Die einzige Wahrheit
464 Seiten

Ich muss zugeben, als ich anfing dieses Buch zu lesen bezweifelte ich, ob das unerklärliche Verschwinden eines Neugeborenen (und der damit aufzuklärende Zeitraum von zwei Stunden) ausreicht, um bei einem Buch mit 460 Seiten am Ball zu bleiben. Meine Zweifel schwanden, ich blieb dran.
Der Tod des Neugeborenen ist der Anlass, dass zwei Welten aufeinanderprallen, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Die der Amischen und der 'Englischen' (moderne westliche Gesellschaft). Die 'englische' Anwältin verteidigt ihre unbekannte amische Cousine und zieht aus diesem Grund für eine längere Zeit bei ihr und ihrer Familie ein. Der Zusammenstoss dieser zweier Welten ist für beide Seiten nicht einfach.
Picoult beschreibt eindrücklich nicht nur die für uns recht unbekannte Lebensweise der Amischen, sondern vermittelt auf einfühlsame Art und Weise auch einen Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt dieser Menschen, die der unseren sehr fremd ist. Durch die wechselnde Erzählperspektive (ein Kapitel erzählt Elli, die Anwältin, das andere ein 'allwissender' Erzähler) werden immer wieder Denkanstöße im Hinblick auf unseren eigenen Lebensstil geliefert, ohne jedoch mit dem erhobenen Zeigefinger zu winken.
Diese unterschiedliche Perspektive liefert auch die Spannung: Durch den 'allwissenden' Erzähler weiss man immer ein bisschen mehr als die Anwältin, aber nie genug, um alle Fragen zu klären.
Vier Sterne gibt es 'nur', weil so einige Ungereimtheiten auftauchen: Die am Tatort verschwundene Schere interessiert keinen Menschen (ok, hätte man sie gesucht und gefunden, wäre der Schluss ohne Aha-Effekt. Aber trotzdem.), Katie, die amische junge Frau, macht ein Geständnis und Elli, die sie mittlerweile schon Monate sehr gut kennt, merkt nicht wie es gemeint war (sogar ich hab's gemerkt :-)), Und ein wirklich übler Fehler: S. 311, Katie hat acht Monate die Schwangerschaft verborgen, S. 312, die Geburt war 2 1/2 Monate zu früh (also 6 1/2 Monate), S. 316, die Schwangerschaft wurde sieben Monate geheimgehalten. Ja was denn nun?
Ansonsten aber ein guter Roman mit einem guten und (so hoffe ich) realistischen Einblick in eine recht unbekannte Welt (nicht auf den Klappentext achten, es ist kein Thriller, auch kein psychologischer; eine mitreißende Freundschaft zweier...Frauen - stark übertrieben).

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