Kürzere Tage
223 Seiten

Selten habe ich den Umschlag eines Buches als so passend empfunden wie bei diesem. Bürgerliche Fassade, doch bei genauerem Hinsehen offenbaren sich kräftige Risse.
Stuttgart, eine gut-bürgerliche Wohngegend. Hier wohnen die Gutverdiener, Familien bei denen die Welt noch in Ordnung zu sein scheint. Judith, verheiratet mit Klaus, Universitätsprof, zwei Söhne, Nur-Hausfrau. Ihre Ängste versucht sie mit Tabletten sowie mithilfe der Anthroposophie in Griff zu bekommen - jedoch nur äußerlich erfolgreich. Leonie, berufstätig, verheiratet mit einem erfolgreichen Mann der mehr für seinen Beruf lebt und zwei kleinen Töchtern ist zerrissen zwischen der Liebe zu ihrem Job und dem Wunsch, mehr für ihre Familie dazusein. Insgeheim beneidet sie Judith um deren scheinbares Idyll. Daneben gibt es Marco, einen 13jährigen Jungen der typisch für die Unterschicht zu sein scheint. Große Klappe, Fehlzeiten in der Schule - doch in Wirklichkeit... Und es gibt Luise, seit über 60 Jahren mit demselben Mann verheiratet. Und noch immer voller Liebe füreinander.
Die Autorin lässt abwechselnd immer eine andere ihrer Hauptpersonen zu Wort kommen. Durch den Wechsel der Zeiten mischt sie geschickt Gegenwart und Vergangenheit, so dass momentane Gedanken und Überlegungen direkt durch entsprechende Rückblicke begründet werden. Die beschriebenen Personen kommen einem auf diese Weise unerhört nahe.
Für Stuttgart-KennerInnen ist das Buch noch zusätzlich ein Genuss: Es gibt eine Vielzahl von Wiedererkennungseffekten. Nicht-KennerInnen haben hingegen vielleicht gelegentlich ein Verständnisproblem. Beispielsweise wenn von einem Elefanten in der Wilhelma die Rede ist, ist der Stuttgarter Zoo gemeint. Aber das sollte der Lektüre keinen Abbruch tun, das Buch ist auf jeden Fall lesenswert.

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