In der Nacht
583 Seiten

Boston, 1926. Joe, knapp 20 Jahre alt, will nur eines: nach seinen Regeln leben. Er will sich von niemandem sagen lassen, was er wie und warum zu tun hat. Und so entscheidet er, sein Leben in der Nacht zu leben. Denn nur dort zählen die Regeln, die sich ein echter Mann selbst auferlegt. Sein Weg führt ihn nach zwei Jahren Zuchthaus nach Florida, wo er im Dienste von Gangsterboss Maso Pescatore den Rumschmuggel neu organisiert und dies derart erfolgreich, dass er schon nach kurzer Zeit der mächtigste Mann in Florida und an der Golfküste ist. Doch sein Erfolg bleibt nicht unbemerkt und ebenso wenig seine Neigung, Gewalt wo immer möglich zu vermeiden. Denn Joe lebt nach seinen Regeln und dazu zählt seine für einen Gangster ungewöhnliche Menschenliebe. Dies gefällt nicht allen...
Joe ist ein ungewöhnlicher Protagonist für ein solches Buch. Obwohl er die Regeln 'des Tages' in jeder Hinsicht ablehnt, versucht er ein nach seinen Ansprüchen ehrenwertes (im Sinne von moralisch) Leben in der Nacht zu führen. Dies gelingt ihm erstaunlich gut und mit großer Wahrscheinlichkeit ist er im Vergleich zu vielen sogenannten 'rechtschaffenen Bürgern' der Gesellschaft der deutlich Anständigere. Ständig hinterfragt er sein Tun wobei er feststellt, dass er seinen Prinzipien immer wieder untreu werden muss.
Nur neun Jahre umfasst der Zeitraum, in dem Joes Leben beschrieben wird. Doch es ist eine derart ereignisreiche Periode, dass sie bei den meisten anderen Menschen für ein ganzes Leben ausgereicht hätte. Lehane schildert nicht nur die Ereignisse direkt um und mit Joe, sondern breitet ein immenses Panorama der damaligen Zeit der Prohibition vor den Lesenden aus, ganz in der Tradition des 'film noir'. Sowohl das Boston wie auch das Florida der 30er und 40er Jahre des letzten Jahrhunderts hat man beim Lesen deutlich vor Augen und es fiel mir überaus schwer, den Roman vor dem Ende beiseite zu legen, so gepackt war ich von diesem Buch.
Lediglich der letzte Teil hat mein Lesevergnügen etwas geschmälert. Wie Joe hier als Wohltäter aufgebaut und einem seine 'Blauäugigkeit' demonstriert wird (was angesichts seiner bisherigen Erfahrungen völlig unglaubwürdig wirkt), empfand ich einfach als etwas zu viel des Guten. Schade, sonst wäre das Ganze schlicht perfekt.