Wer einen Krimi nur dann mag, wenn gänsehauterzeugende Spannung aufgebaut wird, egal ob durch grauenvolle Verbrechen oder dramatische Ermittlungsarbeit, ist hier völlig fehl am Platz. Zwar gibt es in jeder der beiden Geschichten ein Kapitalverbrechen und die dazugehörigen Täter, doch eigentlich, eigentlich sind sie nur Nebensache. Hauptpersonen sind Menschen, die auf den ersten Blick gar nichts mit der Sache zu tun haben, auf den zweiten Blick sich dann aber als die tragenden Figuren herausstellen, wenn auch in einer Art und Weise wie sie sicherlich nicht erwartet wird.
In der ersten Geschichte ist es der Obdachlose Pi, der das Verbrechen beobachtete aber mit seiner Aussage nicht herausrücken will. Druck bewirkt nur Schweigen, denn dieser bekräftigt Pis Vorurteile über die Einstellung und Methoden der Polizei. Wie nun Kommissar Adamsberg es gelingt, diese Voreingenommenheit zu überwinden, ist fast schon ein philosophischer Exkurs.
Die Hauptperson der zweiten Geschichte trägt hingegen sehr überraschend wertvolle Hinweise zur Lösung des Falles bei. Wobei man doch zuerst dachte, sie diene nur der Auflockerung dieses Kurzkrimis und um einen Kontrapunkt zur zwanghaft besinnlichen Weihnachtszeit (in der diese Geschichte spielt) zu setzen.
Suzanne von Borsody, die diese Krimilesung vorträgt, stellt jede der vorkommenden Personen in solch genialer Art und Weise dar, dass man sie buchstäblich beim Zuhören vor Augen hat. Der misstrauische Pi - man sieht förmlich wie er die Augen zusammenkneift und nichts davon glauben will, was Adamsberg ihm sagt. Charles, der völlig versnobte, sturzbetrunkene Ästhet - wie er auch in der Ausnüchterungszelle die Haltung bewahrt und darauf besteht, einen Kleiderbügel zu bekommen.
Große Klasse!
Das Buch hat nicht (wie hier angegeben) 0 Seiten. Auch wenn es nur aus Kurzgeschichten besteht.