Die Chronik der Sperlingsgasse
252 Seiten

Wilhelm Raabe lässt in 'Die Chronik der Sperlingsgasse' einen älteren Mann von seinem Leben und dem der Menschen die ihn in dieser Gasse umgaben, erzählen, während er zeitgleich aktuelle Erlebnisse miteinbezieht. Es ist keine chronologisch verlaufende Geschichte, von der hier berichtet wird, stattdessen lässt sich Wachholder (so sein Name) vom Moment inspirieren, etwa beim Blick aus dem Fenster auf die Sperlingsgasse oder wenn er alte Aufzeichnungen durchsieht.
Das Geschehen, sowohl vergangen wie auch gegenwärtig, ist nichts Aufsehenerregendes. Es geht um eine unglückliche Jugendliebe, eine dennoch fortdauernde Freundschaft, ein Kind, das Wachholder anvertraut wird und dessen Erwachsenwerden er begleitet. Naturerlebnisse werden beschrieben wie auch Ereignisse bei der Arbeit und in seiner Umgebung. Nun mögen Manche fragen, ob es sich überhaupt lohnt diese Chronik zu lesen. Ich kann nur schreiben: Ja! Denn Raabe gelingt es, in diese so alltäglichen Geschichten das ganze Weltgeschehen miteinfließen zu lassen, ohne dass man sich dessen groß bewusst wird. Für seine Zeitgenossen mag dies offensichtlicher gewesen sein als für uns, mehr als 150 Jahre später. Doch die recht umfangreichen Erläuterungen und insbesondere das schöne Nachwort von Joachim Bark helfen hierbei weiter, wobei ich persönlich Manches aus dem Nachwort noch lieber in den Erläuterungen vorgefunden hätte. Sei's drum, in jedem Fall erhält man durch das Lesen dieses Büchleins einen weitaus tieferen Einblick in die Verhältnisse dieser damaligen Gesellschaft als man das auf den ersten Blick vermuten würde.
Und nicht ganz unerheblich: Gut geschrieben ist es zudem. Zu Beginn mag es für unsere heutigen Ohren etwas ungewöhnlich klingen, doch ich war bald mit Wachholders bzw. Raabes Erzählstil vertraut und freute mich an seinen bildhaften Beschreibungen ebenso wie an seinen humorvollen und auch selbstironischen Sätzen. Gelegentlich geraten sie vielleicht etwas ausschweifend, sodass ich Manches zweimal lesen musste, doch es ist der Mühe wert.
Schade, dass dieser Klassiker fast schon vergessen scheint und deshalb ist es umso schöner, dass der Alfred Kröner Verlag dieses Frühwerk in einer kleinen und feinen Ausgabe mit blauem Leineneinband herausgebracht hat. Neben den Erläuterungen und dem Nachwort ist das Ganze noch mit diversen Zeichnungen von Raabe versehen - eine wirklich schöne Ausgabe, die auch noch lesenswert ist ;-)

Kekse im Kosmos
224 Seiten

Die zehnjährige Astra (wie sollte es bei diesem Namen auch anders sein :-)) bricht mit ihren Eltern zu einer 199 Jahre dauernden Reise zu einem anderen Planeten auf. Das ist kein Problem, denn für diese Zeit werden sie in eine Art kalten Tiefschlaf versetzt, der sie weder altern, hungern oder dursten lässt. Doch wider Erwarten erwacht Astra nach 100 Jahren und findet sich plötzlich zwischen Killerkuchen und Mörderkeksen wieder. Und das Raumschiff scheint völlig ausser Kontrolle - Astra bleibt nichts übrig als zu handeln.
Es ist das zweite Buch des Schriftstellerduos McIntyre und Reeve. Und wie schon beim Ersten (Schwupp und Weg) ist es ein unglaubliches Abenteuer, was Astra auf ihrer Reise erlebt. Reeves Erfindungsreichtum bringt vieläugige Flottraffs hervor, eine Happ-A-Tron-Essensmaschine, den spaghettiähnlichen Namenlosen Horror und nicht zu vergessen natürlich all die gefährlichen Kekse und Kuchen. Doch auch der Sprachwitz kommt nicht zu kurz, wenn beispielsweise Ausserirdischen mitgeteilt wird, sie läsen zuviel Science-Fiction oder Sätze wie '"Das Problem mit dem Weltraum ist: Es gibt so unglaublich viel davon." McIntyre bringt die Geschichte mit ihren Zeichnungen so richtig zum Glänzen. In 'altbewährter' Manier reduziert sie die verwendeten Farben dieses Mal auf orange, weiß und schwarz, was aufgrund der detailreichen Zeichnungen sinnvoll wirkt, um das Auge nicht zu überfrachten. Ihre Figuren (zumindest die menschlichen) werden wieder durch übergroße Augen dominiert, die aber kein Kindchenschema hervorrufen, sondern auf überraschend einfache Weise Stimmungen ausdrücken können.
Eine richtig tolle Geschichte mit einem kindgerechten, fast schon etwas zu kitschigem Ausgang, die vermutlich nicht nur einmal gelesen wird. Mit der Wahl eines Mädchens als Hauptperson wird sie hoffentlich nicht nur Jungs ansprechen (die ja eher für Weltraum und Abenteuer sind), sondern auch die junge weibliche Leserschaft. Weiter so, Reeve und McIntyre ;-) !

