Der gefrorene Rabbi
496 Seiten

Schon die erste Seite stimmt darauf ein, was einen mit diesem Buch erwartet: Bernie, 15jähriger Couchpotatoe, findet auf der Suche in der Tiefkühltruhe nach einem Stück Fleisch zur Selbstbefriedigung, einen tiefgefrorenen alten Mann in einem Eisblock. Durch einen Stromausfall unabsichtlich zum Leben erweckt, entpuppt sich der knapp 200 Jahre alte Rabbi als ein überaus geschäftstüchtiger Unternehmer, der sich darauf versteht, die Suche der Menschen nach Glück mit einigem Geschick in klingende Münze umzuwandeln. Doch dies dient nur als Rahmenhandlung für die eigentliche Geschichte: Wie Bernies jüdische Vorfahren seit mehr als 100 Jahren sich durch das Leben kämpften und dabei immer den Rabbi im Eisblock dabei hatten. Es geht vom Ghetto in einem russischen Rayon nach Lodz, dann weiter nach New York. Man erlebt die Entstehungsphase Israels mit und die Rückkehr in die USA, nach Memphis.
Stern spannt über diese 100 Jahre einen unglaublich bunten, lebendigen und witzigen Bogen voll mit skurrilen und merkwürdigen Gestalten: Jochebed, die jahrelang als Mann lebte; Schmerl, der bucklige Technikbesessene, dessen Erfindungen nicht immer zum Wohle aller waren; Ruby, der ewige Schweiger undundund. Es ist ein Panoptikum schräger Figuren und Geschehnisse.
Die Sprache ist gewöhnungsbedürftig: Das Buch ist voll mit jiddischen Ausdrücken, die sich jedoch wunderbar in die Handlung einfügen und damit eine einzigartige Atmosphäre entstehen lassen, die für das damalige jüdische Leben wohl so charakteristisch war. In der gebundenen Fassung soll es ein Glossar geben (war in meiner Ausgabe nicht vorhanden), so dass vermutlich nur wenig unklar bleiben wird.
Lediglich den Schluss fand ich deutlich übertrieben - hier wäre weniger eindeutig mehr gewesen. Dennoch: Wer absurde Geschichten mag, wird seine Freude an diesem Buch haben.

← alle Einträge von Xirxe