Ich las sehr lange an dieser Essaysammlung, manche Essays wegen ihrer Schlagkraft mehrmals. Ich tat es aus genießerischen Gründen. Denn die Formulierung im Vorwort, dass DFW ein "Hirnschrittmacher" sei, die kann man allenthalben als überaus passend bewerten.
Sprachlich sind die 1038 Seiten eine derartige Liebeserklärung an das geschriebene Wort, dass einem die Tränen kommen können. Stilistisch, Stichwort seitenlange Fußnoten, ebenso. Inhaltlich ebenso. Diese Lektüre hat mich nachhaltig verzaubert und verändert. So zu sehen wie DFW, das sollte ein Ziel sein; eine thalamische Fehlregulation bei gleichzeitig hoher corticaler Dichte im Frontalhirn.
Der letzte Essay "Das hier ist Wasser" war der perfekte Schluss, weil er die Person hinter den Essays in ein anderes Licht rückte. Diese Erfahrung war im wahrsten Sinne des Wortes umwerfend. Sein in Lachen gegossenes Denken erhielt eine distanzierte Traurigkeitsnote als Beilage.
Das für mich Wichtigste war aber das Überwinden der Ironie. Für mich sind Ironiker, die das unironisch tun und das u.U. sogar noch für intellektuell halten, arme Würstchen.
"Einzelkritiken"
"Tennis" (n=5, 144 Seiten): Allesamt spannend zu lesen, es geht um sehr vieles. Vor allem die Beschreibung R. Federers war im Nachblick amüsant, da DFW seinen Körper genauer zu kennen scheint als Mrs Federer.
"Ästhetik, Sprache und Literatur" (n=16, 340 Seiten): Der Highlight-Teil. Wittgenstein, Dostojewski, Kafkas Komik, Der Spaß an der Sache, Autorität und amerikanischer Sprachgebrauch (!!) waren die besten daraus und diese las ich auch dreimal. Allein eine wittgensteinsche Fußnote vermag alles zu sprengen.
"Politik" (n=3, 106 Seiten): In "Hoch, Simba" wird John McCain III bei den GOP-Vorwahlen 2000 begleitet (also vs Bush). DFW ist hier Rolling-Stones-Reporter, begleitet einen Politiker, den er nicht leiden kann, den er aber mit einem solchen nuancierten Blick betrachtet, dass es einem graust. In einer Paralleldimension hätte er vllt Trump begleitet, das hätte ich spannend gefunden, da mich der Berater McCains an einen energiegeladeneren Steve Bannon erinnerte. Werte Leseerfahrung. "Von Mrs Thompsons Warte" behandelt 9/11 und das war spannend, wegen der Fragen "Wo kommen eigentlich all die Flaggen her?" und der Erkenntnis, dass er die Einstellung i.S.v. Ablehnung gegenüber Amerika eher mit den Terroristen teilt als mit den Hausfrauen, bei denen er die Nachrichten verfolgte. Die Fragen in "Ich frag ja bloß" wurden dann 2007 gestellt und behandeln die Nachwirkungen 9/11s. Es geht um die Franklinsche Frage von Freiheit vs Sicherheit; bei gleichzeitiger Frage, ob die USA noch demokratiedenkfähig sind.
"Film, Fernsehen und Radio" (n=3, 160 Seiten). Nicht ganz so spannend. David Lynch behandelt zu wissen (mit Blue Velvet etc) war aber das beste davon. "Moderator" war auch nicht schlecht.
"Unterhaltungsindustrie" (n=4, 256 Seiten): Der Besuch bei der Landwirtschaftsmesse (1) in Illinois machte DFW als "Reporter" berühmt, sodass das Harper's Magazine ihn auch auf Kreuzfahrt schickte (2). Beide Berichte sind derart lang, dass sie Buchform erreichten. Die Kreuzfahrtsache sollte jeder mal gelesen haben. Zwischen Traurigkeit, Zwang zum Entspannen und neurotischem Beschreiben findet sich viel mehr. "Der große rote Sohn" (3) ist ein Besuch der Porno-Oscars. Dies war mehr amüsant als denkwert. "Am Beispiel des Hummers" dürfte einer der bekanntesten Texte sein und es ist einer der besten. Zwischen PETA und Gourmet liegen Welten und DFW kann sich nicht entscheiden, auf welcher er (oder der Leser der Zeitschrift "Gourmet", für die er das lustigerweise schrieb, da es um das Maine Lobster Festival ging) sein will/kann. Unfassbar gut.
"Leben" (n=2, 18 Seiten): "Neues Feuerspeien" ist eine Ode an AIDS, bzw die Rückeroberung der Gefahr der Sexualität, was erst dumm klingt, tatsächlich aber im sexualhistorischen Kontext schlüssig ist. Und "Das hier ist Wasser" ist "ohne Worte", um 1 Klischeephrase zu haben.