Adler und Engel

Was für eine chaotische Geschichte, die da aus einer Teenagerliebe erwächst. Es geht um Drogenhandel und -schmuggel, geschickt vermischt mit den Kriegswirren auf dem Balkan und der danach folgenden Osterweiterung - das sind die unschönen Beigaben einer Liebesgeschichte die keine ist. Max ist verliebt in Jessy, die aber in Scherscha - der wiederum nur an viel Geld interessiert ist, an das er über Jessy heranzukommen glaubt, deren Vater ein Drogenhändlier im großen Stil ist. Max zieht sich zurück, wird ein erfolgreicher Anwalt im Völkerrecht und begegnet Jessy wieder. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf, als sich der Kontakt zu seiner alten Liebe intensiviert...
Grundsätzlich keine schlechte Geschichte, wie hier das Grauen des Drogenhandels wie auch des Balkankrieges einem vor Augen geführt wird wie auf übelste Weise beides zusammengeführt wird. Doch irgendwie empfand ich die Art in der Alles zusammenhing, ziemlich konstruiert. Nichts, aber auch überhaupt nichts wurde hier dem Zufall überlassen, alles war geplant und von bösen Hintermännern in die Wege geleitet worden. Es löst sich am Ende (wenn auch nicht in Wohlgefallen) zwar alles auf und die Zusammenhänge sind klar erkennbar, doch etwas weniger Konstruktion hätte für meinen Geschmack dem Roman sehr gut getan. So bleibt es im Rückblick für mich eine recht chaotische Geschichte mit noch chaotischeren Hauptfiguren.
Sehr gut gefallen hat mir aber Anna Thalbach als Vorleserin, die Jessy für mich überdeutlich darstellte mit ihrer feinen, manchmal leicht abwesend klingenden Stimme. Auch der Part von Max gefiel mir - recht neutral, schwer zu entscheiden ob Mann oder Frau, genau richtig für diese Figur.
Alles in allem also ok - wenn man Anna Thalbach mag ;-)

Das bessere Leben
448 Seiten

Himmel, hatte ich Probleme mit diesem Buch! Dreimal habe ich angefangen und war kurz davor, es endgültig zur Seite zu legen. Doch beim letzten Versuch begann ich, es mir selbst laut vorzulesen. Über 50 Seiten - und dann war ich drin. Endlose Sätze, die kein Ende haben und immer weiter führen. Keine echte Handlung, vielmehr Gedanken, Erinnerungen und Ortsbeschreibungen der jeweiligen Personen, die (zahlreich) immer wieder wechseln, wobei zwei Männer sich als Hauptfiguren herausbilden. Durch das laute Lesen entwickelte ich ein Gefühl für diesen Stil, der sich mir in den meisten Fällen als Selbstgespräche darstellte, die doch meist auch so ablaufen: sprunghaft, unvollständig, selten stringend an einem roten Faden entlang. Als leicht zu lesen empfand ich es zwar noch immer nicht, doch ich konnte diesen 'Gedankenflüssen' nun wesentlich besser folgen als zuvor.
Was die Personen in diesem Buch verbindet, ist der Rückblick in ihre jeweilige Vergangenheit, die geprägt waren von Idealen, Utopien, revolutionären Ideen und dem Blick auf ihr Leben jetzt: Was ist geblieben von damals? Warum? Oder besser: Warum nicht? Auch die beiden Hauptfiguren, Jochen und Sylvester, erfolgreiche Geschäftsmänner, beschäftigen sich damit auf ihre jeweils eigene Weise. Sylvester ist der abgebrühtere der Beiden, der der Vergangenheit nur wenig Aufmerksamkeit schenkt und stets nur das beste Geschäft sucht. Für ihr folgt das Leben einem vorgegebenen Plan. Doch immer wieder träumt er von der Studentin Allison, der er als junger Mann begegnete und die ihn mit ihren politischen Aktionen nachhaltig beeindruckte. Jochen hingegen, der sich in einer Umbruchphase befindet, beschleichen dagegen wiederholt Zweifel an seinem Tun ("Wer weiß, wo man angekommen wäre, hätte man vor allen Entscheidungen eine Münze geworfen und sich ohne Überlegung jedes Mal der Wilkür von Kopf oder Zahl unterworfen,..."). Mit sich im Reinen sind lediglich die, die ihren Vorstellungen und Träumen mehr oder weniger treu geblieben sind, auch wenn Geld in deren Leben keine unwichtige Rolle spielt.
Auch wenn es sehr gewöhnungsbedürftig und anstrengend zu lesen ist, vermittelt dieser besondere Schreibstil einen glaubwürdigen Einblick in die Gedankenwelt des 'Romanpersonals'. Dass Karriere und Erfolg allein einem Leben nicht unbedingt Sinn verleihen, wusste man vermutlich schon vor dem Lesen, doch wird es einem hier nochmals überzeugend vor Augen geführt.

