einer halben Käsefabrik in die kleinste und schäbigste Polizeiwache des Landes strafversetzt werden. Dort gelingt es ihnen in kürzester Zeit, eine gesuchte Verbrecherbande gleich zweimal hintereinander nicht zu fangen, das Polizeiauto zu Schrott zu fahren sowie ihre neue Polizeiwache vollständig zum Einsturz zu bringen. Glücklicherweise bietet ihnen Sven von Elch im Möbelhaus 'Sven von Elch' freundlicherweise in seiner Büroabteilung eine neue Unterkunft an, wo sie Kommissar Pillermeiers sehr sehr ähnlichem Bruder begegnen, der ein überaus erfolgreicher Geheimagent ist. Als dieser aufgrund der hilfreichen Vorschläge seines Bruders mit gebrochenen Beinen für längere Zeit im Krankenhaus liegen muss, schlüpft Kommissar Pillermeier in seine Rolle und übernimmt einen außerordentlich wichtigen Auftrag, der ihn an den Hof seiner Majestät führt...
Ein amüsanter aber dennoch spannender Klamauk, der von Monty Arnold großartig vorgetragen wird. Die einzelnen Personen erhalten unverwechselbare Stimmen, die damit eine wundervolle Ergänzung zu diesem witzigen Text darstellen. Ein herrlicher Spaß für alle ab ca. 8 Jahren.

Und das Meer gab seine Toten wieder

Hamburg, 1931. Die englische Kriminalbeamtin Jennifer Stevenson soll im Auftrag der 'International Association oft Policewomen' untersuchen, weshalb die über Deutschland hinaus bekannte und renommierte Leiterin der 'Weiblichen Kriminalpolizei' Josephine Erkens vom Dienst suspendiert und deren Abteilung aufgelöst wurde. Auslöser scheint der Selbstmord zweier Mitarbeiterinnen von Frau Erkens aufgrund von Machtkämpfen innerhalb dieses Bereiches gewesen zu sein. Doch Jennifer Stevens stellt bereits kurz nach ihrer Ankunft fest, dass mehr dahinter steckt. Ihre Arbeit wird massiv behindert und ihr wird klar, dass sie sich inmitten eines Geflechts von Intrigen befindet, die weit über diesen Bereich hinausreichen. Mithilfe von Klara Schindler, einer kommunistischen Reporterin der 'Hamburger Volkszeitung', versucht sie die Zusammenhänge zu erkennen und zu veröffentlichen, wogegen die Hintermänner mit allen Mitteln vorgehen.
Ein reales Geschehen (zwei tote Polizistinnen am Strand von Pellworm) mit einer fiktiven Lösung: Brack gelingt es, eine überzeugende Erklärung für das noch immer ungeklärte Drama zu liefern. Ganz nebenbei vermittelt er uns zudem einen Einblick in eine düstere Zeit, in der ein Funke genügte, das Pulverfass zur Explosion zu bringen: das allmähliche Unterwandern der Behörden durch die Nazis, der Kampf der Kommunisten gegen den immer stärker werdenden Faschismus. Und nicht zuletzt die ersten und schwierigen Versuche der Frauen, Fuß zu fassen in einem Bereich, der bisher ausschließlich Männern vorbehalten war. Selbst eine zarte, auch nur vorsichtig angedeutete Liebesgeschichte fehlt nicht in diesem sachlich und nüchtern erzählten, dennoch überaus spannenden Krimi.
Marlen Diekhoff gibt diesen Tonfall der erzählenden Jennifer Stevenson glaubwürdig wieder, so dass es schwer fällt, vor dem Ende dieses Romans die Stopp-Taste zu drücken.