In Lachen gegossenes Denken
Ich las sehr lange an dieser Essaysammlung, manche Essays wegen ihrer Schlagkraft mehrmals. Ich tat es aus genießerischen Gründen. Denn die Formulierung im Vorwort, dass DFW ein "Hirnschrittmacher" sei, die kann man allenthalben als überaus passend bewerten. Sprachlich sind die 1038 Seiten eine derartige Liebeserklärung an das geschriebene Wort, dass einem die Tränen kommen können. Stilistisch, Stichwort seitenlange Fußnoten, ebenso. Inhaltlich ebenso. Diese Lektüre hat mich nachhaltig verzaubert und verändert. So zu sehen wie DFW, das sollte ein Ziel sein; eine thalamische Fehlregulation bei gleichzeitig hoher corticaler Dichte im Frontalhirn. Der letzte Essay "Das hier ist Wasser" war der perfekte Schluss, weil er die Person hinter den Essays in ein anderes Licht rückte. Diese Erfahrung war im wahrsten Sinne des Wortes umwerfend. Sein in Lachen gegossenes Denken erhielt eine distanzierte Traurigkeitsnote als Beilage. Das für mich Wichtigste war aber das Überwinden der Ironie. Für mich sind Ironiker, die das unironisch tun und das u.U. sogar noch für intellektuell halten, arme Würstchen.
"Einzelkritiken" "Tennis" (n=5, 144 Seiten): Allesamt spannend zu lesen, es geht um sehr vieles. Vor allem die Beschreibung R. Federers war im Nachblick amüsant, da DFW seinen Körper genauer zu kennen scheint als Mrs Federer. "Ästhetik, Sprache und Literatur" (n=16, 340 Seiten): Der Highlight-Teil. Wittgenstein, Dostojewski, Kafkas Komik, Der Spaß an der Sache, Autorität und amerikanischer Sprachgebrauch (!!) waren die besten daraus und diese las ich auch dreimal. Allein eine wittgensteinsche Fußnote vermag alles zu sprengen. "Politik" (n=3, 106 Seiten): In "Hoch, Simba" wird John McCain III bei den GOP-Vorwahlen 2000 begleitet (also vs Bush). DFW ist hier Rolling-Stones-Reporter, begleitet einen Politiker, den er nicht leiden kann, den er aber mit einem solchen nuancierten Blick betrachtet, dass es einem graust. In einer Paralleldimension hätte er vllt Trump begleitet, das hätte ich spannend gefunden, da mich der Berater McCains an einen energiegeladeneren Steve Bannon erinnerte. Werte Leseerfahrung. "Von Mrs Thompsons Warte" behandelt 9/11 und das war spannend, wegen der Fragen "Wo kommen eigentlich all die Flaggen her?" und der Erkenntnis, dass er die Einstellung i.S.v. Ablehnung gegenüber Amerika eher mit den Terroristen teilt als mit den Hausfrauen, bei denen er die Nachrichten verfolgte. Die Fragen in "Ich frag ja bloß" wurden dann 2007 gestellt und behandeln die Nachwirkungen 9/11s. Es geht um die Franklinsche Frage von Freiheit vs Sicherheit; bei gleichzeitiger Frage, ob die USA noch demokratiedenkfähig sind. "Film, Fernsehen und Radio" (n=3, 160 Seiten). Nicht ganz so spannend. David Lynch behandelt zu wissen (mit Blue Velvet etc) war aber das beste davon. "Moderator" war auch nicht schlecht. "Unterhaltungsindustrie" (n=4, 256 Seiten): Der Besuch bei der Landwirtschaftsmesse (1) in Illinois machte DFW als "Reporter" berühmt, sodass das Harper's Magazine ihn auch auf Kreuzfahrt schickte (2). Beide Berichte sind derart lang, dass sie Buchform erreichten. Die Kreuzfahrtsache sollte jeder mal gelesen haben. Zwischen Traurigkeit, Zwang zum Entspannen und neurotischem Beschreiben findet sich viel mehr. "Der große rote Sohn" (3) ist ein Besuch der Porno-Oscars. Dies war mehr amüsant als denkwert. "Am Beispiel des Hummers" dürfte einer der bekanntesten Texte sein und es ist einer der besten. Zwischen PETA und Gourmet liegen Welten und DFW kann sich nicht entscheiden, auf welcher er (oder der Leser der Zeitschrift "Gourmet", für die er das lustigerweise schrieb, da es um das Maine Lobster Festival ging) sein will/kann. Unfassbar gut. "Leben" (n=2, 18 Seiten): "Neues Feuerspeien" ist eine Ode an AIDS, bzw die Rückeroberung der Gefahr der Sexualität, was erst dumm klingt, tatsächlich aber im sexualhistorischen Kontext schlüssig ist. Und "Das hier ist Wasser" ist "ohne Worte", um 1 Klischeephrase zu haben.