Im Himmel gibt es Coca Cola
448 Seiten

Dieses Buch ist nicht ganz einfach zu beschreiben, denn so richtig viel Handlung gibt es nicht. Der Ich-Erzähler Slims, der in der georgischen Hafenstadt Batumi lebt und als Anwalt im Seerechtsministerium arbeitet (und seit Monaten kein Gehalt mehr erhalten hat), träumt davon, seinem geliebten Heimatland zum Aufschwung zu verhelfen: keine Korruption mehr, ständig verfügbare Elektrizität, regelmäßige Gehaltszahlungen usw. Er schreibt Briefe an Hillary Clinton und erhält daraufhin eines Tages tatsächlich eine Einladung in die USA, um sich in puncto Wirtschaft weiterbilden zu können. Doch alles läuft anders als geträumt...
Der überwiegende Teil des Buches beschreibt mehr die Gesellschaft Georgiens und seiner Bewohner als dass er einer wirklichen Handlung folgt: Es ist wirr, chaotisch, liebenswert ;-) Die genannte Handlung hangelt sich eher an einem dünnen sogenannten roten Faden entlang, der als Anlass genommen wird, weitere Beschreibungen einfließen zu lassen. Obwohl die Autorin Amerikanerin ist, gelingt es ihr meiner Meinung (ich kenne das Land nicht - leider, muss ich nach der Lektüre schreiben) sehr überzeugend, die Atmosphäre Georgiens wie auch das Besondere seiner Bewohner darzustellen. Sie lieben ihr Land - aber die Menschen noch viel mehr. Alle versuchen sich auf irgendeine Art und Weise durchzumogeln, meist mit nicht ganz legalen Mitteln, doch immer wird auch an die Anderen gedacht. Es ist ein stetes WIR, das in Georgien existiert - das ICH des Westens kennt man nicht. Für Gäste wird einfach Alles aufgefahren, sodass diese denken müssen, die Georgier leben im Überfluss.
Der Tonfall ist durchweg vergnüglich, wobei dieses Wort vermutlich falsche Erwartungen erweckt. Es ist ein unglaublich trockener Humor, mit dem beispielsweise auf Missstände hingewiesen wird und die Pointe dann schon fast wie ein Lamento klingt, ohne dass dieses wirklich ernst gemeint ist. Oder er kommt sehr unterschwellig oder auch völlig absurd daher - diejenigen, die das Offensichtliche lieben, werden mit diesem Buch nicht ganz so viel zu lachen haben.
Ich habe mich hingegen gut amüsiert, auch wenn Vieles in der Realität bestimmt nicht zum Lachen ist. In jedem Fall hat es mich sehr sehr neugierig auf Georgien bzw. auf seine Menschen gemacht. Denn wie ich in einem Reiseführer nachlesen konnte, wurden deren Beschreibungen nicht übertrieben. Unglaublich - aber ich denke, davon muss ich mich selbst überzeugen. Georgien, ich komme!

Anderswo
329 Seiten

Der zweite Teil dieser Dystopie beginnt nahtlos dort, wo der erste endete, was es für NeueinsteigerInnen etwas problematisch machen dürfte, der Geschichte ohne Verständigungsschwierigkeiten zu folgen. Während im ersten Teil ausführlich die Gesellschaft wie auch die Entwicklung der Personen beschrieben wurde, ist man zu Beginn von NOX - Anderswo sofort mitten in der Geschichte. Die früher engen Freunde Lucen und Gerges stehen nun auf entgegengesetzten Seiten, wobei Gerges Lucen nichts sehnlicher als den Tod wünscht. Lucen muss aufgrund einer Intrige sechs Monate in den verseuchten Wäldern arbeiten, bevor sein Todesurteil vollstreckt wird, während seine schwangere Freundin versucht, sich und ihr Kind zu retten. Ludmilla, das Mädchen aus der Oberstadt, findet sich plötzlich in Dinge verwickelt, die sie an die Grenzen ihrer Möglichkeiten bringen.
Während das erste Buch den Schwerpunkt auf die Entwicklung der Hauptpersonen legte, geht es nun ums nackte Überleben. Die obere Gesellschaft gegen die untere, die Mächtigen gegen die Machtlosen, die Starken gegen die Schwachen. Wer das Pech hatte, auf der falschen Seite geboren worden zu sein, muss sehen wo er/sie bleibt. Gerechtigkeit gibt es nicht und Solidarität herrscht bei den Meisten nur innerhalb ihrer eigenen Gruppe. Ob Ähnlichkeiten zur aktuellen Weltlage gewollt sind - wer weiß.
Wie schon zuvor erzählen die Hauptpersonen stets abwechselnd das von ihnen Erlebte, wobei die Überschneidungen hier deutlich geringer sind als im ersten Teil, was sicherlich den auseinanderstrebenden Lebenswegen geschuldet ist. Zu den bisherigen drei Protagonisten ist noch Firmie, die Freundin Lucens, hinzugekommen, die wie die Anderen ziemlich kühl und sachlich berichtet. Selbst die größten Ängste und Schmerzen werden beinahe emotionslos mitgeteilt, was mir beim Lesen immer wieder merkwürdig vorkam. War das im ersten Teil auch so? Vielleicht gab es dort aber auch einfach weniger solcher Situationen.
Insgesamt ist dieses Buch sicherlich fesselnder als der erste Band, dennoch gefiel mir jener besser. Es gibt einfach viele Dinge, die mir zu gewollt waren: junge Mädchen morden von jetzt auf gleich; ein brutaler Vater wandelt sich beinahe ins Gegenteil; am Ende Gedanken an Brüder, die die 300 Seiten vorher nie ein Thema waren; Happyend für Alle usw. So bleibt es bei einer Dystopie, die mit viel Potential begann, das zum Ende hin jedoch bedauerlicherweise nicht ausgeschöpft wurde.