Die Eistoten
351 Seiten

Es gibt eine neue Ermittlerin im Krimi-Bereich: Alice, eine 11jährige Hochbegabte mit der (zweifelhaften?) Gabe, tote Philosophen zu sehen und sich mit ihnen unterhalten zu können. Insbesondere Wittgenstein gesellt sich immer wieder an ihre Seite. Doch statt philosophische Gespräche zu führen, ist Alice auf der Suche nach einem Serienmörder in ihrem kleinen beschaulichen Dorf im Allgäu, in dem der Stumpfsinn regiert. Seit mehreren Jahren gibt es immer wieder Tote im Winter, die man erfroren auffindet. Auch Alices Mutter gehörte dazu, doch wie in allen anderen Fällen ist die Polizei davon überzeugt, dass es sich um einen Unfall handelte. Doch Alice glaubt daran nicht: Als sie gemeinsam mit ihrem Freund Tom ein erfrorenes Mädchen im Wald entdeckt, machen sie sich auf die Suche.
Es ist wirklich eine andere Art von Krimi: Alice, die schlaue und auch altklug daherkommende Elfjährige, amüsiert immer wieder mit ihren klasse Bemerkungen und stellt wiederholt die passenden, von den Erwachsenen jedoch unbeachteten Fragen. Immer wieder werden philosophische Betrachtungen dazwischen gestreut, jedoch nie unverständlich oder in übertriebenem Maße, sodass man beim Lesen nie Gefahr läuft sich plötzlich zu fragen, ob man vielleicht das falsche Buch in Händen hat. Und spannend ist das Ganze auch, wobei gelegentlich einige kleine Ungereimtheiten auftauchen (Weshalb ist die Polizei so blind? Und der Vater sooo taub?) Doch die fallen nicht allzu sehr ins Gewicht, zumindest nicht in den ersten Teilen.
Doch damit ist es meiner Meinung nach spätestens im letzten Abschnitt vorbei. Ein Ende, das jedem Hollywood-Actionfilm Ehre machen würde; Erklärungen, die nicht nachzuvollziehen sind und schlicht Unlogiken, die einen nur den Kopf schütteln lassen. Schade, wirklich sehr schade, denn so bleibt ein eher fader Nachhall.
Allerdings ist mir nach dem Lesen des Interviews mit dem Autor (im Anhang des Buches) klar geworden, weshalb die Story so abbaute. Originalzitat: 'Das Ende schreibe ich nur, um eines zu haben.' Kein Wunder, dass das Buch so abfiel. Nochmals: Schade, denn so ist aus einem zu Beginn durchaus starken Krimi nur noch Durchschnittware geworden. Vielleicht sollte Herr Buder seine Einstellung zum Ende noch einmal überdenken.

Blutiger Wind

Jonny Dalmas, Privatdetektiv, gönnt sich unweit seines Appartements in einer Bar ein Bier. Doch urplötzlich wird er Zeuge eines völlig überraschenden Mordes: Ein offenbar völlig Betrunkener erschießt einen Gast, der kurz zuvor hereinkam und nach einer Frau suchte, und flüchtet unerkannt. Mit seiner Aussage bei der Polizei wäre die Sache nun eigentlich für Dalmas erledigt, doch als er sich auf den Heimweg macht, steht ihm plötzlich die gesuchte Frau gegenüber. Er nimmt sich ihrer an und kurz darauf - rettet sie ihm sein Leben. Aus Dankbarkeit macht er sich für sie auf die Suche nach einem Gegenstand, mit dem sie von dem kurz zuvor Ermordeten erpresst wurde. Was sich nach einem kleinen Gefallen anhörte, entwickelt sich jedoch zu einer größeren Gefälligkeit...
Wie man es von Chandler gewohnt ist, findet man korrupte Polizisten, aufreizende Frauen und coole Sprüche zuhauf in dieser Geschichte (wie z.B. 'An Abenden wie diesen endet jede Saufrunde mit einer Keilerei. Sanftmütige Hausfrauen tasten prüfend über die Schneide des Tranchiermessers und studieren die Hälse ihrer Männer.'). Das Ganze ist spannend, nicht vorhersehbar und von dem großartigen Vorleser Christian Brückner kongenial vorgetragen - man sieht den 'lone wolf' Jonny Dalmas buchstäblich vor sich, nur sich selbst, der Gerechtigkeit und nicht zuletzt auch seinem Herzen verpflichtet. Klasse!

