"Omni" ist das vierte Buch von Andreas Brandhorst, das ich direkt nach Erscheinen gelesen habe. Das ist an sich auch schon eine Aussage. Die Zukunftsvisionen, die der Autor mir in seinen Büchern lebhaft präsentiert, gefallen mir. Nicht unbedingt, weil ich mir wünsche, dass es für die Menschheit so eintritt, sondern weil mir die Eindringlichkeit und die Detailfülle gefallen, mit denen Andreas Brandhorst diese Bilder heraufbeschwört. In "Omni" sind es diesmal nicht die künstlichen Intelligenzen, die die Herrschaft über das Weltall an sich gerissen haben (wie es noch in "Das Schiff" war), sondern Superzivilisationen, die sich zu "Omni" zusammengeschlossen und einen höheren Entwicklungsstand als die Menschen oder ähnliche Spezies haben.

Forrester und Zinnober sind Vater und Tochter, die sich vor kurzem erst gefunden haben und nun gezwungen sind, einen Auftrag der "Agentur" auszuführen. Sie sollen den Zehntausendjährigen Aurelius entführen, da dieser einer von sechs Menschen ist, die Zugang und Kontakt zu Omni haben, und die Agentur das offenbar ausnutzen möchte. Welche Motive sich genau dahinter verbergen, ist zunächst unklar, und Zinnober und Forrester machen sich nur widerwillig auf den Weg. Dieser ist immerhin sehr rasant, viel rasanter als vielleicht gewünscht.

Wie es für ein Weltall aus Brandhorsts Feder üblich ist, führt uns diese Reise durch eine Fülle von Planeten und Sonnensystemen. Dabei begegnen wir verschiedenen Spezies mit unterschiedlichen Entwicklungsstufen und interessanten Kulturen. Forrester und Zinnober haben natürlich gewisse Pläne, wie sie den Auftrag ausführen könnte, aber was wäre das denn für ein Spannungsbogen, wenn es immer genau so klappen würde? So einiges geht natürlich schief, mit den ein oder anderen Konsequenzen, doch die beiden sind anpassungsfähig. Bis zu einem bestimmten Grad? Hilfe bei ihrer Aufgabe bekommen sie unter anderem von ihrer Schiffsintelligenz Cassandra, deren Darstellung mir besonders gefallen hat. Nicht nur Forrester und Zinnober entwickeln sich weiter, sondern auch diese Stimme des Schiffes, die immer anwesend ist. Im Laufe des Buches wachsen die drei immer mehr zu einem Team zusammen, das den Auftrag gemeinsam erfüllt und aufeinander aufpasst. Insgesamt wird also neben dem spannenden Auftrag also auch noch viel Wert auf Charakterentwicklung und ihre Beziehungen zueinander gelegt, sowohl auf die Vater-Tochter-Beziehung als auch die Beziehung der beiden zu Cassandra.

"Lichter glühten und schimmerten in ihnen, wie die Funken in den Säulen des Schiffes, das gar kein richtiges Schiff war, und wo sie sich trafen, ertönten Millionen von Stimmen — Aurelius hörte sie als dumpfes Rauschen in der Ferne. Über den Türmen und dem oberen Netz, wo die Inper miteinander sprachen und Datenchöre sangen, schwebten und rotierten mit den Kontinua verbundene orbitale Städte." (S. 370)

In "Omni" werden Technologien, Umgebungen und Kulturen wie gewohnt detailreich und auch mit vielen Fremdwörtern beschrieben. Diese werden oft wie selbstverständlich benutzt und sind durch den Kontext einfach zuzuordnen. Für Unsicherheiten gibt es allerdings wie immer ein umfangreiches Glossar und zusätzlich eine Chronologie, was auf der Erde und im Weltall geschehen ist, bis es zu der aktuellen Situation kam. Die Geschichte selbst wird aus verschiedenen Sichtweisen erzählt — auf der einen Seite erleben wir die Reise von Forrester und Zinnober, auf der anderen den Weg des Zehntausendjährigen Aurelius, zusätzlich gibt es Einblicke in die Gedankengänge einiger Gegenspieler. Dies bringt noch mal mehr Abwechslung in das Buch, weil all diese Charaktere individuell und unvorhersehbar sind; besonders Aurelius, den ich bis zum Schluss schwer einschätzen konnte, diesen genialen Kerl. Es lohnt sich, "Omni" zu lesen. Für Leser*innen, die sowieso schon gern Science Fiction lesen, sowieso; für alle anderen auch. Traut euch. Es ist spannend und öffnet im wahrsten Sinne des Ausdrucks neue Welten.