Über den Winter
384 Seiten

Lennard Salm, ein nicht erfolgloser Konzeptkünstler (oder etwas in der Art), erhält die Nachricht, dass seine ältere Schwester gestorben ist. Er kehrt nach Hamburg zurück, wo sein pflegebedürftiger Vater und seine jüngere Schwester lebt. Sein Leben gerät aus dem scheinbaren Gleichgewicht, in dem es sich die letzten Jahre befand und er ist sich nur bei einem sicher: dass er seinem Vater nahe sein möchte. All das, was sein Leben bisher bestimmte, die Kunst, Reisen, Ausstellungen, interessiert ihn nicht mehr. Doch was statt dessen sein soll, weiß er nicht.
Es ist kein ereignisreiches Buch. Man begleitet Salm während seiner Wintertage in Hamburg und erhält Einblick in seine Gedanken- und Gefühlswelt, wobei letztere eher wenig ausgeprägt ist. Ich empfand ihn als einen Menschen auf der Suche nach dem, was er wirklich will. Seine Vergangenheit war bis dahin mehr durch Zufälligkeiten geprägt, die ihn dahin und dorthin brachten, ohne dass wirkliche Entscheidungen zu treffen waren. Wie bei seinem verloren gegangenen Koffer, der durch die Welt reist und ihn erst am Ende des Buches wieder erreicht. Und auch jetzt ist es keine aktive Suche. Vielmehr ein Sichtreibenlassen ohne sich tatsächlich offen zu etwas bekennen zu müssen.
Vieles in diesem Roman hängt mehr miteinander zusammen als man auf den ersten Blick ahnt, zumindest habe ich es so wahrgenommen (siehe auch den verlorenen Koffer). Im Prolog befindet sich Lennard an einer nicht näher bezeichneten Küste im Süden Europas (?). Und im ersten Kapitel ist es auf den ersten drei Seiten völlig unklar, wo er sich befindet: Noch immer in dem unbekannten Land? Nun aber im Hotel? Erst in der Mitte auf Seite 50 wird deutlich, dass es sich um Hamburg handelt. Alles scheint austauschbar, nichts von Bestand - ganz so wie Lennards Leben.
Es ist eine langsame Entwicklung, die der Protagonist hier durchläuft und damit umso glaubwürdiger. Sein Erschrecken, dass auch Menschen in seiner unmittelbaren Nähe teils existentielle Probleme haben. Oder die unerwartete Freundlichkeit und das aufrichtige Interesse an seiner Person, die ihn zu deutlich überhöhten Trinkgeldern greifen lässt. Erlebnisse, die sein bisheriges Leben in Frage stellen, ohne dass er diese laut äussert.
Die Lektüre regte mich zum Nachdenken an: zum Einen über das Buch selbst, zum Andern über mich. Nicht das Schlechteste, was man über ein Buch sagen kann :-)