Bay City Blues

Jonny Dalmas, der Protagonist dieses Hörbuches, ist ein typischer Vertreter für den 'hardboiled detective'. Als einsamer Wolf erfüllt er die Aufträge seiner Kunden, egal welche Schwierigkeiten sich ihm in den Weg stellen. In diesem Fall erhält er einen Auftrag über einen befreundeten Polizisten, doch seinen eigentlichen Auftraggeber trifft er nur noch tot an. Kurz danach findet er sich neben einer ebenfalls toten rothaarigen Frau wieder, ganz klar mit der Absicht, ihn als Mörder darzustellen.
Die Story ist so spannend und verwickelt, dass es keine Schwierigkeit darstellt, sich beide CDs in einem Rutsch anzuhören. Doch durch Christian Brückners Lesung fällt es sogar richtig schwer, sich vor dem Ende wieder auszuklinken. Seine Stimme ist derart passend für den 'hardboiled detektive' und das ganze Drumherum, dass man die Szenerien förmlich vor sich sieht. Lakonisch, völlig illusionslos über die Eigenarten der Menschen trifft Brückner exakt den Ton der Hauptfigur Jonny Dalmas. Toll!
Etwas überrascht war ich über die Brutalität in dieser Geschichte. Eine überaus blutige Prügelei, die schon fast in eine Folterszene ausartet, wird über 10 Minuten sehr detailliert wiedergegeben - hier trifft das 'hardboiled' nicht nur auf den Detektiv zu. Ansonsten: Spannender Krimi mit einem genialen Vorleser!

Das Buch der Fälscher
405 Seiten

Peter Byerly, amerikanischer Antiquar mit leicht autistischen Zügen, fährt einige Monate nach dem überraschenden Tod seiner Frau Amanda in ihr soeben erst fertig gestelltes Cottage in Kingham, Großbritannien. Noch völlig benommen von dem Verlust entdeckt er in einem Antiquariat ein Bild einer Frau, das seiner Amanda verblüffend ähnlich sieht. Peter macht sich auf die Suche nach der Herkunft dieser Zeichnung und stößt dabei auf ein Manuskript, das die Literaturwelt auf Dauer verändern könnte. Bei seinen weiteren Recherchen muss er jedoch feststellen, dass er damit wohl jemandem in die Quere gekommen ist - der oder die auch nicht vor Mord zurückschreckt.
Zwei weitere Handlungsstränge umfasst dieses Buch: Wie sich der menschenscheue, überaus schüchterne Peter und die gut organisierte Amanda kennen und lieben lernen sowie die Entstehung und der weitere Weg des geheimnisvollen Manuskripts bis zu seiner Wiederentdeckung durch Peter. Die Geschichten ergänzen sich auf's Beste und meine Befürchtung, dass der Teil mit Peter und Amanda womöglich das weinerlich-schmalzige Kapitel ;-) darstellt, hat sich nicht bewahrheitet. Natürlich gibt es rührselige Momente, aber ich empfand es nur selten kitschig-überladen, da sich zudem ein Großteil dieses Abschnittes mit Peters Liebe zu Büchern befasst. Auch das historische Drittel betrachte ich als gut gelungen und wahrheitsgetreu (wobei ich nicht gerade die große Historienleserin bin), was der Autor im Nachwort schlussendlich ja bestätigt. Ganz am Rande meine Lieblingsszene: Die Entdeckung des Buchhändlers, dass seine Küchenfee die vermeintlich gut versteckten Originaltheaterstücke aus dem 15. und 16. Jh. als Backpapier missbraucht hatte... Übrigens, falls es bis hierhin noch immer nicht durchgedrungen ist: Es geht um Bücher, Bücher, Bücher ;-) - und die Liebe dazu!
Leider gibt es doch ein bisschen Grund zur Mäkelei: Der Schluss war mir persönlich etwas zu weit hergeholt. Der zeitweise fast schon autistische Held wächst am Ende über sich hinaus, hat aber keine Vorstellung wer der/die Schurke/Schurkin sein soll. Der/Die TäterIn hat einen Plan, den die Polizei schon bei näherer Betrachtung zerpflücken würde. Und dann die letztendlich enthüllten Zusammenhänge, die mir doch ein bisschen des Zufalls zuviel sind. Beim nächsten Buch am Ende bitte ein bisschen mehr Sorgfalt? Sonst aber ein rundum schöner Lesegenuss!!!

