Nach der Empörung: Was tun, wenn wählen nicht mehr reicht
208 Seiten

Vor einigen Jahren erschien das kleine Büchlein 'Empört Euch!' von Stéphane Hessel, das sofort viel Beifall fand, da es die Unzufriedenheit und den Ärger eines Großteils der Bevölkerung über den Zustand der Gesellschaft in klare Worte fasst: die zunehmende Distanz zwischen Arm und Reich, die Geiz-ist-Geil-Mentalität, die Rücksichtslosigkeit großer Industrieunternehmen gegenüber Mensch und Umwelt, die Dominanz der Wirtschaft in der Politik undundund. Doch Empörung schön und gut: Was (mir) fehlte, waren Hinweise und Ratschläge, was die/der Einzelne konkret unternehmen könnte. Klaus Werner-Lobo schließt diese Lücke mit seinem neuen Werk, soviel sei schon verraten, tadellos.
Vier Teile umfasst das knapp 200 Seiten starke Buch. Im ersten Teil erfolgt eine Bestandsaufnahme der Dinge, die viele Menschen heute umtreiben: Dass Politik immer öfter im Hinterzimmer ohne Öffentlichkeit stattfindet. Dass die Wirtschaft zunehmend Politik betreibt. Dass Gewinne in Unternehmen verbleiben, Verluste aber die Gesellschaft tragen muss. Undsoweiterundsofort, Themen zuhauf wie sich die politisch Interessierten vorstellen können.
Was tun? Dieser zweite Teil, der den größten Umfang des Buches einnimmt, ist erfreulicherweise sehr lebensnah. Klar ist, es gibt kein Patentrezept wie Dinge zu ändern sind, sieht man mal von etwas so Grundlegendem ab wie Informationen beschaffen und deren Verbreitung. Selbst die übelsten Missstände können weiterbestehen, wenn sie nicht bekanntgemacht werden. Doch wie dagegen angehen? So individuell die Menschen und die Anliegen, so individuell sind die möglichen Ansätze, von denen Werner-Lobo eine Menge aufzeigt. Beispielsweise Boykotte, Änderung der Lebensweise und/oder des Konsums, Engagement in NGOs und/oder Gewerkschaften, Kunst, ziviler Ungehorsam und Diverses mehr. Vieles mag Manchen bekannt sein, doch einer der großen Vorteile dieses Abschnittes ist es, auch die möglichen Gefahren dieser Aktivitäten aufzuzeigen und Hintergründe auszuleuchten, beispielsweise zum zivilen Ungehorsam. Reichlich Beispiele sind aufgeführt, die alle durch entsprechende Links oder Literaturverweise im Anhang vertieft werden können.
Ist die repräsentative Demokratie noch zu retten? Wenn sich nichts ändert wohl nicht. Und so schlägt der dritte Teil neue Möglichkeiten bzw. Veränderungen vor, wie aus der mittlerweile bestehenden Oligarchie tatsächlich wieder eine Herrschaft des Volkes werden kann. Dieser Abschnitt ist mit gerade einmal 13 Seiten recht knapp ausgefallen, da hier Politiksysteme als Ganzes beschrieben werden, weniger die Handlungsmöglichkeiten von Einzelnen.
Zuguterletzt gibt es eine Übersicht der momentan wohl aktivsten bzw. erfolgreichsten 'unbekannten' Initiativen, an denen man sich beteiligen kann, sofern man keine eigene Aktion auf den Weg bringen möchte.
'Eine Anleitung zum Selberhandeln' steht im Klappentext mit jeder Menge mutmachender Beispiele. Genau das ist es, für Alle, die sich nicht nur empören, sondern auch handeln wollen.

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