Das zerstörte Leben des Wes Trench
384 Seiten

Gleich zu Beginn muss ich erst mal das leidige Thema BUCHTITEL ansprechen. Denn weder erwartet einen bei dieser Lektüre die tragische Lebensgeschichte des Wes Trench noch ist dessen Leben zerstört (zumindest habe ich es so empfunden). Doch auch den Originaltitel finde ich eher seltsam: The Marauders (= Plünderer, nicht Rumtreiber wie ich irgendwo gelesen habe). Denn gerade das sind die Protagonisten dieses Buches nicht. Ist es zuviel verlangt, sich einen Titel zu wünschen der im richtigen Zusammenhang mit dem Inhalt steht?
Erzählt wird das Leben von acht Männern (Frauen scheint es kaum mehr zu geben) während des Sommers 2010, kurz nachdem die Ölplattform Deepwater Horizon explodierte und fünf Jahre nach dem Hurrikan Katarina. Sie alle leben im tiefen Süden von Louisiana, wo die Menschen Sumpfratten genannt werden und die meisten nach diesen beiden Schicksalsschlägen hart um ihre Existenz kämpfen müssen. Da ist Fischer Lindqvist, der wie die meisten Anderen mehr schlecht als recht von der Shrimpsfischerei versucht zu leben und seinen Kindheitstraum nie aufgegeben hat, einen Goldschatz zu finden. Die Zwillinge Toup, die auf einer Insel mitten im Sumpf Marihuana anbauen. Brady Grimes, der widerwillig in die Heimat zurückgekehrt ist und nun im Auftrag der Ölgesellschaft die Einheimischen über den Tisch zieht. Cosgrove und Hanson, zwei Männer, die nichts miteinander verbindet außer dem Wunsch, möglichst schnell an viel Geld zu kommen. Und natürlich Wes Trench, der gemeinsam mit seinem Vater ebenfalls auf Shrimpsfang geht.
Tom Cooper gelingt es bei seinem Erstlingswerk überraschend gut, die besondere Stimmung und Atmosphäre dieser Gegend und seiner Bewohner zu vermitteln. Es ist ein zäher und eigensinniger Menschenschlag der hier ausharrt und versucht, trotz der widrigen Umstände die auch ganz ohne Hurrikan und Ölpest zum Alltag gehören, sich und ihren Familien ein möglichst gutes Leben zu ermöglichen. Aber es sind nicht nur gute Geschichten, die Cooper hier erzählt anhand der teils schrägen Hauptfiguren, von denen jeweils abwechselnd kapitelweise berichtet wird. Die realen Ereignisse wie der Hurrikan Katarina und die Ölpest scheinen zwar nur eine Nebenrolle zu spielen, doch letzten Endes sind sie es, die die Ursachen für die massiven Schwierigkeiten dieses Landstriches darstellen. Die Zerstörung der ganzen Umgebung wie auch der Tod vieler Menschen durch Katarina, die Umweltverschmutzung durch die Ölpest, der dadurch erfolgte Zusammenbruch der gesamten Lebensgrundlagen der Einheimischen (Shrimps werden nun aus China importiert), das Davonstehlen der dafür Verantwortlichen - der Autor klagt nicht an, sondern schildert es eher beiläufig. Doch es ist auf jeder Seite präsent.
Tom Cooper ist ein toller Geschichtenerzähler und so sei es ihm verziehen, dass das Ende fast schon zu happyendmäßig ausfällt. Ihm ist ein überzeugender Roman mit schrägen, aber real wirkenden Menschen gelungen, der Ereignisse und insbesondere deren Folgen zurück ins Gedächtnis ruft, die von Vielen vermutlich bereits wieder vergessen wurden.

Die Halbwertszeit der Liebe
300 Seiten

Die Ich-Erzählerin Margarete, Mitte 40, erfolgreiche Schönheitschirurgin mit wissenschaftlichem Schwerpunkt männliches Geschlechtsteil, sehr intelligent und sehr attraktiv (ohne Eingriffe ;-)), hat ein bzw. mehrere massive Defizite. An Sex kann sie nichts finden und Gefühle sind ihr weitestgehend fremd. Zudem ist sie der Auffassung, missgestalt zu sein (ganz im Gegensatz zu den Männern) - Dysmorphophobie nennt man diese Krankheit. Auf einem Kongress begegnet sie Heinrich, einem ebenfalls sehr erfolgreichen Schönheitschirurgen, der völlig von ihr hingerissen ist. Margarete geht es mit ihm ähnlich, ohne dass sie weiss weshalb, und so beschließt sie, ihn zu lieben. Es beginnt eine, wie ich finde, seltsame Beziehung, die in St. Moritz in einer gemeinsamen Bergwanderung im wahrsten Sinne des Wortes gipfelt.
Ich lese ja nun wirklich viel, aber so ein Buch bzw. einen solchen Stil hatte ich bisher noch nie. Durch ihre Gefühllosigkeit ist Margaretes Ausdrucksweise kühl und rational, Menschen (insbesondere Männer) werden stets nach ihrem äusseren Erscheinungsbild analysiert, nicht beurteilt!. Das hört sich dann beispielsweise so an: "Er ist jünger als ich, klein, dunkel, Kraushaar an Kopf und Armen. Bauchfett: nullkommafünf Liter, Länge des Penis siebenkommafünf Zentimeter (nicht erigiert), Durchmesser drei, gerader Wuchs, erigiert dreissig Prozent Zuwachs, maximal. Der Kittel blütenweiß, gestärkt." Oder: "Sie haben Bäuche, eine Fettabsaugung könnte Abhilfe schaffen, ich schätze das Volumen des abzusaugenden Gewebes; im Fall des rechts Stehenden ein knapper Liter, links einskommafünf, der Mittlere leidet an schwerer Fettleibigkeit, zweikommafünf." Der Tonfall bleibt fast durchgehend völlig sachlich und nüchtern, was mir zu Beginn eher unangenehm war, doch nach 40 bis 50 Seiten hatte ich mich daran gewöhnt und die Lektüre machte mir immer mehr Vergnügen. Margarete enthüllt die Männer ohne Gnade - nicht bösartig sondern weil sie nicht anders kann, und das ist schon sehr amüsant. Doch ihr Verhalten steht im völligen Gegensatz dazu, sodass ich immer nur den Kopf schütteln musste, wobei es natürlich auch dafür Erklärungen gibt.
Trotzdem, so Manches bleibt unverständlich was jedoch meine Lesefreude nicht minderte. Alles in allem eine sehr ungewöhnliche Liebesgeschichte, insbesondere mit einem Blick auf Männer, wie ich ihn so noch nicht kannte ;-)