Wo die Angst ist
320 Seiten

Ein türkischer Jugendlicher, der eine erfolgreiche Antirassismusinitiative gegründet hat, wird kurz vor Weihnachten brutal zusammengeschlagen und dabei lebensgefährlich verletzt. Tatverdächtig ist ein Nazi, den ein Zeuge vor Ort gesehen hat und der noch Schlimmeres verhinderte. Dem Vater des Opfers gehen die Ermittlungen zu langsam voran und er beginnt, auf seine Art den Hinweisen nachzugehen. Als der Zeuge nach einem Überfall aus Angst um seine Familie seine Aussage zurückziehen will, wird die Situation äusserst brisant... Hauptkommissar Sigi Kamm und die Psychologin Alicia Behrens, die seit einer gemeinsamen Begegnung vor Gericht eine gegenseitige Abneigung miteinander verbindet, sind gezwungen, in diesem besonders brisanten Fall zusammenzuarbeiten.
Die beiden Hauptfiguren könnten kaum gegensätzlicher sein. Während die Psychologin davon überzeugt ist, dass Worte und Geduld mehr ausrichten können als Gewalt und Zwang, ist der Hauptkommissar nach vielen Berufsjahren der Auffassung, dass bei seiner Aufgabe nichts mehr hilft als Härte und Druck. Die Zwei fetzen sich immer und immer wieder und doch müssen sie (widerwillig) anerkennen, dass jede/r auf auf seine/ihre Weise auch Erfolg hat. Es macht Vergnügen, den Wortduellen der Beiden zu folgen.
Die Geschichte selbst besitzt für einen Krimi einen ungewohnt hohen psychologischen Anteil, was jedoch der Spannung nicht im Geringsten abträglich ist, ganz im Gegenteil. Man gewinnt einen kleinen Einblick in ein Nazimilieu, bei dem einem das Messer in der Tasche aufgeht ('Wie übe ich Druck aus, ohne dass ich strafrechtlich belangt werden kann?' Trifft natürlich auf alle anderen kriminellen Bereiche ebenso zu). Man lernt eine völlig normale Familie kennen, die jedoch alles andere als normal ist und doch in dieser und ähnlicher Konstellation vermutlich überall anzutreffen ist. Kurz: Ein Krimi, der wie aus dem echten Leben gegriffen scheint.
Einziges Manko: Ausgerechnet beim Täter bleiben die psychologischen Erklärungen, weshalb er dies alles so steuern konnte, im Dunkeln. Schade, das hätte mich doch sehr interessiert.

The Sandman, Vol. 9: The Kindly Ones
352 Seiten

This time the Sandman is in real trouble. The little son of a young woman has been kidnapped and she is persuaded of the blame of the Lord of Dreams. In search of her child, she meets The Three Furies, whose duty is practicing bloody revenge without a soupçon of pity. And so their next object will be the Sandman...
But this is not the only story in this volume, which is at least twice as thick as the previous ones. Among other things, there is Lady Delirium looking for her dog; also there is Nuala and her unrequited love for The Sandman; we follow Loki's cruel fate and additional a young woman who is attending an acquaintance while a deadly disease – and to be honest: I don’t have any idea what kind of proportion is this tale to the main story. Like before at the last book I come to the same conclusion: I have to read the previous books probably once again ;-)
The stories are devilishly good as usual. However, this time I quarrel with the drawings. They are rougher painted than the previous images, almost in a sort of cubist way which I don’t find that appealing as a basis for a graphic novel. It would be wonderful if in the next volume the illustrators return to the old drawing style.

