Essenz der Götter I
480 Seiten

In letzter Zeit passiert es eher selten, dass ich ein Buch ein zweites Mal lese. Bei "Essenz der Götter I" hat es allerdings gerade gut gepasst, da es kurz vor Erscheinen des zweiten Bandes am 05. November eine Leserunde auf Facebook gab. Auch beim zweiten Mal hat mir das Buch gut gefallen. Noch besser wäre es mit viel weniger Drama gewesen — da ich wusste, was kommen wird, hat es mich leider eher noch ein wenig mehr genervt. Mit Drama, Gefühlshickhack und Missverständnissen kann man mich sowieso jagen. Gepunktet hat die Geschichte bei mir allerdings mit den mythischen Elementen, die rundum gelungen und kreativ ausgearbeitet wurden.

Eine Essenz der Götter tragen all jene Menschen in sich, die irgendwie von einem der griechischen Götter abstammen. Je stärker ihr Blut mit dem von normalen Menschen vermischt ist, desto schwächer erscheint die Gabe. Die Divinus leben abgeschirmt und traditionell in ihrem Lager und wollen im Grunde friedlich und einfach leben, wären da nicht die Titanus, Sprösslinge der Titanen und aufs Blut mit den Divinus verfeindet. Die Geschichte ist aus den Sichtweisen der Protagonisten Loreen und Slash geschrieben, hin und wieder kommen auch noch einige Nebencharaktere zu Wort. Zu Beginn des Buches hat Loreen lediglich eine Ahnung, dass mit ihr etwas anders sein könnte, aber sie kann sich sowieso gerade nicht um so etwas kümmern. Ihre Adoptiveltern sind vor kurzem tödlich verunglückt und sie muss die letzten Monate bis zur Volljährigkeit in einem Heim verbringen, sodass sie zu allem Überfluss auch noch von ihrem Freund getrennt wird. Slash und seine Truppe sind gleichzeitig auf der Suche nach der Person, deren Essenz gerade geweckt wurde, und so treffen sie auf die immer noch trauernde Loreen.

Das Buch ist aus verschiedenen Perspektiven geschrieben und jedem Charakter ist eine Innensicht mitgegeben. Es geht in "Essenz der Götter I" deshalb auch nicht ausschließlich um das Leben im Lager, das System der Divinus und die Probleme mit den Titanus, sondern um Liebe, Gefühle, Trauer, Freundschaft und noch viel mehr. Und hier sind wir auch schon bei dem Teil des Buches, der mir nur stellenweise gefallen hat. Einerseits hat Martina Riemer es stets geschafft, die Gedanken und Gefühle ihrer Charaktere glaubhaft und gefühlvoll zu zeigen, andererseits wurde es mir manchmal zu viel. Jeder Charakter hat natürlich seine Vergangenheit, die nicht immer rosig war (ansonsten wäre es ja auch langweilig), die sich für meinen Geschmack allerdings viel zu häufig in den Vordergrund gedrängt hat. Und genau das hat dann auch das meiste Drama verursacht, weil besonders Slash und Loreen in ihrem Schmerz lieber gebadet haben als miteinander zu reden. So entstehen eben Missverständnisse, die bei erwachsenen Menschen nicht unbedingt sein müssten. Charaktere, die sonst stark auftreten, aber bei starken Gefühlen plötzlich unglaublich unsicher werden und sich nur noch selbst zerfleischen, sind einfach nichts für mich. Dieses Verhalten beschränkte sich glücklicherweise auf einige wenige Kapitel, die Liebesgeschichte selbst war aber prickelnd und hat mir gut gefallen.

Die phantastischen Elemente in "Essenz der Götter I" sind unglaublich interessant. Dass Götter Nachkommen haben und an diese nicht nur Gaben, sondern auch Pflichten weitervererben, kann man schon in unzähligen Büchern lesen. Martina Riemer hat hier eine schöne Interpretation der Gaben bzw. Essenzen geliefert und sie hat alte Mythen neu verwoben und erklärt. Das Leben im Lager der Divinus, alte mythische Artefakte und kleine magische Alltagshelfer — jede kleine Erfindung hat mich jubeln lassen, weil ich das alles so genial fand. "Essenz der Götter I" ist ein tolles Buch, das ich allen empfehlen möchte, die die griechische Mythologie und Urban Fantasy gemischt mit einer Liebesgeschichte mögen, und das ich noch mehr empfehlen kann, wenn man Beziehungs- und Gefühlsdrama mag.

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