Der Sommer der Schmetterlinge
283 Seiten

Es ist die Geschichte zweier Schwestern aus Brasilien, die völlig unterschiedliche Lebenswege einschlagen, sich aber trotzdem immer noch verbunden fühlen. Nach zehn Jahren steht ein Wiedersehen in ihrem Elternhaus bevor und in einem für europäische Verhältnisse ungewöhnlichen, aber dennoch wundervollen, poetischen Stil erzählt die Autorin über die Kindheit und das Erwachsenwerden dieser beiden Frauen.
Klar ist, es gibt Etwas über das in dieser Familie niemand spricht, es herrscht eine Grabesstille im Zuhause der beiden Mädchen. Nur wenige wissen davon und die Geschichte selbst nähert sich diesem Etwas nur allmählich mit vagen Andeutungen, wohingegen seine Auswirkungen überdeutlich beschrieben werden. Alle leiden darunter: die Einen direkt, die Anderen indirekt. Es muss etwas Abscheuliches gewesen sein, doch dieses entsetzlich Unbeschreibliche wird auf eine solch stimmungsvolle und poetische Weise erzählt, dass der Kontrast zwischen Sprache und Erlebtem wohl kaum größer sein könnte.
Doch der Roman lebt nicht nur von der wunderbaren Sprache der Autorin. Während es zu Beginn nur selten Hinweise auf das Unaussprechliche gibt, steigen diese mit zunehmender Seitenzahl. Und so rätselte ich mit, was denn geschehen sein könnte und wurde immer ungeduldiger, je näher das Treffen der beiden Schwestern rückte. Obwohl ich wie vermutlich viele Andere auch es schon früher ahnte (zumindest ungefähr), was passiert sein könnte, ist die 'Auflösung' dennoch schockierend - ich konnte das Unglaubliche kaum glauben.
Es ist eine Geschichte, wie sie sich auch in unserer Gegend hätte ereignen können, voller Schweigen und Verschlossenheit. Doch durch die bilderreiche Sprache Adriana Lisboas wird schon nach wenigen Seiten klar: Man befindet sich mitten in Südamerika.
Weshalb dann nicht die volle Punktzahl? Das Buch ist trotz des traurigen Themas sehr sehr poetisch - für meinen Geschmack etwas zu sehr. Um nicht falsch verstanden zu werden: Nein, das hier ist KEIN Kitsch und drückt nicht auf die Tränendrüse. Doch als durchschnittliche Mitteleuropäerin vertrage ich offenbar nur eine bestimmte Menge an Poesie - und die ist mit diesem Buch auf jeden Fall erreicht ;-)

Die Seerose im Speisesaal: Venezianische Geschichten

Wer hofft, ausgehend vom Untertitel 'Venezianische Geschichten', etwas mehr über Venedig zu erfahren als bereits in den einschlägigen Reiseführern steht, wird wohl einerseits enttäuscht werden, andererseits aber auch seinen Wunsch erfüllt bekommen. Rat- und Vorschläge welcher Art auch immer finden sich hier nicht, dafür aber eine Menge Geschichten über die VenezianerInnen, sodass man am Ende vielleicht ein bisschen ein Gefühl dafür bekommen hat, was den/die Einheimischen ausmacht. Wobei - ob der Unterschied zu BewohnnerInnen aus anderen Gebieten Italiens so groß ist, kann ich nicht beurteilen.
In jedem Fall sind die Geschichten amüsant, liebevoll, melancholisch und zuweilen auch phantastisch. Überwiegend sind es Erlebnisse des Autors, die sich seit seinem Umzug nach Venedig ereigneten bzw. Geschehnisse, die ihm von BewohnerInnen Venedigs zugetragen wurden. Manchmal wurde sein Interesse so groß, dass er begann, historische Hintergründe dazu auszugraben und stieß so auf Skurriles und Rätselhaftes wie beispielsweise die venezianische 'Flamme' von Hitler.
Ob wahr oder nicht - es spielt keine Rolle. Tukurs Stil ist ausgesprochen unterhaltend und er versteht es meisterhaft, Dinge zu beschreiben und vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen. Ein Beispiel: "Ihr Gesicht war eine Landschaft, die sich im Laufe eines langen, entbehrungsreichen Lebens herausgebildet hatte; es gab Berge, ja regelrechte Gebirgszüge, zwischen denen sich Täler dahinzogen, tiefe und weniger tiefe, langgestreckte, die sich zu Ebenen weiteten, wiederum anstiegen, um hinabzufallen zu zwei Seen, dunkel schimmernd oder hell strahlend, je nachdem, welches Wetter herrschte und wie das Licht sie traf." (Die beschriebene Dame ist 96 Jahre alt.)
Was dem Ganzen jedoch auf jeden Fall zur vollen Punktzahl verhilft, ist die wirklich grandiose Lesung des Autor selbst. Ulrich Tukur kann es einfach! Er liebt diese Stadt und seine Menschen und die Geschichten dazu, das konnte er mir bei diesem Hörbuch äusserst glaubhaft vermitteln. Vermutlich sogar noch besser, als wenn ich 'nur' die Geschichten gelesen hätte.
Meine Empfehlung daher: Das Hörbuch hören!

