Die Augen des Iriden
400 Seiten

“Die Augen des Iriden” wird vom Verlag als Jugendroman voller Action und Verschwörungstheorien angepriesen und nach dem Lesen kann ich guten Gewissens sagen: Die lügen nicht. Ich hätte das Buch gern in einem Rutsch durchgelesen, wenn die Zeit es erlaubt hätte, weil es mich vor lauter Spannung so sehr mitgerissen hat. Die Verschwörung, das ganze Drumherum und die schiere Größe dieser Geschichte haben mich so hilflos fühlen lassen, was normalerweise natürlich kein angenehmes Gefühl ist, hier aber dazu geführt hat, dass ich mich gedanklich komplett in die Geschichte gestürzt habe.

Dieser Roman dreht sich um Henry und seine Chat-Freundin Valeska. Nachdem sein Vater an seinem sechsten Geburtstag spurlos verschwunden ist, leidet seine Mutter an Verfolgungswahn und lässt Henry kaum noch raus. Er wird Zuhause unterrichtet und hat als gleichaltrige Ansprechperson nur Valeska, die zwar auf ein Internat geht, sich dort allerdings ähnlich einsam fühlt. Beide haben genug an ihrer eigenen Vergangenheit zu knabbern und ihre Schicksale verweben sich an Henrys sechszehntem Geburtstag noch mehr: Bei Henry taucht eine angebliche Vertretungslehrerin auf und setzt ihm ein seltsames Gemälde vor, in Valeskas Internat begeht ein Junge Selbstmord, woraufhin sie eine Pistole in ihrem Schrank findet und vor lauter Panik flüchtet. Natürlich zu Henry.

Eine Besonderheit an Henry sind seine verschiedenfarbigen Augen, die durch Heterochromie verursacht werden, was im Normalfall die Sehfähigkeit nicht beeinflusst. Diese zweifarbigen Augen werden in seiner Familie vererbt und spielen in diesem Roman eine große Rolle. Experimente mit Heterochromie wurden unter anderem bereits im Nationalsozialismus durchgeführt. Kinder mit zwei Augenfarben wurden in Auschwitz für die Erforschung missbraucht, indem ihnen Augentropfen verabreicht wurden. Neben vielen Nebenwirkungen und Schmerzen sind die Kinder erblindet und wurden schließlich getötet. Maja Loewe nimmt sich unter anderem diesen Vorfall und spinnt zusammen mit Geheimbünden und der Welt der Kunst eine riesige Verschwörungstheorie, in die auch Science Fiction-Aspekte sowie Gedanken zu Moral und Ethik mit einfließen.

Diese Geschichte wird abwechselnd aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt. Henry und Valeska kommen zu Wort, später kommen ein Kommissar und weitere Personen dazu. Durch geschickt verflochtene Handlungsstränge und zahlreiche rätselhafte Hinweise, die man nicht sofort sortieren kann, baut sich eine ungeheure Spannung auf. Jede Sichtweise war derart spannend, dass ich mich bei jedem neuen Kapitel fast geärgert habe, dass sich der Blickwinkel wieder ändert, obwohl ich doch ALLE gern gelesen habe. Es konnte mir einfach nicht schnell genug gehen und ich musste mich sehr in Geduld üben. Langsam aber sicher bündeln sich alle Fäden in einem riesigen Gebilde, das nicht nur erschreckende Ausmaße annimmt, sondern auch unglaublich furchteinflößend ist. Hier kommt dann die Hilflosigkeit wieder auf, weil ich dieser Verschwörung wirklich ungern gegenüberstehen möchte. Henry, Valeska und weitere Verbündete tun dies allerdings, mit Mut, Geschick und, ja, auch einigen Konsequenzen.

Maja Loewe hat mit “Die Augen des Iriden” ein Jugendbuch geliefert, das viele Themen und Theorien geschickt und unerwartet miteinander verbindet und das aufgrund der Thematik nicht nur für Jugendliche eine spannende und interessante Geschichte bietet. Die Hauptperson Henry, ein sechszehnjähriger Junge, leitet mit Tatendrang, nachdenklichen Gedanken und viel Freundschaft durch ein ungewöhnliches Abenteuer, bis sie am Ende ein Etappenziel erreichen, für das ich mir eine Fortsetzung wünsche.

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