Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz
608 Seiten

Vier Chris' aus verschiedenen Ländern sind auf der Suche nach ihrem Vater Gabriel - im wortwörtlichen wie im übertragenen Sinne. Jeden von ihnen (ebenso wie ihre Mütter) hat er vor vielen Jahren verlassen und keiner weiß Genaueres, was geschehen ist. Christòfol aus Spanien erfährt fast 30 Jahre nach der letzten gemeinsamen Zeit, dass sein Vater offiziell als vermisst gemeldet wurde. Zu seiner Überraschung stellt er fest, dass dieser die ganzen Jahre nicht allzu weit von ihm entfernt lebte und er noch drei Halbbrüder in Großbritannien, Frankreich und Deutschland hat, die offenbar alle nichts voneinander wissen. Christòfol nimmt Kontakt zu ihnen auf und nach einem ersten Treffen beschließen sie, das Leben ihres gemeinsamen Vaters zu rekonstruieren. Sie befragen ihre Mütter, machen alte Freunde ausfindig, Arbeitskollegen undundund. Nach und nach erhalten sie so das Bild eines Mannes, den Bindungen offenbar mehr schreckten als alles andere, der sie aber dennoch über alles zu lieben schien. Und zugleich scheinen sie eine Spur zu seinem jetzigen Leben gefunden zu haben… So wie Gabriels Reisen als Fernfahrer ihn kreuz und quer durch halb Europa führten, so leiten einen die unterschiedlichen Geschichten durch die Zeiten seit den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts bis in die heutige Zeit. Es erzählen die Söhne von ihrer Jugend und ihrem Leben, die Mütter über sich und ihre Zeit mit Gabriel, Arbeitskollegen und Freunde von ihren gemeinsamen Jahren und immer wieder gibt es Abstecher in die Gegenwart, wie weit die Recherchen gediehen sind. Die Sprache ist den jeweiligen Erzählenden angepasst, wobei die Unterschiede jedoch nicht allzu gravierend sind, so dass man sich beim Lesen nicht sehr umstellen muss. Lediglich die ständigen Zeit-, Orts- und Personenwechsel sind gelegentlich etwas verwirrend, führen aber auch zu steigender Spannung, da in besonderen Situationen natürlich ein Szenenwechsel erfolgt. Puntí schildert die verschiedenen Epochen in den unterschiedlichen Ländern sehr überzeugend und vermutlich auch recht realitätsgetreu (zumindest hatte es für mich den Anschein). Die Zeit der 68er in Paris, die revoltierenden Studenten, die Zeit der WGs; das Leben als Findelkind im früheren Spanien – man hat die einzelnen Stationen gut vor Augen. Alles in allem ist das Buch nicht nur eine interessante Familiengeschichte, sondern ebenso eine Reise durch das noch junge Europa. Und ganz nebenbei wird klar: Die ersten wahren Europäer waren – die Fernfahrer ;-)

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