Was das Meer ihnen vorschlug
192 Seiten

Kolumbien, eine idyllische Ferienanlage am Meer. Doch schaut man genauer hin, ist es alles andere als ein Idyll. Javier und Mario, Zwillinge in den Zwanzigern, betreiben die Anlage mit einem Restaurant gemeinsam mit ihrem Vater. Offen verachtet er die Beiden, und dafür hassen sie ihn, aber auch weil er ihre geliebte Mutter schon immer schamlos betrog, und sie mittlerweile psychisch krank ist.
Der Roman umfasst 27 Stunden, von vier Uhr morgens bis sechs Uhr des nächsten Tages, jede Stunde ein Kapitel. Jede Stunde wird die Geschichte aus einer anderen Perspektive erzählt. Man hört die Mutter, die überall Stimmen vernimmt; die Gäste der Ferienanlage; und natürlich auch die Söhne und ihren Vater, die alle ihrer unbändigen Wut und ihrem Zorn freien Lauf lassen. Sie sind gemeinsam zum Fischfang aufgebrochen, während ein schweres Unwetter heraufzieht . Nach und nach steigt die Anspannung zwischen den Dreien im Boot, so wie nach und nach das Unwetter stetig näher rückt. Mit jeder Seite steigt die Ahnung, dass etwas Dramatisches bevorsteht....
Tomás González ist ein ungemein präziser Erzähler, dem es trotz kaum vorhandener Handlung gelingt, ebenso eine immense Spannung aufzubauen wie den Figuren soviel Leben zu verleihen, dass man sie genau vor Augen hat, auch wenn man nicht unbedingt ihre Beweggründe verstehen mag. Vieles mag für europäische, insbesondere deutsche LeserInnen unverständlich bleiben, doch sollte man sich beim Lesen immer klar machen: Es ist eine kolumbianische Geschichte!
Gerade mal 150 Seiten hat dieses schmale Büchlein, sodass man es fast zwangsläufig in einem Rutsch durchliest - was schade wäre. Denn so, wie sich das ganze Drama nach und nach entfaltet, sollte man auch diese Geschichte lesen. Für mich hat sich beinahe jeder Abschnitt durch etwas Zeitabstand neu dargestellt, insbesondere das Ende, das ich direkt nach dem Lesen als ziemlich unbefriedigend empfand. Doch mit etwas Distanz sah ich plötzlich auch etwas völlig Anderes: Menschlichkeit, wo sie nicht zu erwarten war.

Der Edelsteingarten
400 Seiten

Als Frau nach kurzer Zeit einen Orientalen heiraten und in seine Heimat ziehen? Was heutzutage vermutlich vorsichtiges Kopfschütteln und gute Ratschläge zuhauf auslösen würde, muss in den fünfziger Jahren wie eine Reise zum Mond gewirkt haben. Doch Laura, die Hauptfigur dieses Buches, lässt sich nicht abschrecken. Sie folgt der Liebe ihres Lebens, dem jungen, gutaussehenden und vermögenden Younis nach Bagdad, nicht zuletzt um die belastende und deprimierende Atmosphäre ihres Elternhauses in Wien hinter sich zu lassen. Und ihr neues Leben entwickelt sich erst einmal gut, auch zu meiner Überraschung, da ich nach Lauras Übertritt zum Islam bereits das 'Schlimmste' befürchtete ;-) Auch wenn Younis orientalische Erziehung und Sozialisation immer wieder aufblitzen, gestaltet sich ihr gemeinsames Leben doch als überwiegend harmonisch, erst recht als Laura die kleine Jenny zur Welt bringt...
Es könnte eine Liebesgeschichte sein wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht, wenn da nicht immer wieder die böse Politik dazwischen funken würde. Doch es ist die Zeit der Revolutionen im Irak, und so kämpfen nicht nur die Iraker auf der Straße, sondern auch die beiden jungen Menschen um ihre Liebe - aber auch irgendwie nicht. Denn erzählt wird ausschließlich aus Lauras Sicht, und sobald es um unangenehme Dinge geht (Younis könnte in die Revolution verwickelt oder ein Verräter sein oder ...) verschließt sie die Augen und will nichts weiter wissen. Und Younis selbst berichtet nur Nebensächliches. So erfährt man über das Tun von Lauras Ehemann ebenso wie über die historischen Hintergründe nur wenig bis nichts, was ich sehr bedauerlich finde. Auch die Figuren selbst bleiben eher blass, da aus Lauras Perspektive keinerlei intensivere Betrachtungen zu was auch immer angestrengt werden, sondern sich meist auf reine Beschreibungen beschränken.
Auch wenn das Ganze einen biographischen Hintergrund haben mag (die Mutter der Autorin soll als 'Vorlage' für diesen Roman gedient haben), wäre es sicherlich möglich gewesen, das damalige politische Geschehen zu recherchieren und in die Geschichte hineinzuarbeiten. So aber ist es sicherlich kein schlechter, aber doch recht oberflächlicher Liebesroman zweier Menschen aus sehr unterschiedlichen Kulturen geworden, der zudem mit ungewöhnlich vielen Rechtschreibe- und Druckfehlern versehen ist. Schade, daraus hätte man mehr machen können.