Der Tod des Landeshauptmanns
187 Seiten

Eines ist bei diesem Titel bereits klar: Das Buch handelt ganz offensichtlich von den Hintergründen des Todes Jörg Haiders. Und auch der Klappentext bestätigt dies: War es der US-Geheimdienst? Oder der Mossad? Oder kroatische Extremisten? In jedem Falle eine Menge Stoff, um daraus einen spannnenden Krimi mit realem Hintergrund zu produzieren. Doch ich bin über die Art und Weise, wie es in diesem Buch realisiert wurde, nicht so glücklich.
Mehr oder weniger gibt es zwei Handlungsebenen: Der Freund der Journalistin Jasmin Köpperl, der beim Heeresnachrichtenamt tätig ist, scheint plötzlich spurlos verschwunden. Es sieht sogar so aus, als ob sein Tod vorgetäuscht werden sollte. Gemeinsam mit dem Revierinspektor Bugelnik machen beide sich daran, die Ursache seines mysteriösen Abtauchens zu beleuchten. Gleichzeitig erhält die Journalistin in gewissen Abständen Mails von ihrem Freund, deren Inhalt offenbar in Romanform die Hintergründe darlegen sollen, die zum Tod Jörg Haiders führten. In beiden Handlungssträngen, den Mails und der eigentlichen Geschichte, gibt es zumindest zu Beginn eine Reihe von Sprüngen in andere Zeitebenen, was bei mir zu einiger Verwirrung führte. Doch nach und nach lichtet sich der Nebel und man beginnt mitzurätseln, wer nun wann wo zuschlägt - und was davon nun stimmt.
Der Roman ist spannend und unterhaltsam geschrieben mit sehr viel österreichischem Lokalkolorit (es gibt eine Menge Ausdrücke, die mir völlig unbekannt sind), doch ich frage mich jetzt noch, wieso der Tod des Landeshauptmannes dem Buch seinen Titel gegeben hat. Um die Verkäufe anzukurbeln? Denn auch wenn es das Thema des Romans im Roman ist, ist es doch eher Nebensache. Und dass die zwei Handlungsstränge nur lose miteinander verknüpft sind, verstärkt mein zweispältiges Gefühl. Zusammengefasst: Gut geschrieben, aber an der eigentlichen Geschichte könnte man noch ein bisschen feilen.

Alle Jahre Widder
89 Seiten

Weihnachten steht vor der Tür - und Meister Matthäus, Leiter der Abteilung 'Auslieferung', muss sich mit dem Vorsitzenden der Himmlischen Rentiergewerkschaft, Herrn Kaurismäki, auseinandersetzen. Die Rentiere sind völlig überlastet, da mittlerweise ALLE Menschen (egal, welcher Religion oder welchem Land sie angehören), Weihnachtsgeschenke beanspruchen. So fordert Herr Kaurismäki Verstärkung, egal in welcher Form, denn ansonsten wird an Weihnachten gestreikt. Meister Matthäus gibt nach und es wird eine weltweite Stellenanzeige geschaltet, die sich an alle Zug-, Last- und Huftiere richtet. Zeitgleich schreibt die kleine Lina ihren Wunschzettel, der nur einen einzigen, dafür aber umso größeren Wunsch enthält: ein Kaninchen, genauer: ein Widder. Aber Linas Eltern lehnen diese Bitte rundweg ab, ein Haustier kommt nicht in Frage. Doch ohne dass Lina es weiss, hat sie einen Verbündeten in der himmlischen Postlagerhalle, Abteilung 'Wunschzettel'. Und dieser hält sich nicht immer an alle Vorschriften...
Eine herrlich verrückte und wunderbar bezaubernde Weihnachtsgeschichte, aus der man nicht nur erfährt, wie es an Weihnachten tatsächlich hinter den Kulissen so zugeht, sondern dass Dromedare, Milchkühe, Stiere und nicht zuletzt Zebras auch gerne mal ihr Betätigungsfeld wechseln. Dass Gewerkschaftsorganisationen nicht nur welt- sondern auch himmelweit bereits Fuss gefasst haben. Dass Weihnachtsmänner in gewisser Weise auch nur Menschen sind. Undundund...
Das Ganze wird ergänzt mit liebevollen kleinen Zeichnungen, die schön zu dieser Erzählung passen.
Und weshalb 'nur' vier Sterne? Weil es doch nicht ganz an die Bücher von Philipp Ardagh heranreicht, die mir persönlich ebenso wie die dazugehörigen Illustrationen doch NOCH etwas besser gefallen als 'Alle Jahre Widder'.

