Hier könnte das Ende der Welt sein
213 Seiten

“Hier könnte das Ende der Welt sein” ist ein ruhiges Buch. Ein ruhiges Buch, das so viel mehr als die Zeilen und Wörter auf den 212 Seiten enthält. Ein Buch mit Charakteren, die alle etwas verloren haben und nun auf ihre unterschiedlichen und ganz persönlichen Weisen mit dem Verlust umzugehen versuchen.

Cullen wohnt in Lily, Arkansas, der Stadt, in der wahrscheinlich so wenig los ist wie nirgends sonst. Seiner Familie und seinen Freunden stehen ereignislose und langweilige Sommerferien bevor, doch dann geschieht alles gleichzeitig - und auch wieder nicht. Der vermeintlich ausgestorbene Lazarus-Specht soll in Lily gesichtet worden sein. Cullens Bruder Gabriel verschwindet spurlos.
Dann ist da auch noch Benton, der meilenweit von Lily und den Personen um Cullen entfernt Missionsarbeit erledigt und sich dann doch zu einem Studium entschließt und dort im Wohnheim seinen neuen Mitbewohner kennenlernt.

John Corey Whaley erzählt hier auf seine eigene Weise und mit einem ganz besonderen Schreibstil von den Erlebnissen der beiden Jungen - Cullen und Benton, die sich gar nicht kennen. Der Zusammenhang zwischen diesen beiden Geschichten wird dem Leser erst sehr spät klar - und wenn endlich deutlich wird, wie eng diese Schicksale miteinander verwoben sind, ist dies ein krasser Moment, ein BÄM-Moment, fast schon ein Mindfuck-Moment. Ich zumindest habe mit der Auflösung so nicht im mindesten gerechnet.

“Hier könnte das Ende der Welt sein” fängt ruhig an und bleibt ruhig. Wie es am Ende der Welt eben so ist. Die Charaktere sind alle auf ihre besondere Art ganz speziell und das kommt durch den Schreibstil von John Corey Whaley wunderbar rüber. Die Methode “Show, don’t tell” hat der Autor super drauf. Es ist auch gar nicht nötig, die Figuren in diesem Buch lange zu beschreiben, denn dadurch, wie sie handeln, zeigt sich ihr jeweiliger Charakter sehr gut. Besonders ihr Umgang mit Verlust, der Versuch eine Familie zusammenzuhalten und die Beziehungen der Personen zueinander, werden sehr gefühlvoll und detailreich gezeigt. So bleibt nichts und niemand blass; und auch wenn oberflächlich nicht so viel passiert, so passiert in der Figurenentwicklung sehr viel.

Viele Themen werden in dieser Geschichte angesprochen: Die scheinbare Rückkehr des Lazarus-Spechts in gerade dieser kleinen unbedeutenden Kleinstadt Lily, das Verschwinden von Cullens Bruder Gabriel, die Darstellung dieser beiden Ereignisse in der lokalen Presse, Cullens Reaktionen darauf. Und schließlich natürlich noch die scheinbar nicht damit zusammenhängende Geschichte, die mit dem religiösen Jungen Benton beginnt und sich auf eine so unerwartete Weise entwickelt.
Der Originaltitel “Where Things Come Back” fasst die Aussage dieses Buches perfekt zusammen: Dinge kehren auf die eine oder andere Weise zurück, haben Effekte und Konsequenzen und müssen nicht immer so sein, wie jeder sie erwartet hat.

Meine Empfehlung an alle, die auch mal ein ruhigeres, tiefer gehendes Buch lesen möchten und nicht auf jeder Seite spannungsgeladene Action brauchen.