Biest

Der Einstieg bei diesem Hörbuch fiel nicht gerade leicht. Nicht, dass es nicht gut vorgelesen wäre oder die Geschichte Längen hätte oder so, nein, es war schlicht zu viel des Guten. Gleich zu Beginn gibt es vier oder fünf verschiedene Handlungsstränge, die nichts oder nur wenig miteinander zu tun haben, sodass ich während der ersten CD mehr damit beschäftigt war, die Details im Ohr zu behalten als mich dem 'Genuss' dieses Thrillers hinzugeben. Erst bei der zweiten CD wird deutlicher, wie und was die unterschiedlichen Protagonisten miteinander verbindet und ich konnte mich zurücklehnen ;-)
Um dem wirtschaftlich darbenden Russland auf die Beine zu helfen (und natürlich auch zu seinem eigenen Nutzen), entwickelt ein russischer Oligarch, der nur unter dem Namen 'Biest' bekannt ist, einen heimtückischen Plan, bei dem Europas Bevölkerung das Opfer ist. Durch den israelischen Geheimdienst erhält die europäische Spezialeinheit ECSB davon Kenntnis und versucht mit allen Mitteln, dieses Vorhaben zu vereiteln.
Im Großen und Ganzen ist 'Biest' ein durchschnittlicher Thriller, der nicht mit allzu großen Überraschungen aufwartet. Was ihn jedoch aus der Masse der Durchschnittsware heraushebt, ist die zumindest für mich schon beängstigend realistische Beziehung zu unserem Alltag.Terroristen infiltrieren bzw. verseuchen Industrieanlagen mit Computerviren, -würmern und was sonst noch so im IT-Bereich kreucht und fleucht, sodass diese Anlagen vollständig versagen und die gesamte Bevölkerung eines Landes gefährden können - wirklich nur Fiktion? In Zeiten, in denen beinahe wöchentlich darüber berichtet wird, wie Autos geknackt, Clouds gehackt oder Daten widerrechtlich verschlüsselt werden um Lösegeld zu erpressen, in solchen Zeiten soll das beschriebene Szenario von 'Biest' nur Phantasie sein? Mir kam das Alles sehr sehr realistisch vor und somit ergibt sich ein Großteil der Spannung aus eben diesem Nahe-dran-an-der-Wirklichkeit. Dazu gehört auch der Bezug auf reale Personen, deren Namen zwar leicht abgeändert wurden, doch durch die Umstände klar erkennbar sind.
Uve Teschner macht seine Aufgabe als Vorleser gut, Stimmungen werden deutlich vermittelt und die Handelnden sind fast problemlos zu unterscheiden.
Alles in allem ein spannender Thriller, der meiner Meinung nach jedoch nichts ist für Menschen, die bereits über eine gewisse Paranoia verfügen in puncto Untergangsszenarien ;-)

Die Birken wissen's noch
516 Seiten

Was für ein wundervolles Buch! Spannend wie ein Krimi, gefühlvoll wie ein Liebesroman und nicht zuletzt auch lehrreich was die Geschichte des letzten Jahrhunderts betrifft. Das Alles kommt in einer schönen, leicht zu lesenden Sprache daher, sodass die Lektüre ein einziger Genuss ist. Irgendein Manko? Nein, mir fällt nichts ein (Und nein, ich wurde nicht vom Verlag für diese Rezension bezahlt ;-)).
Der 23jährige Edvard ist nach dem mysteriösen Tod seiner Eltern bei seinen Großeltern auf einem Hof in Norwegen aufgewachsen, die ihn liebevoll umsorgten, jedoch nie über den Rest der Familie sprachen. Nach beider Tod entdeckt Edvard im Nachlass seines Großvaters Unterlagen, die ihn beginnen lassen, Nachforschungen anzustellen: Wer war seine Mutter? Was ist mit Großvaters Bruder Einar? Weshalb dieses Schweigen? Was geschah tatsächlich, als seine Eltern starben? Schritt für Schritt arbeitet er sich in die Geschichte der Familie hinein, die nach und nach so spannend wird wie ein Kriminalfall und ihn zuerst auf die Shetlandinseln führt, wo er Gwen begegnet, einer jungen selbstsicheren undurchdringlichen Frau, die vielleicht mehr weiß als sie zugibt. Gemeinsam gehen sie den Hinweisen nach, die sie beide immer weiter in die Vergangenheit zurückführt, denn auch Gwen ist auf der Suche.
Was sich nun nach einer der typischen ‚Schmonzetten‘ anhören mag, ist alles andere als das. Zugegeben, es ist auch eine Liebesgeschichte, doch weder dominiert sie die Handlung noch artet sie in Kitsch aus. Wie selbstverständlich fügt sie sich in die Geschichte ein und stellt den Ich-Erzähler Edvard als das dar, was er ist: ein junger Mann, der neue Erfahrungen macht, die ihn erst verunsichern und dann jedoch stärken. Auf seiner Reise zu seinen Wurzeln (im wahrsten Sinne des Wortes) lernt er nicht nur die Vergangenheit seiner Familie, sondern ebenso sich selbst kennen und begreift, was für ihn wichtig ist.
Was für mich die Stärke dieses Buches ausmacht, ist die völlig überzeugende Erzählweise des Autors. Nichts wirkte übertrieben oder belehrend, kitschig oder gekünstelt – nein, Edvard erzählte seine spannende Geschichte und ich hörte ihm gebannt zu. Einfach toll!