Mein Leben als Pavian

Robert M. Sapolsky, Professor für Biologie und Neurologie an der berühmten Stanford-Universität in Kalifornien, erzählt u.a. von seinem Leben mit und zwischen den Pavianen. Bereits als Kind begeistert von Affen, wünschte er sich sehnlichst ein Berggorilla zu sein, doch letzten Endes reichte es 'nur' zu einem Platz als rangniederes Mitglied einer Pavianhorde. Er schildert, wie er als 20jähriger zum ersten Mal nach Afrika kam, 'seine' Horde kennenlernte und sich nach und nach mit den Sitten, den Menschen und Tieren Kenias vertraut machte. Zweifellos sind die Geschichten mit und über die Paviane das Hauptthema des Buches, doch es bleibt genügend Raum um einen guten Einblick in das Drumherum zu erhalten. So schildert er das Dilemma der Wildhüter, die einerseits die Tiere schützen sollen, andererseits aber auch etwas zu essen brauchen um ihre Familien zu ernähren - denn das Gehalt behält der Chef. Seinen Versuch, eine Zebrakeule essbar zuzubereiten. Die alltägliche Korruption aber ebenso die allgegenwärtige Gastfreundschaft. Seine Reise in ein Krisengebiet. Undundund... Er beschreibt, informiert, kritisiert, philosophiert - dieses Buch unterhält nicht nur hervorragend, sondern man lernt so ganz nebenbei auch Einiges (nicht nur) über Afrika.

Sapolsky erzählt auf eine ungemein amüsante, unterhaltsame Art und Weise, die auch Selbstironie nicht scheut. Er kam in dieses Land um wissenschaftlich zu arbeiten, doch in erster Linie ist er Mensch geblieben. Man spürt das ganze Buch hindurch die große Sympathie und Zuneigung, die er für diese Region mit seinen Menschen und Tieren empfindet. Aber auch wie es ihn innerlich fast zerreisst angesichts all der Widersprüchlichkeiten, mit denen er während seines Aufenthaltes zurechtkommen muss.

Christoph Waltz liest dieses Buch in einem Tonfall, der auf den ersten 'Blick' immer gleich klingen mag, aber beim genaueren Hinhören wunderbar zwischen Resignation, Freude, Ironie usw. wechselt. Alles in allem ein wirkliches Hörerlebnis!

Atmen einstellen, bitte! Pekinger Himmelstürze

Auch wenn dieses Audiobuch nun schon acht Jahre alt ist - es ist noch immer ein Gewinn es zu hören.
Strittmatter, als Korrespondent der 'Süddeutschen Zeitung' in Peking, vermittelt Einblicke in das Leben, die Gefühle und die Gedanken der dort lebenden Menschen. Ernstes wie auch Amüsantes findet hier seinen Platz, Einblicke in die Pekinger Punkszene stehen neben Erinnerungen an das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Die vielfältige Glaubenswelt wird ebenso dargestellt wie die barbarische Vorgehensweise der Regierung mit den traditionellen historischen Gebäuden und deren Bewohner.
Insgesamt sind es 12 Beiträge mit knapp 140 Minuten, die sich mit unterschiedlichen Aspekten des Alltags in Peking auf humorvolle wie auch eindringliche Art und Weise befassen.
Fünf Sterne hätte das Hörbuch verdient - ja, wenn nur nicht der Sprecher wäre. Roland Koch liest weitgehend monoton den Text herunter, von Betonung und/oder Akzentuierung keine Spur. Schade, es wäre sonst perfekt gewesen.